Pia & Hagen

Das ist unser vollständiges Interview mit Pia und Hagen zu den Auszügen, die du im Orgasmic Parents Buch finden kannst.
Pia

Alter: 35

Beziehungsstatus (während Schwangerschaft / jetzt): verpartnert

Wohnsituation:
Sehr gut, wohne mit meinem Partner zusammen und Kind. Naja, ich finde, wir haben eine schöne Wohnung. Es ist eine sehr helle Wohnung und wir fühlen uns da sehr wohl.

Arbeitssituation: Gerade Elternzeit und auch freiberuflich.

Anzahl und Alter Kinder (inkl. Sternenkinder): 1 Kind = 7 Wochen

Hattest du für dich schon immer eine Vorstellung, ob du Kinder haben möchtest – und wenn ja, wie viele?
Also schon als junges Mädchen wollte ich unbedingt Kinder. Ich habe mich immer mit Kindern gesehen und auch immer zwei.
Egal welches Geschlecht, aber ich habe immer zwei Kinder gesehen, weil ich das ganz gut fand, wie wir das zu Hause hatten, dass ich meinen Bruder hatte – auch wenn wir uns gestritten haben.
Aber irgendwann kam dann eine Phase in meinem Leben, wo ich mir das nicht vorstellen konnte, weil ich so glücklich mit mir selber war. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, mein Leben mit einem Kind zu teilen. Mein Leben war so verrückt, würde ich mal sagen, dass ich mich nicht getraut hätte, ein Kind zu bekommen.
Deswegen war das total zur Seite geschoben, so: nee, ich kann das nicht leisten. Ich kann das mental auch nicht leisten. Und diese Phase ging vielleicht zwei, drei Jahre.
Und dann ist es tatsächlich wieder weggegangen. Ja, und aktuell – vielleicht weil es so frisch ist – denke ich: Ich will auf jeden Fall noch ein zweites.

Waren deine Geburten dann geplant und/oder gewünscht?
Als ich schwanger wurde, war ich körperlich sehr angeschlagen. Aber wenn man das so ein bisschen davon entkoppelt, habe ich mich eigentlich super wohl gerade in meinem Körper gefühlt, weil ich sehr sportlich unterwegs war. Ich hatte das Gefühl, ich bin extrem fit zu diesem Zeitpunkt.
Ich mochte das sehr. Ich mochte mich auch sehr anzugucken. Und dann, als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, habe ich mich auch sehr gefreut.
Aber das war so ein Schnitt, dass ich wusste: Jetzt kommt eine krasse, schnelle Veränderung. Und ich hatte in den letzten zwei Jahren sehr mit Wahrnehmungsstörungen, was meinen Körper angeht, zu tun. Deshalb hatte ich große Angst davor.
Deswegen habe ich gesagt: okay, ich muss mich jetzt total darauf einlassen. Und dann kam natürlich auch das körperliche Gefühl, nicht nur das mentale – dass mir schlecht war, dass ich mich sehr unwohl und krank gefühlt habe am Anfang. Irgendwann ging das weg, und dann kam der Bauch.
Also mit dem sich krank fühlen, dem angeschlagen sein, sehr müde sein, kam dann eben auch die Bewegungseinschränkung. Wenn ich das zusammenfassen würde, dann würde ich sagen, dass ich mich in der Schwangerschaft nicht gut gefühlt habe. Ich habe mich sehr eingeschränkt gefühlt in meinem Ich-Sein. Von null auf hundert habe ich mir damit ganz viel weggenommen, weil Ängste dazu kamen – was Essen angeht, was Trinken angeht.
Es gab ganz viele Einschränkungen, von denen ich wusste, dass sie auf mich zukommen, wenn ich schwanger werde. Aber in der Realität war es dann doch noch mal anders. Ich hatte sehr viele Begleitsymptome, die mich verärgert haben.
Was das körperliche Gefühl angeht: Ich habe mich am Anfang sehr viel mit meinem Körper auseinandergesetzt und ihn beobachtet. Meine Brüste sind sehr schnell gewachsen, und ich hatte große Angst um sie – und später auch um den Bauch, dass ich Dehnungsstreifen bekomme.
Ich habe direkt schon, als man noch nichts gesehen hat, Bauch und Brüste jeden Tag mit Öl eingeschmiert, in der Hoffnung, dass das etwas bringt. Zwischendurch fand ich meinen Bauch sehr schön und war froh, dass mein Körper – das klingt jetzt doof – visuell so gut mitgemacht hat, dass ich trotzdem sportlich geblieben bin. Ich konnte Fahrrad fahren und mich gut bewegen, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, und sah trotzdem sportlich aus. Wassereinlagerungen hatte ich kaum, nur in den letzten Tagen nach der Einleitung.
Ich konnte mich also eine Zeit lang gut angucken. Und manchmal sogar sexy – vor allem, wenn ich nach dem Duschen nackt vorm Spiegel stand, mich betrachtet habe und diese Schwangerschaft so visuell angenommen habe. Da habe ich dann auch mal ein bisschen rumgepost, vielleicht ein analoges Foto gemacht, einfach so: okay, jetzt fühle ich mich gut, das muss ich festhalten.
Ja, die Bilder sind gerade in der Entwicklung und ich bin super gespannt, wie sie sind.
Also es gab trotz der schwierigen Schwangerschaft auch sehr schöne Momente.

Wie hat sich dein sexuelles Verlangen während der verschiedenen Phasen der Schwangerschaft verändert? Gab es Phasen, in denen du mehr oder weniger Lust hattest? Wie war es vor, während und nach (nach 4 Wochen, nach ½ Jahr) der Geburt? (Skala von 0 bis 10)
Vor der Schwangerschaft, na vielleicht so 8 (davor auch noch mehr)
Anfang Schwangerschaft: 0
2. Drittel Schwangerschaft: 8,5
3. Drittel Schwangerschaft: 3
Als ich schwanger wurde, war ich so müde, ich konnte es mir gar nicht vorstellen. Also ich würde mal sagen, Sex hat in meinem Kopf zu dem Zeitpunkt gar nicht existiert. Und dann war da noch dieses Ding: Mir geht es schlecht, und das kommt vom Sex. Ganz simpel gedacht. Deswegen war das komplett zur Seite gestellt. Ich habe gar keine Lust verspürt und auch keine Energie, mich damit auseinanderzusetzen.
Aber im zweiten Trimester hatte ich dann tatsächlich Lust. Das habe ich körperlich richtig gespürt, weil auch alles ganz anders durchblutet war. Meine Vulvalippen wurden viel praller, und ich habe mich immer angefasst und gedacht: oh mein Gott, ich habe da unten ein Brötchen. „Liebling, guck, die ist voll groß geworden.“
Das hat mich echt fasziniert – dass alles so krass durchblutet war, dass mein Körper mir ständig signalisiert hat: Hier, du hast Lust. Die Klitoris war super sensibel, schon die Unterhosen haben gerieben, und ich habe sofort Lust verspürt.
Aber im Kopf war ich trotzdem ein bisschen blockiert. Wir hatten zwar Sex im zweiten Trimester, und ich habe auch masturbiert, aber so richtig entspannt war ich nicht. Ich hatte immer dieses Gefühl: Mein Körper ist gerade mit einer anderen Aufgabe beschäftigt. Auch wenn ich Lust hatte, konnte ich das nicht so richtig sexualisieren, weil es sich angefühlt hat, als wäre die Sexualität gerade „weggegeben“ an etwas anderes.

