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Okt. '25
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Interviews
Das ist unser vollständiges Interview mit Elena zu den Auszügen, die du im Orgasmic Parents Buch finden kannst.
Elena

Alter: 53

Anzahl und Alter Kinder (inkl. Sternenkinder):
2 Kinder (mit 25 und 30), 1 Fehlgeburt (mit 23) und 1 Abtreibung (mit 33)

Beziehungsstatus (während Schwangerschaft / jetzt): verheiratet und jetzt geschieden

Wohnsituation:
Wir hatten am Anfang eine Zwei-Zimmer-Wohnung, noch mit Ofenheizung damals.
Vierter Stock. Und sind dann aber umgezogen in eine Drei-Zimmer-Wohnung. Und dann habe ich dort in der Drei-Zimmer-Wohnung meine Tochter bekommen.
Und wo die so sechs, sieben war, sind wir dann in eine Vier-Zimmer-Wohnung umgezogen.

Arbeitssituation:
Ich habe eigentlich so gut wie immer gearbeitet. Nachdem ich meine Kinder bekommen habe, hatte ich ein Jahr Babypause, war dann eineinhalb Jahre in Teilzeit – und bin danach wieder Vollzeit arbeiten gegangen. Ja, krass. Aber ich hatte echt das große Glück, dass meine Mutter zu der Zeit, als mein Sohn klein war, schon Rentnerin war. Sie hat mindestens zweimal in der Woche den Kleinen abgeholt und nach Hause gebracht. Also die hat echt voll unterstützt.

Besonderheiten:
Also bei meiner Tochter wollte ich ins Geburtshaus. Und ich wollte unbedingt in der Badewanne entbinden. Also das war für mich so mein Traum. Das hat leider nicht geklappt, weil die Fruchtblase ist nur angerissen gewesen und wir mussten dann ins Krankenhaus. Und dann hatte ich erstmal gar keine Wehen mehr.
Es war wahrscheinlich ein zu großer Schock. Und dann haben sie alle gesagt, ja, es können alle weggehen. Und meine beste Freundin, die war halt in dem Raum geblieben.
Und irgendwie, wo alle weg waren, fingen dann die Presswehen an. Und wir waren beide alleine. Und dann hat sie schon gesagt, ja, da guckt das Köpfchen schon raus.
Kannst du nicht mal aufhören zu pressen? Und ich dann so, nee, das kann ich nicht mehr. Sie war keine Hebamme, sie war Tischlerin… Das war so etwas, was ich gern danach erzählt habe und woran ich wirklich heute noch ab und zu denke und mal lache.

Wolltest du schon immer auch Kinder haben und Mutter sein? Was hattest du dazu für Vorstellungen?
Nein, also am Anfang, so mit 18, 19, 20, wollte ich gar keine Kinder haben. Mit meinem damaligen Partner habe ich mich sogar deshalb getrennt, weil ich klar gesagt habe: Ich möchte keine Kinder.
Dann bin ich viel gereist, hab meine Freizeit genossen – einfach mein Leben gelebt. Und irgendwann hab ich dann meinen Mann kennengelernt, und irgendwie war das da anders. Da hatte ich plötzlich das Gefühl: Doch, ich möchte Kinder haben. Und ich wusste auch, wenn, dann will ich mindestens zwei – weil ich wollte, dass es Geschwister sind.

Und weißt du, was anders war mit ihm dann?
Also, erstmal kam er ja aus einer anderen Kultur – er kommt aus Ghana. Und ich glaube, da werden Kinder einfach noch mal ganz anders gesehen. Nicht nur wertgeschätzt, sondern es gehört auch viel selbstverständlicher dazu. Ich dachte damals einfach, das passt einfach alles.

Und waren deine Geburten dann geplant?
Mein Sohn war das absolute Wunschkind. Meine Tochter war eher so: die Pille war alle und ich habe jetzt vergessen, die Pille zu nehmen. Also die war nicht geplant. Aber wo sie denn da war, war alles gut.
War dann schon gewünscht in dem Moment, wo es passiert war? Das höre ich so ein bisschen raus.
Ja.