Und das fandest du schade, dass es da eine Blockade im Kopf gab? Könnte das auch mit diesem Mythos zusammenhängen, dass Sex in der Schwangerschaft irgendwie schädlich sein könnte? Oder würdest du sagen, damit warst du gar nicht in Kontakt – sondern es war etwas anderes?
Das war was anderes. Da gab es überhaupt keine Angst, dass wir irgendwas kaputt machen könnten – das gar nicht.
Es war eher so, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt manche Positionen einfach nicht mehr möglich waren. Zum Beispiel meine Lieblingsposition: auf dem Bauch liegen, während ich penetriert werde – das ging mit dem Bauch nicht mehr. Man war in den Positionen sehr eingeschränkt. Mein Partner konnte sich auch nicht mehr richtig auf mich drauflegen, weil der Bauch da war.
Wir hatten höchstens die Sorge, dass ich irgendwie blöd falle oder mir ein Ellenbogen gegen den Bauch rutscht. Also wir waren vorsichtiger, aber nicht aus Angst vor der Penetration selbst, sondern eher wegen der Situation: Moment mal, der Bauch ist da. Es war nicht mehr so frei, irgendwelche akrobatischen Sachen zu machen.
Und im letzten Drittel?
Im letzten Drittel war die Beweglichkeit so eingeschränkt, also da ist die Lust auf jeden Fall viel … weniger geworden.
Im zweiten Trimester war ich vielleicht so bei 8,5, weil der Körper so stark durchblutet war, dass er mir ständig signalisiert hat: Ich habe Lust. Auch wenn meine Sexualität nicht das Ausmaß hatte wie davor, war die Lust in dieser Phase irgendwie höher.
Im dritten Trimester ist sie dann wieder stark gesunken, weil andere Wehwehchen dazu kamen. Da war es eher so: boah, das ist voll anstrengend in meinem Kopf.
Aber ich habe immer mal wieder masturbiert. Und was ich dabei sehr faszinierend fand: Dadurch, dass meine Gebärmutter so extrem gewachsen ist, habe ich bei einem Orgasmus gemerkt, wie sie sich komplett zusammengezogen hat.
Das war ein sehr spannendes Gefühl – weil der Orgasmus irgendwann bis an den Bauchnabel oder sogar darüber ging. Und ich fühlte es dann im ganzen Körper. Und obwohl die Lust im Alltag weniger war, hatte ich in diesen Momenten dann doch richtig Lust. Das war echt ein schönes, aufregendes Gefühl.

Wie hat dein Partner auf die Veränderungen deiner Sexualität während der Schwangerschaft reagiert?Ja, also er hat das total angenommen, Verständnis gezeigt, klar.
Aber ich glaube, für ihn war mein Körper auch ein Stück weit entsexualisiert. Wir haben darüber gesprochen, dass es sich manchmal einfach voll komisch anfühlt. Vor allem, wenn man dann Sex hat – dann ist ja der Bauch so richtig zwischen uns.
Der ist ja nicht an der Seite, sondern wirklich mitten zwischen uns. Und er erinnert einen die ganze Zeit daran, dass er da ist. Und da gab es auch Irritation von seiner Seite.

Hast du mit deinem Arzt oder deiner Hebamme über deine Sexualität während der Schwangerschaft gesprochen? Falls ja, welche Ratschläge hast du erhalten?
Ich habe einen männlichen Frauenarzt. Der hat einfach nur erwähnt, dass man alles normal weitermachen kann. Aber das war mir ja auch bewusst.
Wie gesagt, manche Leute haben ja die Ängste, dass das gefährlich sein könnte. Ich habe dann eher mit den Hebammen darüber gesprochen – ich hatte ja zwei sozusagen.
Mit ihnen habe ich drüber gesprochen, dass ich es so faszinierend finde, wie sich unten alles verändert hat und gewachsen ist. Ich habe das erwähnt, dass ich das spannend finde. Aber ein wirklich tiefes Gespräch über Sexualität in der Schwangerschaft hatte ich nicht.

Jetzt einige Fragen zur Zeit kurz nach der Geburt
Wie hat sich deine Beziehung zu deinem Partner oder deiner Partnerin nach der Geburt verändert, insbesondere in Bezug auf Intimität und Sexualität?
Unser Kind ist halt immer in der Nähe. Wir müssen uns da noch irgendwie eingrooven. Aber wir waren schon sexuell aktiv – was super schön ist, vor allem auch so ohne Bauch.
Trotzdem sind meine Brüste gerade ein bisschen wie ein Fremdkörper für mich. Aber die Lust kommt auf jeden Fall stark zurück. Es ist schön, man muss nur die Zeit finden und sich eben noch ein bisschen einspielen.
Ich finde, das ist jetzt auch so: Wir können uns nicht mehr einfach ganz viel Zeit nehmen und das planen. Sondern wir müssen es von ihm abhängig machen – schläft er gerade? Weil ich habe keine Lust, dann gleich abzubrechen. Das ist jetzt, glaube ich, so die Aufgabe: rauszufinden, wie das geht.
Aber es ist sehr schön, dass wir beide da eine Aufmerksamkeit drauf haben. Dass es einfach dazugehört und man dann guckt, wie es sich entwickelt.
Und ich finde, das hat uns auf jeden Fall noch mehr verbunden. Weil man noch mehr Verständnis füreinander haben muss – in bestimmten Situationen, aber auch generell.
Es fällt mir sehr auf: Das ist ein total schönes, vertrautes Gefühl. So eine Sicherheit.
Aber ich weiß auch: Noch beschäftige ich mich nicht so viel damit im Kopf, aber wir müssen uns aktiv mit unserer Sexualität auseinandersetzen. Weil es nicht mehr so wie davor einfach automatisch fließt, sondern wir uns aktiv Zeit dafür nehmen müssen.
Und jetzt spielt natürlich auch die Verhütung eine Rolle. Weil ich nach dem Kaiserschnitt ein Jahr lang nicht schwanger werden darf, müssen wir da auch sehr aufpassen.

Für uns ist auch interessant: Du hattest ja eine Geburtsverletzung, den Kaiserschnitt und die Narbe. und wie beeinflusst das deine Sexualität? Gab es weitere Verletzungen, die dich beeinflussen?
Das ist jetzt sieben Wochen her. Im Krankenhaus haben sie gesagt, wir sollen sechs Wochen warten. Der Arzt hat schon früher ein Go gegeben, aber ich hatte das Gefühl, mein Körper braucht doch ein bisschen mehr Zeit.
Ich habe auch mit meinem Partner kommuniziert, dass ich ein bisschen Angst habe. Weil ich gelesen habe, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt überrascht sind, dass sie beim Sex Schmerzen haben. Da dachte ich so: oh mein Gott, erwartet mich das auch? Darüber hatte ich vorher gar nicht nachgedacht.
Und dann war da eben diese Angst vor dem Schmerz und ob er da sein wird.
Aber das erste Mal, als wir Sex hatten, hatte ich keine Schmerzen. Wir waren sehr vorsichtig. Ich meinte auch: wir müssen echt vorsichtig sein, weil ich nicht weiß, was passiert. Unten war es total intakt – aber wie reagiert meine Gebärmutter darauf? Wir wussten es nicht.
Und es war gar nichts. Ich war so erleichtert danach. Schon währenddessen habe ich gemerkt: es löst sich ganz viel. Weil wir so vorsichtig rangegangen sind und kein Schmerz da war, war es einfach super schön.
Das freut mich.
Ich habe eigentlich keinen Schmerz. Als ich auf dem Bauch gelegen habe, war es natürlich ein bisschen komisch, weil ich immer noch ein Taubheitsgefühl am Bauch habe. Dann hat es so komisch gezogen – aber es war kein Schmerz.
Ich konnte mich auf dieses Gefühl einlassen und sagen: das ist jetzt da, ich muss damit umgehen. Aber es stört mich nicht. Ich muss es nur annehmen.

Ihr seid ja erst seit kurzer Zeit so eine kleine, größere Familie. Hast du das Gefühl, dass der Alltag mit dem Baby deine Lust auf Sex beeinflusst? Und wenn ja, wie?
Ja, das hat auf jeden Fall einen Einfluss. Wenn der Abend unruhig ist, dann kommen wir gar nicht erst auf die Idee. Aber wenn unser Baby ganz easy eingeschlafen ist und wir wissen, okay, jetzt schläft er fest, dann kommen wir in so eine entspannte, mentale Lage, dass wir uns auch wirklich darauf einlassen können. Also ja, ich würde schon sagen, dass der Alltag das beeinflusst.

Und jetzt so kurz nach der Geburt – hattest du da auch schon diese Erlebnisse, dass du dich besonders attraktiv und sexy empfunden hast? Am Ende der Schwangerschaft hast du ja erzählt, dass du manchmal vorm Spiegel posiert hast. Gab es das schon jetzt als Mama?
Ja, das hatte ich. Am Anfang allerdings gar nicht – da war mein Körper für mich eher ein Fremdkörper. Schon in der Schwangerschaft hatte ich mir aber als Statement, um ich zu bleiben, eine MILF Kette gekauft. Ich dachte mir: die lege ich dann um, wenn ich mich richtig gut fühle.
Ich habe gewartet, bis so ein richtig guter Tag kommt. Nicht aktiv geplant, sondern einfach so. Und dann war da eines Morgens dieser Moment: Ich bin aufgestanden, habe geduscht, meinen Körper im Spiegel betrachtet und dachte plötzlich: wow, der bildet sich echt gut zurück. Ich fühle mich heute ein bisschen sexy. Und da hatte ich das Gefühl: wir gehen in die richtige Richtung, Körper.
An diesem Tag habe ich dann gesagt: Heute mache ich die Kette um. Und das habe ich auch gemacht, weil ich mich einfach echt gut gefühlt habe.
Natürlich habe ich immer noch Tage, die nicht so gut sind. Momente, in denen ich sehr stark merke, wie sehr sich mein Körper verändert hat – und dass er sich ja auch noch weiter zurückbildet. Es ist noch früh, da kann man gar nicht endgültig sagen, wie es am Ende sein wird. Aber ich merke zum Beispiel, dass ich viele Hosen jetzt erstmal weggepackt habe, weil ich einfach nicht mehr in sie reinpasse.
Ich habe gesagt, ich steige erstmal nicht auf die Waage, weil es ist noch gar nicht die Zeit dafür. Ich will mich damit nicht stressen. Ich gucke nur, wie es aussieht.
Vor ein paar Tagen habe ich entdeckt, dass meine Brüste super viele Dehnungsstreifen bekommen haben. Mein Bauch gar nicht – aber meine Brüste. Und meine Brüste waren für mich immer so etwas wie mein Kapital. Das hat mich echt getroffen, da ist Trauer da.
Gleichzeitig sage ich mir: ich muss das jetzt annehmen. Ich streichle sie manchmal, massiere sie – auch wenn ich weiß, dass das wahrscheinlich nichts mehr bringt, das ist vielleicht auch ein Mythos. Aber ich mache es, weil ich denke: wir müssen jetzt zusammen ein bisschen trauern. Ich muss sie irgendwie umarmen, meine Brüste.
Weil ich spüre: sie haben jetzt eine neue Aufgabe. Und es ist ein bisschen traurig, dass sie dadurch anders geworden sind. Aber so ist es jetzt. Und ich weiß, sie werden nach dem Abstillen noch einmal ganz anders aussehen. Trotzdem – es gehört jetzt zu mir.
Aber ich will da nicht zu viel Negativität reinstecken. Auch wenn ich meine alten Brüste jetzt schon vermisse, müssen wir uns mit den neuen arrangieren. Vor allem, weil es gerade so unterschiedlich ist – die eine viel größer als die andere. Ich glaube, das wird sich noch einpendeln mit der Zeit.
Und ich meine, das ist auch dieses Bild, was wir von außen bekommen. Wenn man eben so eine schöne, junge Brust hat, die nicht zu klein, nicht zu groß ist. Und dann kommen einfach diese Streifen. Aber ich versuche, es nicht nur negativ zu sehen, sondern es als Teil meiner neuen Realität

Wie hat dein Partner dich in Bezug auf deine veränderte Sexualität und Körperwahrnehmung nach der Geburt unterstützt?
Mein Partner sagt mir immer wieder, dass ich gut aussehe – auch so mit den großen Brüsten. Als ich neulich ein Oberteil angezogen habe, meinte er: Da hast du so schön große Titten drin. Und es ist einfach total schön, solche Sachen zu hören.
Wenn ich dann mal rumjammere und zweifle – so nach dem Motto: oh, guck mal hier, das gefällt mir nicht – dann sagt er: Du musst dir Zeit geben. Das verändert sich noch, das ist alles noch ganz frisch. Mach dir keine Sorgen. Du siehst total gut aus. Schau mal, wie schnell sich dein Körper regeneriert.
Er unterstützt mich da wirklich total und spricht mir gut zu. Gleichzeitig stoppt er mich auch ein bisschen in meinen verrückten Gedanken, dass alles super schnell sein muss. Das ist voll schön und gibt mir viel Sicherheit.