Wie war es in deiner Schwangerschaft? Wie hast du dich denn da gefühlt, bezogen auf Frau sein? Wie lebendig hast du dich gefühlt? Hast du dich sexy gefühlt?
Bei meiner ersten Schwangerschaft habe ich mich richtig toll gefühlt. Also ich sah super gut aus, meine Haut sah toll aus, ich fühlte mich überhaupt nicht schlecht. Also mir ging es wirklich so richtig gut.
Und ich wurde halt auch von meinem Mann damals unheimlich liebevoll bemuttert. Und wo das Kind dann auch gekommen ist, in Ghana, ist das halt auch Tradition, dass du dann extra Essen bekommst und mit irgendwas anderes noch betüdelt wirst. Also da fühlte ich mich doch sehr aufgehoben.
Das heißt, dein Sohn ist in Ghana geboren?
Nein, der ist hier in Deutschland geboren. Mein Mann lebte hier und Freunde aus seinem Heimatland. Dann sind die Leute gekommen und haben eine ganz spezielle Suppe gemacht. Nach einem Jahr gab es eine große Feier – das ist dort ganz üblich, weil wenn ein Kind das erste Lebensjahr übersteht, kann man fast davon ausgehen, dass es auch weiterlebt. Das ist eine sehr große Feier, mit viel Tanz und Freude. Ja, das ist schon noch mal etwas anderes.
Bei meiner Tochter war das dann alles ein bisschen anders. Da habe ich gemerkt, dass ich mich nicht so gesund fühlte. Ich hatte bei der Geburt sehr viel Blut verloren, war schwach und merkte auch, dass es anstrengend war, beiden Kindern gerecht zu werden – die waren ja fünfeinhalb Jahre auseinander.
Da fühlte ich mich auch sehr schnell ausgelaugt und irgendwie fühlte ich mich auch damals, nicht so unterstützt wie beim ersten Kind von meinem Mann.

Und hattest du da ein Gefühl oder eine Idee, wieso das anders war?
Wie war das damals? Lass mich mal kurz nachdenken. Also die erste Sache war, meine Mutter war gestorben, also zwei Jahre davor.
Also da ist eine große Lücke entstanden und wo meine Tochter klein war, da war meine Tante, die mir sehr nahe stand, auch im Krankenhaus und es war irgendwie sehr viel, viel mehr Stress, ich musste viel mehr organisieren. Also ich hatte zwar Freunde, aber man musste sich trotzdem irgendwie darum kümmern, dass das größere Kind in den Kindergarten kommt oder in die Schule und es war viel mehr Hektik da. Es war nicht mehr so eine Ruhe, fand ich.
Und mein Mann damals – in der Zeit wurde ihm seine Arbeit gekündigt, und ich glaube, das hat ihm wirklich eine Weile sehr zu schaffen gemacht. Er war dann eine Zeit lang arbeitslos, das hat sich später zwar wieder geändert, doch gerade am Anfang war das eine sehr anstrengende Zeit für mich. Er hat dann auch in einem anderen Zimmer geschlafen als ich, und dadurch war diese Nähe, die beim ersten Kind noch da war, diesmal einfach nicht so gegeben.

Und vielleicht kannst du dich auch erinnern, wie war das denn mit deinem sexuellen Verlangen während der verschiedenen Phasen in der Schwangerschaft, also in der ersten und der zweiten Schwangerschaft, also wenn du so in Trimestern denkst?
Am Anfang, bei meinem Sohn, hatte ich richtig viel Lust. Es wurde zwar etwas weniger, aber das Verlangen war bis zum Ende da. Mein Mann hat mich dann manchmal einfach nur gestreichelt, aber wir haben viel und nah beieinander gelegen.
Bei meiner zweiten Schwangerschaft hingegen ging es mir die ersten drei Monate überhaupt nicht gut. Ich hatte ständig das Gefühl, mich übergeben zu müssen, und da war auch überhaupt kein sexuelles Verlangen da. Ich war viel weinerlicher, viel erschöpfter, und wir hatten auch längst nicht mehr so viel Körperkontakt wie beim ersten Kind.
Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass mir das manchmal sehr gefehlt hat. Ich habe dann viel mehr Zeit mit Freundinnen verbracht und mit ihnen einfach gekuschelt – also schon Körperkontakt gesucht, aber nicht in einem sexuellen Sinne. Das stand gar nicht im Vordergrund. Trotzdem würde ich sagen, dass mir das, auch später noch, manchmal gefehlt hat.