Gibt es Rituale oder besondere Momente, die du mit deinem Partner schätzt, um Intimität zu pflegen?
Wenn man wirklich ruhig und entspannt ist, dann kann man sich diese Räume für Intimität überhaupt erst aufmachen. Ich glaube, das wird jetzt eine spannende Zeit, das gemeinsam zu erforschen. Wir müssen es einfach rausfinden.
Irgendwann möchte ich auch gerne so etwas wie kleine Rituale einführen und schauen, wann wir auch tagsüber solche Momente haben können. Aber es ist eben noch so frisch, dass wir uns da Stück für Stück herantasten müssen.

Wie empfindest du deinen Körper jetzt im Vergleich zu der Zeit vor der Schwangerschaft?
Ich merke, ich habe jetzt einen Mom-Körper.
Ich habe manchmal das Gefühl: selbst wenn ich ohne Baby unterwegs wäre, würden die Leute sehen, dass ich ein Kind habe. Das ist irgendwie so ein Gedanke in meinem Kopf – als hätte ich jetzt diesen „Mom-Stempel“.
Und auch wenn ich bestimmte Dinge gerade noch vermisse und weiß, dass sie nicht mehr so zurückkommen werden, kann ich mit diesem Mama-Sein, mit diesem neuen Lebensabschnitt, leichter Dinge loslassen. Ich denke mir dann: meine Brüste sind jetzt anders, ja – aber sie sind es, weil ich damit mein Baby füttere. Und das gibt dem Ganzen eine neue Bedeutung.
Und genau darin liegt auch etwas Gutes. Klar, ich darf die alten Dinge vermissen, und das ist völlig in Ordnung. Aber diese Veränderungen haben auch eine positive Seite: Sie sind wie eine Erinnerung daran, was mein Körper geleistet hat.
Ich glaube, in diesem Prozess ist es wichtig, dem Ganzen immer auch etwas Gutes zu geben – und mir gleichzeitig zu erlauben, auch mal zu trauern.
Trotzdem überwiegt bei mir die Dankbarkeit. Ich bin froh, dass mein Körper das alles so gut geschafft hat. Das macht es für mich leichter, die Veränderungen anzunehmen.

Wie bist du mit körperlichen Veränderungen wie Gewichtszunahme, Dehnungsstreifen oder Veränderungen in der Brustgröße umgegangen? Hast du bestimmte Bereiche deines Körpers, die jetzt mehr oder weniger empfindlich auf Berührung reagieren als vor der Schwangerschaft?
Ich glaube nicht wirklich – außer beim Bauch. Aber das liegt ja daran, dass die Nerven durchtrennt wurden. Vor allem im unteren Bereich, da wo auch die Narbe ist, fühlt sich das einfach anders an.
Das ist nicht schlimm, aber schon komisch. Zum Beispiel, wenn ich jemandem die Narbe zeige und die Person mit dem Finger darüber streicht, spüre ich das kaum. Und auch wenn mein Partner mit der Hand über meinen Bauch fährt, nehme ich das nicht so richtig wahr.
Mich stört das allerdings nicht, weil ich weiß, dass das mit der Zeit zurückkommt – also das Gefühl.
Was ich total faszinierend fand: meine Klitoris war kurze Zeit nach der Geburt plötzlich so viel kleiner. Während der Schwangerschaft war sie die ganze Zeit so prall, und auf einmal war sie winzig – fast so, dass ich sie wieder suchen musste.
Ich dachte nur: Oh mein Gott, die ist ja ganz klein geworden. Und irgendwie fand ich das schade. Sie könnte ruhig mal so schön groß bleiben.

Was ist Sexualität für dich – und hat sich das durch Schwangerschaft und Geburt verändert?
Sexualität ist mir schon sehr wichtig. Vor allem, weil ich da selbst eine große Entwicklung gemacht habe. Als junge Person denkt man ja oft: Ich bin sexuell, so cool, aktiv und reif. Aber im Nachhinein war das eigentlich gar nicht so. Ich habe das Gefühl, dass meine Sexualität mit dem Alter immer besser wurde – weil ich selbstbewusster geworden bin.
Ich habe mich getraut, Dinge anzusprechen. Oder auch klarer zu sagen, wenn ich etwas nicht möchte – und nicht einfach alles über mich ergehen lassen wie früher. Das war im Rückblick wirklich schrecklich.
Mit den Jahren habe ich vieles bewusster gemacht, auch ausprobiert – und das ist sehr schön. Ich hoffe sehr, dass das so bleibt, dass meine Sexualität weiterhin lebendig bleibt.
Wenn ich meine Freundinnen sehe, zum Beispiel eine, die schon eine vier- oder fünfjährige Tochter hat: sie erzählt, dass sie jetzt wieder viel mehr Lust verspürt und wieder mehr Zeit für ihre Sexualität hat. Aber sie sagt auch, es sei irgendwie ganz anders geworden. Und da bin ich gespannt, wie das bei mir sein wird.
Ich möchte auf jeden Fall weiterhin experimentieren. Natürlich weiß ich, dass ich erstmal weniger Zeit dafür haben werde. Aber ich denke, wenn unser Kind älter und selbstständiger wird – vielleicht so ab fünf, sieben oder zehn – dann haben wir noch mehr Zeit dafür.
Aber ich möchte mir da keinen Druck machen. In meinem Körper spüre ich schon, dass ich mir oft unbewusst Druck gebe – deshalb will ich bei der Sexualität bewusst den Druck rausnehmen. Ich möchte Zeit investieren, ja, aber nicht mit dem Anspruch: Wenn unser Kind zwei ist, dann haben wir den verrücktesten Sex aller Zeiten.
Mir ist einfach wichtig, dass ich meine Sexualität nicht verliere. Sagen wir es so: es ist eine Vorfreude darauf, dass diese Zeit wiederkommt – und dass sie dann vielleicht sogar noch schöner sein kann.
Hast du das Gefühl, dass sich dein sexuelles Wesen durch die Mutterschaft verändert hat? Wenn ja, wie?
Mein sexuelles Wesen… hm, das ist schwer zu sagen. Ich finde, dafür ist die Geburt einfach noch zu nah. Es ist gerade noch zu frisch, um da wirklich ein klares Gefühl oder Urteil zu haben.

Hast du das Gefühl, dass sich dein orgasmisches Erleben durch die Schwangerschaft und Geburt verändert hat? Wie hat es sich verändert? (Skala 0–10 vorher / Skala 0–10 nachher)
Dadurch, dass in der Schwangerschaft meine Gebärmutter größer war, hatte ich das Gefühl, dass meine Orgasmen intensiver waren. Das war für mich total spannend –diese Empfindung-jetzt fühle ich mich an der Gebärmutter.
Ich mochte das sehr, weil ich sowieso gerne die Stimulation am Gebärmuttermund spüre, wenn der Penis dagegenkommt. Dieses Empfinden hat sich durch die Schwangerschaft verstärkt, und ich habe das Gefühl, dass ich seither noch achtsamer und gefühlvoller geworden bin, was meine Orgasmen betrifft.