Gab es besondere Herausforderungen oder Bedenken bezüglich der Sexualität während der Schwangerschaft, also gerade bei der ersten Schwangerschaft, als du ja auch viel Lust hattest?
Gar nicht.
Auch nicht von deinem Mann?
Nö.
Und kannst du dich erinnern, wie hat denn dein Partner dann auf deine Lust in der ersten Schwangerschaft reagiert?
Am Anfang hatte er manchmal ein bisschen Angst, ob da nicht irgendwas kaputtgehen könnte. Aber wir waren sehr umsichtig, sehr liebevoll miteinander. Das fand ich mit die schönste Zeit – der Sex war wirklich schön, weil er so ruhig war, mehr so in diese Slow-Sex-Richtung ging. Viel entspannter, nicht so gestresst.

Ja, voll schön. Hast du eigentlich mit deiner Ärztin oder deiner Hebamme über deine Sexualität während der Schwangerschaft gesprochen? Und falls ja, gab es irgendwelche Ratschläge von deiner Hebamme oder deiner Ärztin?
Nee, komischerweise gar nicht. Ich hatte ja bei beiden Kindern eine Hebamme, aber das war überhaupt kein Thema. Es wurde auch gar nicht danach gefragt.
Heutzutage würde ich das, glaube ich, anders wollen. Aber damals bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, das anzusprechen.

Und deine Geburten selbst – du hast ja schon kurz erzählt, dass du bei deiner Tochter plötzlich in der Austreibungsphase warst und gar nicht erst richtig mitpressen konntest.
Wie waren die Geburten insgesamt für dich als Erfahrung? Das ist ja doch was sehr Besonderes – etwas, das nur wir Frauen erleben können. Wie erinnerst du dich daran?
Bei meinem Sohn war ich ganz lange zu Hause, habe viel gelesen und alles ganz genau beobachtet – so richtig wissenschaftlich. Ich dachte mir: Die Wehen haben noch nicht so viel Abstand, also müssen wir noch nicht ins Krankenhaus. Und tatsächlich: Für eine Erstgeburt war das alles ziemlich zügig. Ich bin nachts um zwei ins Krankenhaus und um 10:51 Uhr war das Kind da. Die Hebamme meinte später, das sei eine richtige Bilderbuchgeburt gewesen.
Was mich allerdings gestört hat, war, dass ich am Damm geschnitten wurde. Ich bin jetzt kein großer Mensch und bin trotzdem bis zum Schließmuskel gerissen. Dann kam ein Chirurg, der mich betäubt hat, und ich lag mit dem Baby da – in einer für mich irgendwie kalten Umgebung – bis er entschied, dass der Schließmuskel genäht werden musste. Das musste dann die Hebamme übernehmen. Ich erinnere mich, dass ich mich in dem Moment ziemlich allein gelassen gefühlt habe. Es hat einfach niemand so richtig mit mir gesprochen. Ich war froh, dass mein Mann dabei war und den Kleinen gehalten hat, aber insgesamt war das für mich eine merkwürdige Situation.
Die Hebamme hat sich später aber nochmal sehr gut gekümmert. Sie hat sich die Dammnaht angeschaut und mir schon früh geraten, die Narbe regelmäßig einzuölen und ganz leicht zu massieren. Dafür war ich echt dankbar – die Narbe ist gut verheilt, und ich hatte keine großen Schmerzen oder Probleme damit.

Das heißt, es war dann auch für dich kein Hindernis, sexuell zu sein, vielleicht im Paarsex oder eben auch im Solosex?
Ja, also das war gar nicht das Problem. Da war ich wirklich sehr dankbar drüber.

Ja, voll schön zu hören. Und die Geburt deiner zweiten Tochter, wie war diese Erfahrung für dich?
Das war mit meiner Tochter ein bisschen anders. Ich hatte mich richtig auf das Geburtshaus gefreut – das war so schön. Mehrere Frauen haben mich dort begleitet, und wir haben zusammen Wehensingen gemacht. Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass die Geburt schon voll im Gange ist, und dann musste ich plötzlich ins Krankenhaus. Dort sollte ich nicht mehr herumlaufen, ich lag wirklich nur noch auf dem Bett. Überhaupt nicht so, wie ich es wollte. Ich fühlte mich ein bisschen gefesselt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich deswegen überhaupt keine Wehen mehr hatte.
Ich habe Wehenmittel bekommen. Meine Tochter hatte am Anfang noch den Arm über dem Kopf, und die Ärztin sagte, naja, wenn sich in ein bis zwei Stunden nichts tut, müssten wir vielleicht doch einen Kaiserschnitt machen. Ich dachte nur: Das möchte ich gar nicht. Lass uns mit diesem Kind reden – ich will auf jeden Fall eine normale Geburt haben. Das war etwas, was ich sehr spannend fand. Mein Mann war draußen, ich war mit meiner Freundin allein. Mein Mann war draußen, ich war mit meiner Freundin allein. Wir sind so Seelenschwestern, wie ich das immer sage, und wir dachten: Komm, lass uns mit diesem Kind reden. Und wirklich 15 Minuten später hatte ich diese Presswehen. Das war sehr eindrücklich.
Bei der Geburt habe ich jedoch sehr viel Blut verloren und fühlte mich danach unheimlich schwach und müde. Alles war zwar gesund, aber ich fühlte mich doch erschöpft. Die kalte Krankenhausatmosphäre, dazu, dass ich nicht nach Hause durfte und noch eine Woche bleiben sollte – das war frustrierend. So hatte ich mir meine zweite Geburt ehrlich gesagt nicht vorgestellt.

Es hörte sich ja wunderschön an, wie du im Geburtshaus in diese Geburt hineingegangen bist und wie gut du vorbereitet warst, dass mehrere Menschen dich begleitet haben und ihr auch das neue Wesen besungen habt. Und dann dieser Schnitt, dass du ins Krankenhaus musstest – also die Erfahrung, die du jetzt erzählst, ist natürlich wirklich krass.
Als du dann endlich wieder zu Hause warst: Wie war das dann mit dem Wochenbett? Wie hast du es empfunden, und wie viel Zeit hattest du dafür nach deiner zweiten Geburt?
Na, das war auch nicht so stressfrei, fand ich. Soweit ich mich noch erinnere, ist das ja doch schon eine Weile her. Mein Sohn fand seine Schwester total toll, das weiß ich, aber trotzdem wollte er ja auch Aufmerksamkeit, und das fiel mir manchmal wirklich schwer.
Wenn sie dann geschlafen hat, habe ich meistens auch geschlafen, und dann fühlte ich mich irgendwie total unter Druck. Ich wollte gesund werden und für beide Kinder da sein. Das Stillen hat gut geklappt, also bei beiden Kindern konnte ich gut stillen. Aber ich empfand alles wesentlich unruhiger als beim ersten Kind, so würde ich es ausdrücken.

Wie war denn dann die Intimität und Sexualität mit deinem Partner jeweils nach den Geburten?
Bei meinem Sohn, also nach der ersten Geburt, war es nach dem Wochenbett, nach den sechs bis acht Wochen, in denen die Ärztin gesagt hat, es ist alles wieder gut. Da sind wir ganz langsam und vorsichtig wieder näher gekommen. Das fand ich total schön, weil ich erst ein bisschen Angst hatte, ob es vielleicht mit der Narbe weh tut. Er war so achtsam und aufmerksam. Ich glaube, wir haben das erste Mal zusammen geduscht und uns dabei eigentlich nur berührt. Das fand ich schön.
Nach der zweiten Geburt war das anders. Da war irgendwie dieses „Ich kümmere mich um meinen Sohn und du kümmerst dich um deine Tochter.“ Wir haben uns da, würde ich sagen, schon ein bisschen auseinandergelebt. Die Sexualität hat wesentlich länger gedauert, bis wir stattgefunden hat und da war auch nicht mehr so viel Rücksicht da.