Wenn du Lust hast, wann hast du Sex? Und eher Solo oder Partner:innensex?
Ich habe gerade keine wirkliche Präferenz. Ich finde es wieder sehr schön, Partner-Sex zu haben. Vor allem, als ich so hochschwanger war, lagen wir manchmal so nebeneinander. „Ich würde so gerne eigentlich Sex mit dir haben, aber nicht so. Ich vermisse so sehr unseren Sex.“ Es war auch voll schön, darüber zu sprechen, dass wir Lust haben, aber die Umstände erst so schwierig machen, dass doch keine Lust da ist. Deswegen ist es umso schöner, sich jetzt wieder näher zu kommen mit meinem „alten, neuen Körper“.

Wie wichtig ist dir sexuelle Intimität in der Beziehung im Vergleich zu vor der Geburt?
Das ist eine etwas ungewohnte Frage, aber sie macht Sinn, weil mit dem Elternsein automatisch neue Prioritäten dazukommen. Vorher war man selbst vielleicht das Wichtigste, und plötzlich steht das Kind im Mittelpunkt – und man vergisst schnell auch mal sich selbst.
Trotzdem ist mir Sexualität weiterhin wichtig, gerade weil sie für unsere Beziehung eine große Rolle spielt. Sie ist vielleicht nicht das Wichtigste, aber sie gibt mir Energie und Nähe. Auch wenn sie sich verändert – weniger Raum, andere Prioritäten – möchte ich, dass wir sie bewusst im Blick behalten. Meine Sorge wäre, dass wir sie irgendwann aus Versehen verlieren, und deswegen will ich aktiv Energie hineinstecken.
Ich habe gerade selbst eine Frage die mich und uns sehr beschäftigt. Ist es okay Sex zu haben, wenn das Baby dabei ist?
Weil einerseits weiß ich, er checkt das noch überhaupt nicht. Er schläft, er kriegt das nicht mit, und trotzdem fühlt es sich irgendwie total komisch an, wenn er im gleichen Raum liegt. Er liegt ja in seinem Beistellbett direkt neben uns, und wir haben dann Sex im Raum – und auch wenn ich mir sage, das ist eigentlich natürlich, habe ich immer dieses Gefühl im Kopf: Er darf das nicht mitbekommen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, das zu entkoppeln? Also dass er dann wirklich in einem anderen Raum schläft und wir die Sexualität klar von diesem Elternsein trennen.
Gerade ist es für uns einfach ein Thema, das wir noch herausfinden müssen. Es ist so ein neues Feld, in dem wir uns orientieren und ausprobieren.
Vielleicht könnt ihr diese Frage auch in eurem Buch beleuchten?
Ja das wollen wir machen.
Vielen Dank für deine Erfahrungen, die du mit mir und uns geteilt hast.

Hagen

Alter: 36

Anzahl und Alter Kinder (inkl. Sternenkinder): 1 Kind: 8 Monate

Arbeitssituation:
Ich war jetzt ganz lange selbstständig und bin seit Oktober festangestellt – erstmal bis Ende März. Und wenn alles gut läuft, dann sogar noch bis Ende Januar 2026.
Wäre das auch dein Wunsch?
Ich finde das ganz gut, mal nicht nur kämpfen zu müssen.
Ja, verstehe. Und gibt es Besonderheiten, jetzt da du Vater geworden bist, die diesen Wunsch bestärken?
Na ja, ich habe schon gemerkt, ich hab ja gearbeitet, als meine Freundin schwanger war. Und das hat für mich jetzt irgendwie einen anderen Stellenwert, als die Arbeit vorher hatte. Also jetzt, wo ich die feste Stelle habe, fühlt sich das so an, als würde mehr davon abhängen. Das ist irgendwie wichtiger geworden – ein stabiler Job, ein stabiles Einkommen. Ich bewerte das gar nicht unbedingt, ob das jetzt besonders wichtig ist oder nicht, aber ich bemerke einfach, dass sich das verändert hat.
Macht das für dich mehr Sicherheit? Oder was ist das für ein Gefühl, wenn du sagst, es ist ein Unterschied?
Ja, es gibt mir schon Sicherheit. Ich glaube, ohne Kind hätte ich einfach gesagt: „Boah, ich genieße das jetzt – die Sicherheit, das Geld, einfach das Gefühl, mal angekommen zu sein.“
Aber jetzt merke ich so, okay, es ist einfach auch wichtig, diese Sicherheit zu erhalten. Davon hängt halt schon einiges ab, weil meine Partnerin ja gerade nicht arbeitet. Ich würde nicht sagen, dass es eine Belastung ist, aber ich spüre schon Verantwortung.
Obwohl ich da jetzt nicht so drauf erpicht bin oder das Gefühl habe, ich muss derjenige sein, der das Geld verdient. Das ist mir eigentlich nicht wichtig. Aber es hat sich jetzt so ergeben, und ich merke einfach den Unterschied.

Wolltest du schon immer Kinder haben und Vater sein? Was hattest du da früher für Vorstellungen?
Also, ich hatte früher, in einer anderen Partnerschaft – das war so Anfang, Mitte 20 – schon mal darüber nachgedacht, wie das so wäre, mit der damaligen Partnerin ein Kind zu bekommen. Aber das waren keine konkreten Überlegungen. Wir wussten nur so vage, das wäre irgendwie schön, „wäre schon gut und blablabla“.
Dann kam es aber anders mit der Partnerschaft, und in der Zwischenzeit war ich eigentlich eher nicht darauf aus, Kinder zu haben. Ich war so der Meinung: Na ja, es braucht nicht noch mehr Kinder auf der Welt. Oder sagen wir: Es braucht nicht unbedingt mich, der Kinder in die Welt setzt. Das können ja auch andere Leute machen.
Und dann, mit meiner jetzigen Partnerin, bin ich so langsam wieder in diese Idee reingewachsen. Ich hab gemerkt, dass ich das doch schön finden würde. Und je länger wir zusammen waren, desto mehr konnte ich mir das vorstellen.

War die Geburtdann geplant und/oder gewünscht?
Nee, also es war so, dass wir dann irgendwann gesagt haben, wenn es passiert, dann passiert es. Und wir haben jetzt bei der Verhütung auch nicht alle Register gezogen. Aber es war überhaupt nicht geplant.
Wenn du sagst, ihr habt bei der Verhütung nicht alle Register gezogen – wie habt ihr denn verhütet?
Vorher hatte meine Partnerin diesen Kupferball, und den hat sie sich dann rausnehmen lassen. Und dann haben wir gesagt, okay, wir wollen jetzt auch nicht übertreiben, sondern wir rechnen einfach aus und sind vorsichtig. Und das hat auch ziemlich lange funktioniert.
Dann gab es bei meiner Partnerin so eine hormonelle Umstellung durch ein Medikament, und dadurch ist sie anscheinend besonders fruchtbar geworden. Also so erklären wir uns das – dass es erst so spät, nachdem sie den Kupferball losgeworden ist, passiert ist.