Wie war denn auch deine Körperwahrnehmung? Also was würdest du sagen, hat sich durch die Schwangerschaft oder auch durch das Stillen deine Körperwahrnehmung verändert? Gab es Körperstellen, wie zum Beispiel die Brust oder anderswo, bei denen du das Gefühl hattest, sie seien empfindlicher, sensibler oder haben sich einfach anders angefühlt, als du es kanntest, bevor du deine Kinder bekommen hast?
Ja, also das ist schon eine tolle Frage. Vor der Geburt war ich relativ empfindlich an der Brust. Nach den Geburten, besonders nach der zweiten, hatte ich dann wirklich das Gefühl, man konnte mich an der Brust berühren, wie man wollte, ohne dass ein großes Lustempfinden da war. Ich habe meine Brust auch irgendwie anders wahrgenommen, sie ist ein bisschen runder geworden, nicht super rund, aber schon.
Generell habe ich mich nach dem zweiten Kind nicht sexuell attraktiv gefühlt. An der Brust hatte ich eine ganze Weile gar kein Körpergefühl, eher eine Art Taubheit. Es war einfach nur, naja, da ist halt ein Busen.

Wann hat sich das geändert und wodurch? Weil es hört sich ja so an, als wenn sich das wieder geändert hat.
Es hat sich erst geändert, wo ich, das war 2010 oder so, also vor 14 Jahren, wo ich zu meinem ersten Tantra-Massage-Workshop gegangen bin. Also da hat sich das wirklich wieder entspannt.
Da kam auch ganz viel hoch und ich hatte auch so ein Gefühl, dass ich so viel Anspannung hatte. Also diese Sexualität war nicht mehr so frei wie früher. Nicht mehr so spielerisch. Und auch manchmal nur noch so, ja gut, dann haben wir jetzt Sex, weil das müsste ja sein. Also mir fehlte was und das habe ich mich auf den Weg gemacht.

Wann habt ihr euch denn getrennt? Es klingt für mich so, als wärt ihr kein Liebespaar mehr.
Ja, wir haben uns 2010 getrennt.

Dann begann mit dieser Trennung auch eine Forschungsphase für dich, so nach dem Motto, das kann ja nicht alles gewesen sein? Ich vermute, dieser Tantra-Massage-Kurs war ein neuer, anderer Raum, ein achtsamen Raum, mit Langsamkeit, wirklich ins Spüren kommen und das Aufsteigen lassen, was im Moment dann eben auch wirklich da ist, ohne was zu forcieren wollen. Würdest du dem zustimmen?
Dem würde ich so zustimmen. Also das war sehr amüsant: Ein sehr, sehr langjähriger Freund – wir kennen uns seit über 30 Jahren – hatte sich auch gerade frisch getrennt und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zusammen einen Tantra-Massage-Kurs zu machen. Ich wollte das sowieso mal ausprobieren, eine Woche lang, und habe gesagt: „Ach, warum nicht?“
Und ich muss wirklich sagen, ich glaube, für uns beide war es auf unsere Art ein richtiges Ankommen wieder bei uns selbst. Ich habe vorher schon viel meditiert und Yoga gemacht, aber den Körper wieder liebevoll wahrzunehmen, sich selbst als attraktiv zu empfinden – das war für mich wirklich die Schlüsselrolle in dieser Erfahrung.

Ja, voll schön.
Gab es dann – also nach der Geburt, vor allem nach der zweiten – noch andere Veränderungen? Du hattest ja schon die leichte Gewichtszunahme erwähnt. Hattest du vielleicht auch Dehnungsstreifen oder was anderes?
Also ich habe leichte Dehnungsstreifen, die sind jetzt nicht so schwerwiegend. Mein Busen ist schon eher ein Thema. Ganz witzig: Mein Busen war vorher gar nicht so groß, aber nach der zweiten Schwangerschaft mit meiner Tochter ist er deutlich größer geblieben, und am Anfang fühlte ich mich damit überhaupt nicht wohl. Ich hatte auch ein bisschen zugenommen – jetzt nicht übermäßig – und sonst fühlte ich mich mit meinem Körper eigentlich ganz gut, aber ich merkte, dass ich mich nicht mehr so geliebt fühlte. Dabei kamen dann auch Zweifel auf, ob ich vielleicht nicht mehr attraktiv genug bin oder so.
Und dann bist du auf deine Forschungsreise gegangen und hast die Verbindung zu dir als sinnliches und sexuelles Wesen wiederaufnehmen können.
Ja, dafür bin ich sehr dankbar.