Wie war das dann in der Schwangerschaft? Wie hast du dich während der Schwangerschaft deiner Partnerin gefühlt?
Ja, das ist schwierig. Wie habe ich mich gefühlt? Ich habe versucht, für meine Partnerin da zu sein und habe so eine Art Verantwortungsgefühl entwickelt. Und umso fortgeschrittener ihre Schwangerschaft war, umso mehr hatte ich das Gefühl, meine Aufgabe ist es, ihr zu helfen, durch den Tag zu kommen – ihr das Leben leichter zu machen, ihr so ein bisschen die Last von den Schultern zu nehmen, so gut ich das kann.
Und deshalb fand ich es auch nicht als Belastung. Ich kann ihr ja die körperliche Arbeit nicht abnehmen, und genau deswegen fand ich es eigentlich gut, etwas tun zu können.

Wie hast du die körperlichen Veränderungen deiner Partnerin während der Schwangerschaft erlebt?
Natürlich stand für mich zuerst im Vordergrund, dass sie den Bauch bekommen hat – das war so die erste augenfällige Veränderung. Und dann, dass ihre Brüste größer geworden sind – das war erst mal erstaunlich für mich. Das ist ja schon etwas, was einen verblüfft, wenn man das so beobachtet.
Ich habe das aber gar nicht bewertet, also nicht im Sinne von „vorher war’s besser“ oder „jetzt ist es besser“, sondern einfach nur als faszinierend wahrgenommen. Da passieren so viele Dinge gleichzeitig im Körper, das ist irgendwie beeindruckend.
Sie hatte ja auch keine so einfache Schwangerschaft. Und ja, genau, das war halt für mich besorgniserregend. Und ich habe versucht, diese Besorgnis nicht sozusagen auf den Fakt, dass sie schwanger ist, abfärben zu lassen.
Also nicht zu sagen, oh, die Schwangerschaft ist scheiße, weil ihr geht es nicht gut. Sondern dass da ein Kind entsteht und dass es ihr nicht gut geht, sind halt zwei verschiedene Sachen.

Ich weiß, dass es bei deiner Partnerin – wie bei vielen Frauen, die ich auch interviewt habe – so war, dass sich die Sexualität und auch das Lustempfinden verändert haben. Wie war das für dich?
Ja, also ich glaube, das ist bei uns beiden passiert – und bei uns beiden auch größtenteils in dieselbe Richtung. Ich würde sagen, das Lustempfinden hat während der Schwangerschaft deutlich abgenommen, einfach weil es ihr körperlich nicht gut ging. Sie war oft erschöpft durch die Schwangerschaft.
Für mich war es so, dass ich, während ich das gesehen habe, vor allem besorgt war. Diese Sorge um sie war sehr präsent – das waren die Gefühle, die in der Zeit dominiert haben. Und dadurch ist das Lustempfinden einfach in den Hintergrund getreten.

Und kann es sein, dass am Anfang mehr Lust auch da war? Also ich glaube, es gab schon auch, wenn ich mich erinnere, also erst mal auch so ein bisschen Übelkeit, aber dann wie so ein bisschen Lustanstieg und dann eben mit den körperlichen Herausforderungen dann wieder weniger Lust.
Ja, also am Anfang war das auch gar nicht so dramatisch. Genau, und ich weiß gerade nicht, wie das genau war. Das ist auch schon wieder länger her. Also wie genau die Abfolge war, weiß ich jetzt nicht mehr, aber ja, das kann gut sein. Aber es hat halt nicht so lange angehalten, sagen wir mal so.
Es war jetzt nicht so prägend, dass du jetzt sagst, ah ja, also da. Also jede Minute hat sie mich ins Bett gezogen und ich konnte mich gar nicht wehren?
Man kennt das ja so aus der Popkultur sozusagen. Aber so war das bei uns nicht, würde ich mal behaupten.

Gab es von dir aus besondere Bedenken oder auch Herausforderungen bezüglich Sexualität während der Schwangerschaft?
Ja, anfangs war das wirklich irgendwie ein bisschen seltsam, weil ich mir natürlich Gedanken gemacht habe – so nach dem Motto: „Okay, kann ich irgendwas kaputt machen? Ist das gefährlich? Was geht, was geht nicht?“
Diese Gedanken haben mich dann manchmal auch während des Sexes abgelenkt. Aber das hat sich mit der Zeit tatsächlich gelegt. Ich habe dann gemerkt, dass manche Dinge einfach gehen und andere nicht.
Mit dem zunehmenden Bauch wurde das dann auch immer mehr Thema – also welche Positionen noch angenehm sind und welche nicht. Aber ich habe das Gefühl, wir haben uns das ziemlich intuitiv erschlossen. Wir haben gar nicht groß nachgeschaut, was man „sollte“ oder „nicht sollte“, sondern einfach aufs Gefühl gehört.

Und sag mal, vor allem zum Ende der Schwangerschaft, das war ja schon für euch beide auch herausfordernd. Hast du denn dann mit jemand anderem über diese Herausforderungen auch gesprochen?
Die sexuellen Herausforderungen oder generell?
Nicht nur sexuell, sondern auch generell.
Ja, schon. Also ich hatte schon ein paar Freunde, mit denen ich darüber sprechen konnte. Aber es war jetzt nicht so, dass ich gezielt Rat gesucht hätte bei einer Vertrauensperson. Es gab eher hier und da Momente, in denen ich mal darüber reden konnte. Aber es war nie das explizite Thema des Gesprächs – also ich habe das Gespräch nicht deswegen aufgemacht.

Jetzt die Geburt selbst, wie war denn die Geburt für dich und wie hast du deine Partnerin darin und auch danach wahrgenommen?
Ja, also die Geburt war halt … es war ja eine sehr lange und sehr anstrengende Geburt – für meine Partnerin natürlich, aber auch für mich. Ich hatte vorher schon Angst davor, aber als es dann wirklich so weit war, „Okay, jetzt wird die Geburt eingeleitet, jetzt geht’s los“, da habe ich irgendwie meine Rolle als Beistandsperson gefunden. Ich habe versucht, die Stimmung hochzuhalten, einfach da zu sein und sie zu unterstützen.
Ich glaube, ich habe in der Situation einfach funktioniert. Ich habe mir gar nicht so viele Gedanken gemacht währenddessen. Es war eben sehr lang und körperlich wie emotional anstrengend – für uns beide. Ich habe das mehr als Aufgabe gesehen: da zu sein, sie zu begleiten, sie zu halten, so gut ich konnte. Den Sinn des Ganzen – also was da eigentlich passiert ist und was das bedeutet – das habe ich mir erst später richtig überlegt.