Was ist denn Sexualität für dich und hat sich das verändert durch deine Schwangerschaften und Geburten?
Ja, das hat sich verändert!
Und was ist Sexualität für mich? Oh, Sexualität ist ganz, ganz viel für mich. Das ist ein freudevolles Umgehen mit meinem eigenen Körper und halt auch mit anderen Menschen.
Es ist sehr achtsam geworden, viel, viel langsamer manchmal und nicht immer nur darauf bedacht, zum Orgasmus zu kommen. Und durch die Schwangerschaften hat sie sich auf jeden Fall verändert. Ich habe mich früher, also vor der Schwangerschaft überhaupt nicht weiter interessiert, wie denn die Anatomie von der Vagina ist und alles.
Und nachdem ich mein erstes Kind bekommen hatte, weil ich das einfach mal wissen wollte, wie sieht das denn jetzt aus, habe ich glaube ich mit 25 zum ersten Mal einen Spiegel genommen und mir angeschaut, wie ich denn aussehe.
Ja, cool. Und wie war das?
So ein bisschen so, wie sieht das denn aus? Und so hätte ich es ja nicht erwartet. Aber irgendwo auch faszinierend und das habe ich dann häufiger auch mal gemacht, auch nach der zweiten Schwangerschaft.
Und da fand ich das so faszinierend, dass sich das ja wieder verändert hat. Also, dass sich halt auch eine Yoni wirklich auch in unserem Leben verändert, dass sie nicht gleich bleibt. Also ich war immer der Meinung am Anfang, es sieht da immer aus wie sonst.
Und das tut es aber gar nicht. Also das war halt für mich, ich weiß nicht, ob ich das überhaupt ohne eine Schwangerschaft ausprobiert hätte, weil mich hat das einfach interessiert. Wie sieht da jetzt der Schnitt aus und wie fühlt sich das an?
Und dann habe ich mich überhaupt mal damit auseinandergesetzt, auch nach dem zweiten Kind, bei der Beckenbodenmassage, wie man irgendwo den Sitzhöcker fühlen kann. Also das war eine andere Auseinandersetzung und ich bin sehr dankbar, dass ich die Schwangerschaften hatte.

Würdest du auch sagen, dass sich dein Gefühl, ein sexuelles Wesen zu sein auch dadurch verändert hat?
Also ich habe mich bewusster wahrgenommen.
Was ich sehr spannend fand: Als ich meinen Sohn bekommen hatte, musste ich ihn ja auch wickeln. Am Anfang wusste ich gar nicht so recht, wie ich mit dem kleinen Penis umgehen sollte. Bei meiner Tochter war das irgendwie leichter und wirkte natürlicher. Bei meinem Sohn musste ich das erst noch lernen, als er noch klein war. Und ich hatte auch mehr Scham. Also daran kann ich mich noch erinnern.

Würdest du sagen, dass sich dein orgasmisches Erleben durch die Schwangerschaften und die Geburten verändert hat?
Ja, also bei der ersten Schwangerschaft nicht so sehr. Bei der zweiten Schwangerschaft hatte ich das Gefühl, dass es viel länger gedauert hat, bis ich in der Vagina überhaupt wieder etwas gespürt habe. Ich hatte das Empfinden, dass sich alles viel langsamer zurückgebildet hat. Ich musste erst einmal herausfinden, wie sich das jetzt überhaupt anfühlt. Das fand ich sehr schwierig mit meinem damaligen Partner, weil er das überhaupt nicht verstehen konnte. Das weiß ich noch – das war ein ganz großes Thema, bei dem ich gesagt habe, dass ich länger brauche und erst einmal nachspüren muss. Und das war für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar.
Ja, schade.
Hast du mit jemand anderes über dieses Taubheitsgefühl in deiner Yoni gesprochen?
Ja, ich weiß noch, dass ich bei meiner Frauenärztin war und ich ihr mal sagte, dass sich das ganz anders anfühlt und dass ich an manchen Stellen nicht so viel spüre. Dann nur zu hören: „Das ist ja ganz normal!“ Ich muss mir da keine Gedanken machen. Da dachte ich mir erstmal: na super.
Ich erinnere mich, dass ich damals eine ganze Weile diesen Glaubenssatz hatte: Wenn der Arzt sagt, es ist normal, muss ich mir keine Gedanken machen. Ich kam damals überhaupt nicht auf die Idee, dass es vielleicht an etwas anderem liegen könnte, dass man bestimmte Dinge noch üben oder anders wahrnehmen kann. Diese Erkenntnis kam erst viel später.
Gut, dass du das dann selbst entdeckt hast und deinen Weg zu dir uns auch zu deiner Yoni wieder zurückeroberst hast. Danke fürs Teilen.

Jetzt noch mal eine andere Frage, wenn du Lust hattest in dieser Zeit, also Schwangerschaft, Geburt und eben auch noch danach, wenn du Lust hattest, hattest du dann eher Solo- oder Partner-Sex?
Also nach der Geburt von meinem ersten Kind hatte ich mehr Partner-Sex, nach der Geburt von meinem zweiten Kind mehr Solo-Sex.

Wie wichtig ist dir denn sexuelle Intimität in der Beziehung?
Mit der Geburt des zweiten Kindes fand ich es zum Beispiel unheimlich schwierig, über Sexualität zu sprechen – jedenfalls mit meinem Mann damals. Jedes Gespräch wurde von ihm abgeblockt. Er erklärte mir immer wieder, dass es in seiner Kultur einfach nicht üblich sei, über solche Themen zu reden. Alles sei doch in Ordnung, es funktioniere doch alles, und man müsse nicht darüber sprechen. Ich erinnere mich noch, dass es deswegen tatsächlich immer wieder zu Streit gab, weil er einfach nicht reagierte und sich komplett aus der Situation zurückzog.
Ich habe mich mit anderen Frauen unterhalten, die halt auch in einer binationalen Partnerschaft waren, also vielleicht nicht gerade aus Ghana, aber halt auch aus anderen afrikanischen Ländern. Natürlich klar ich war neugierig, ist das jetzt eine kulturelle Sache oder doch nicht. Wenn ich zehn Frauen gefragt habe, haben mir acht Frauen ähnliches bestätigt, vielleicht unterschiedlich ausgeprägt, aber ähnliches bestätigt. Und ich denke, ich weiß nicht, wie es heutzutage ist, aber damals wirkte er in dieser Hinsicht sehr schambehaftet. Ich glaube, es war eine Mischung: Einerseits gehört es in seiner Kultur vielleicht nicht dazu, darüber zu sprechen – zumindest damals wurde darüber vielleicht nicht viel gesprochen. Andererseits denke ich auch, dass ihn das Ganze einfach überfordert hat.

Und gleichzeitig ist es ja gut, dass du für dich gesorgt hast.
Welche Rolle spielt für dich Selbstliebe und Selbstfürsorge in deinem Leben?
Also seit der Geburt würde ich sagen, am Anfang war die Selbstfürsorge. Ich hatte wirklich die ersten paar Jahre, wo mein Sohn da war, eine fantastische Mutter noch. Die hatte selber vier Kinder bekommen und die hatte einfach so ein liebevollen Zugang.
Also ich hatte immer so das Gefühl, ich war umsorgt und konnte mir auch selber Selbstfürsorge geben, dass das auch in Ordnung war.
Nach meiner zweiten Geburt, wo halt irgendwo auch so eine Familienstruktur weggefallen ist, also so eine gewisse Unterstützung, da kam einfach sehr viel auf einmal: zwei Kinder, Arbeit, manchmal finanzieller Stress – all das zusammen war ziemlich überwältigend. Ich habe irgendwann meine Selbstfürsorge vernachlässigt, fühlte mich sehr ausgelaugt und war fast am Burnout.
Als ich mich dann getrennt hatte und diesen Tantra-Massage-Kurs besucht habe, wurde mir bewusst: Ich will diesen Raubbau an mir selbst nicht mehr zulassen. Über die folgenden drei, vier Jahre habe ich gelernt, wie ich wieder Nein sagen kann, wie ich Grenzen ziehe und wie ich besser mit mir selbst klarkomme. Und das ist nach wie vor ein Prozess.