Wie hat sich deine Beziehung zu deiner Partnerin auch nach der Geburt verändert, insbesondere in Bezug auf Intimität und Sexualität?
Also ich glaube, durch die Geburt sind wir, was Intimität angeht, sehr zusammengewachsen. Wir haben uns noch mal auf einer ganz anderen Ebene kennengelernt, die wir vorher so nicht kannten. Das war schon interessant – das Vertrauen ineinander ist dadurch wirklich gewachsen. Wir haben uns in Situationen erlebt, die sehr schwierig waren, und gesehen, wie der andere darin reagiert. Das hat unsere Intimität stark vertieft.
Die Sexualität hingegen ist nach der Geburt auf jeden Fall weniger geworden – einfach durch körperliche Einschränkungen, aber auch, durch so Einschränkungen in der Kraft, die man so am Tag hat. Ja, Energie.

Es gab ja auch Geburtsverletzungen und hast du das auch so wahrgenommen, dass das eben auch eure Sexualität beeinflusst hat?
Ja, also das hat am Anfang auf jeden Fall großen Faktor ausgemacht. Gerade durch diese Kaiserschnittnarbe so, welche Bewegungen kann sie machen und wie fühlt sie sich wohl und ja, das hat schon eine große Rolle gespielt, würde ich schon sagen.

Du hast es schon so ein bisschen auch beschrieben. Also hast du das Gefühl, dass der Alltag mit dem Baby auch deine Lust auf Sex beeinflusst? Wenn ja, wie?
Ja, ich habe das Gefühl, auch wenn wir jetzt zwischenmenschlich intimer geworden sind, ist die Körperlichkeit trotzdem zurückgegangen. Einfach, weil da jetzt eine dritte Person ist, die Aufmerksamkeit braucht und manchmal auch zwischen uns steht – in ihren Bedürfnissen, aber auch ganz physisch. Dadurch fehlt oft die Zeit und dieses Sich-fallen-lassen-Können für Intimität.

Und wie hast du deine Partnerin in Bezug auf ihre veränderte Sexualität und Körperwahrnehmung unterstützt?
Wir versuchen da offen darüber zu reden – über die Veränderungen, die vor allem ihren Körper betreffen. Das ist schon ein starkes Thema für sie. Mir ist es wichtig, da in der Kommunikation dran zu bleiben, auch wenn es manchmal schwerfällt, solche Dinge wirklich anzusprechen. Manche Sachen kommen so nebenbei im Alltag auf, und bei anderen merkt man, da muss man sich bewusst Zeit nehmen und wirklich drüber reden.
Ich versuche, da so ehrlich und offen wie möglich zu sein. Die Frage ist für mich ein bisschen schwierig zu beantworten, weil „unterstützen“ so vieles heißen kann. Aber wenn sie zum Beispiel ihren Körper anzweifelt oder sich unwohl fühlt, dann versuche ich, ihr meine ehrliche Sichtweise zu geben – ohne zu beschönigen, aber auch ohne zu werten. Sie hat manchmal eine Körperwahrnehmung, die nicht unbedingt dem entspricht, wie sie von außen gesehen wird. Dann versuche ich ihr das zu spiegeln – also wie ich sie wahrnehme, um ihr vielleicht ein realistischeres, liebevolleres Bild von sich selbst zu geben.

In euren Gesprächen haben sicherlich auch deine Gefühle Platz. Hast du dir sonst noch andere Räume geschaffen, in denen du dich mit deinen Gefühlen zeigst und mit anderen redest?
Nee, ich glaube … es gibt schon Momente, in denen ich mit Freunden über meine Gefühle rede – zum Beispiel, das es auch mal anstrengend ist oder wie sehr ich mich über irgendwas freue. Aber ich suche mir nicht gezielt so einen Raum. Ich habe da, glaube ich, nicht so ein starkes Bedürfnis danach – zumindest empfinde ich das so.
Und dadurch, dass ich jetzt nicht das Gefühl habe, ich habe irgendwie Themen, die ich nicht mit ihr besprechen kann, habe ich nicht das Gefühl, dass sich da jetzt irgendwas anstaut oder so, was ich mit jemand anderem besprechen muss.

Gibt es denn Rituale oder besondere Momente, die du mit deiner Partnerin schätzt, um Intimität zu pflegen?
Ich glaube, dadurch, dass unsere Freizeit sehr eingeschränkt ist, sind solche Momente eher selten. Aber wenn wir zum Beispiel mal ein paar Tage Urlaub zusammen haben, dann merke ich schon, dass wir wieder mehr Zeit für Intimität finden – und dass das dann auch ganz von alleine wiederkommt.

Wie empfindest du den Körper deiner Partnerin jetzt im Vergleich zu der Zeit vor der Schwangerschaft?
Über die Frage hatte ich schon mal nachgedacht. Für mich sind ihre Körperveränderungen gar nicht so dramatisch. Klar, ihr Körper ist anders als vor der Schwangerschaft, aber das hat auf mein Lustempfinden keine besondere Auswirkung. Für mich ist sie immer noch sehr attraktiv und toll.
Ich glaube eher, dass ihre eigene Selbstwahrnehmung da eine größere Rolle spielt – weil sie sich selbst anders sieht, als ich sie wahrnehme. Und aus dieser Diskrepanz entstehen manchmal Momente, in denen ich es schade finde, dass wir uns nicht alle mal von außen betrachten können – so eine Art Realitätscheck machen. Ich glaube, genau da liegt manchmal der Punkt: Wenn die Partnerin sich selbst infrage stellt, wirkt sich das natürlich auch ein Stück weit auf die gemeinsame Lust aus.

Was hast denn du für ein Verhältnis zum Stillen, und wie ist das für dich, wenn deine Partnerin euer Kind stillt?
Ja, also ich finde das super. Es ist natürlich für sie auch anstrengend – ich sehe das ja –, aber ich weiß, dass sie sich das gewünscht hat, und ich finde, das ist ein ganz natürlicher, normaler Vorgang. Ich finde das überhaupt nicht anstößig oder nix.
Ich stehe total hinter ihr. Und jetzt, wo sie sagt, so langsam hat sie auch keine Lust mehr, verstehe ich das auch, weil ich sehe, wie anstrengend das für sie ist und was das körperlich auch mit ihr macht. Da kann ich gut nachvollziehen, dass sie irgendwann abstillen möchte.

Hat sich dein Verhältnis zu den Brüsten deiner Partnerin verändert?
Ja, also vor allem am Anfang hatte ich Angst, dass wenn wir intim sind, dass die Milch aus den Brüsten kommt. Das ist aber nicht passiert. Also fand ich ganz erstaunlich, dass das doch so reguliert wird vom Körper.
Mein Umgang mit ihren Brüsten hat sich ein bisschen verändert, weil sie halt empfindlicher geworden ist und ihre Brüste auch beansprucht sind. Und ich da oft auch Rücksicht nehmen muss. Sie sagt mir das dann auch, aber ich merke das auch, dass ich einfach ein bisschen vorsichtiger geworden bin.
Aber mein Verhältnis, dass ich ihre Brüste mag, das ist nach wie vor. Da hat sich nichts daran verändert.