Es ist ja so, eben dieser Begriff auch wie wichtig ist dir sexuelle Autonomie? Wie lebst du diese in deinem Alltag? Deine Kinder sind ja eigentlich groß, aber trotzdem bist du ja Mutter.
Also mein Sohn ist ausgezogen, da habe ich auch schon ein Enkelkind. Und meine Tochter, die wohnt aber noch bei mir. Die ist 22, die macht gerade eine Ausbildung.
Also seit sie erwachsen ist, also es gab eine Zeit, da fand ich das irgendwie sehr schwierig mit meiner Sexualität. Ich habe einen neuen Sexualpartner. Das war am Anfang sehr schwierig mit ihr, weil sie das Gefühl hatte, da kommt jemand dazu bzw. dazwischen.
Wir wohnen aber beide hier alleine, also ich habe eine Fernbeziehung sozusagen. Und jetzt ist es so, wir haben halt angefangen, wo wir dann beide hier zusammen alleine waren. Wenn ich ihr sage, ich gehe in mein Zimmer, ich möchte ungestört sein, klopfe bitte an, oder ich bin jetzt nicht mehr für dich da, das geht alles.
Das ist heutzutage überhaupt kein Problem mehr. Was ich sehr spannend fand, war, dass irgendwann von ihr auch kam: „Ich gehe jetzt in mein Zimmer, ich möchte nicht gestört werden.“ Da dachte ich erst: Aha, was heißt das jetzt?
Ich fand den Prozess auch spannend, wie gehen wir damit um, wenn wir diesen Wunsch nicht klar formulieren. Jetzt haben wir so ein Ampelmännchen an unserer Tür: Wenn die Tür ein rotes Ampelmännchen zeigt, wissen wir beide, dass wir nicht beim anderen ins Zimmer gehen. Ich fand das schön, dass wir so ein Miteinander gefunden haben.

Ja, cool. Das war auch schon so meine letzte Frage. Gibt es noch etwas, das du gern ergänzen möchtest?
Warte mal, lass mich überlegen. Ich habe ja Kinder, die sozusagen People of Color sind. Als die Kinder kleiner waren, wurden sie sehr häufig einfach angefasst. Ein Beispiel: Wir waren im Urlaub beim Frühstück. Einer ging nach vorne, um etwas zu holen, einer blieb beim Kind. Wir drehten uns um, und ich glaube, permanent hat irgendjemand in die Haare meines Sohnes gefasst. Irgendwann fing er natürlich an zu schreien, und wir fanden das nicht mehr lustig.
Früher habe ich sehr viel Geduld gehabt und gedacht: „Na ja, ist halt ein niedliches Kind.“ Aber heutzutage würde ich sagen, das empfinde ich als völlig übergriffig und würde da anders mit umgehen. Man kann die Kinder fragen, ob sie überhaupt berührt werden möchten, oder zumindest die Eltern um Erlaubnis bitten. Bei beiden Kindern war das früher so: Sie sehen süß aus, die Haare, und dann wurde einfach nicht gefragt. Und selbst heute, wenn ich meinen Kindern zu nahe an die Haare gehe, bekommen sie richtig Stress – sie mögen das nicht.

Konsens ist ein so wichtiges Thema.Gut, dass du das noch angeführt hast.
Ich freue mich, dass du auch mit dabei bist und mir gerade deine Geschichte erzählt hast. Dann vielen, vielen Dank.
Ich danke dir.

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