Was ist Sexualität für dich und hat sich das verändert?
Das ist eine große Frage. Also Sexualität für mich. Ja, ich würde sagen, es sind so die Intimmomente, die man mit Partner oder Partnerin hat oder mit sich selbst, die jetzt halt etwas Spezielles sind.
Für mich zählen viele intime Gegebenheiten unter Sex, nicht nur Geschlechtsverkehr, sage ich jetzt mal. Und hat sich das für mich verändert? Ja, auf jeden Fall.
In verschiedenen Arten, sage ich jetzt erst mal so.

Hast du denn das Gefühl, dass sich dein sexuelles Wesen durch die Vaterschaft vielleicht ein bisschen verändert hat? Und wenn ja, wie?
Also ich habe nicht das Gefühl, dass der reine Fakt, dass ich Vater bin, irgendwas an meiner Sexualität verändert hat. Aber der Umstand, also das Drumherum, das hat, glaube ich, schon einiges gemacht.
Ich habe einfach mehr Pflichten, mehr Verantwortung, und dadurch auch weniger gedankliche Freizeit, weniger Raum für Fantasie. Einfach, weil ich mich um mehr kümmern muss. Das hat sich schon bemerkbar gemacht. Aber das Vatersein an sich – also nur der Fakt – hat das jetzt nicht zwangsläufig positiv oder negativ beeinflusst.

Gibt es denn neue Vorlieben oder Abneigungen, die du in Bezug auf die Sexualität nach der Geburt auch für Dich entdeckt hast oder eben auch bei deiner Partnerin beobachtet hast?
Würde ich jetzt erstmal pauschal Nein sagen.

Wenn Du jetzt Lust hast, wann hast du dann gerne Sex und ist das dann eher Solo- oder Partnerin-Sex?
Also Solo-Sex auch, aber wenn wir jetzt zusammen Sex haben, dann ist es hauptsächlich, wenn wir uns zum Schlafen ins Bett legen, also wenn es wirklich spät ist und dann merken so, vielleicht sind wir doch noch nicht ganz so müde. Das sind die Momente, wo das gut funktioniert. Aber so über den Tag oder sowas, leider ist das schwierig.
Zumindest wenn wir zu Hause sind, ich sage mal, wenn wir jetzt im Urlaub sind, dann funktioniert das auch besser. Aber dadurch, dass wir auf das Kind aufpassen müssen und alles, ist einfach die Zeit sehr eingeschränkt, in der man Sex haben kann.

Wie wichtig ist dir denn sexuelle Intimität im Bezug, im Vergleich zu vor der Schwangerschaft und Geburt?
Ich glaube, dadurch, dass ich jetzt auch so eine andere Form von Intimität noch kennengelernt habe, ist die sexuelle Intimität so ein bisschen weniger wichtig geworden. Weil das Elternsein auch wieder eine andere Form von Intimität mit sich bringt. Und wenn man gemeinsam als Paar sein Kind beobachtet, wie es wächst und sich entwickelt, das sind so Momente, die sind super intim und super schön. Und ich glaube, dass das auch zumindest für mich einen Anteil meiner sexuellen Intimität kompensiert.

Wie gehst Du oder ihr auch mit den Anforderungen des Alltags um, um eben auch Zeit für Intimität und Sexualität zu schaffen?
Also dadurch, dass wir beide am Ende des Tages schon ziemlich müde sind, ist es halt auch schwer zu sagen, jetzt räumen wir uns noch Raum und Zeit dafür ein. Also das schaffen wir gerade nicht so gut. Sondern es ist halt wie gesagt, wenn wir dann sozusagen schon den Raum und die Zeit haben, dann funktioniert es halt deutlich besser.
Und ihr habt ja auch keine Großeltern, die in der Nähe sind.
Nee, leider nicht. Ja, deswegen fahren wir halt gerne zu den Großeltern hin. Da haben wir diese Ferienwohnung und da ist es dann für uns einfacher.
In unserem Alltag jetzt ist sehr schwierig, sag ich mal, da irgendwie sich diese Räume zu suchen. Und manchmal ist es auch, wenn es dann irgendwie Freizeit gibt, dann brauche ich die halt auch einfach, um mal so für mich zu sein zum Beispiel. Weil das finde ich auch wichtig, mal einen kurzen Moment ohne Kind zu sein, also dass wir uns da gegenseitig abwechseln. Und das ist jetzt ja auch ein großer Faktor einfach.

Und sag mal, welche Rolle spielt denn Selbstliebe und Selbstfürsorge jetzt in deinem Leben?
Ja, also Selbstliebe würde ich sagen, spielt eine absolute Nebenrolle gerade, also findet statt, aber es hat jetzt keinen großen Stellenwert. Und Selbstfürsorge ist auch gerade untergeordnet.
Gleichzeitig hast du ja gerade gesagt, manchmal ist es euch auch wichtig, wenn ihr ohne Kind sein könnt – also dass ihr euch eher dahin gehend unterstützt, auch Zeit für euch selbst zu haben. Das ist ja auch eine Art von Selbstfürsorge, oder?
Ja, genau. Also meine Selbstfürsorge ist gerade, dass ich abends mal zehn Minuten lese. Das mache ich dann wirklich alleine, da läuft auch kein Fernseher oder so, sondern das ist einfach mein Moment.
Oder jetzt, als meine Partnerin eine Woche weg war, da habe ich in der Zeit was für mich genäht. Ich habe dann weniger Hausarbeit gemacht, sondern mir abends einfach mal Zeit genommen, um was für mich zu machen.

Wie wichtig ist dir sexuelle Autonomie, und wie lebst du diese in deinem Alltag als Vater?
Sexuelle Autonomie – kannst du das nochmal erklären, wie du das meinst?
Also, für mich hat Autonomie erstmal etwas damit zu tun, dass mensch aus dem eigenen Bedürfnis heraus entscheidet, was einem guttut und welche Räume mensch dafür braucht. Und in Bezug auf Sexualität bedeutet das, zu sagen: Das ist mir wichtig, das ist meine Verantwortung, und dafür gehe ich los – also auch, welche Art von Paarsexualität ich leben möchte und wie viel Eigenständigkeit oder Freiheit mir und uns darin wichtig ist.
Ja, also ich glaube, wenn ich Lust empfinde, dann kann ich das auch gut kommunizieren, sodass wir das verstehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich selbst einschränke.
Mein generelles Lustempfinden ist gerade ohnehin geringer, und ich würde mich insgesamt als eher nicht so körperlichen Menschen beschreiben. Das heißt, die Körperlichkeit, die ich brauche, bekomme ich über meine Partnerin – und das reicht mir auch.
Ich mag zum Beispiel nicht so gern, wenn mich jemand massieren will – das ist einfach nicht meins. Ich merke schon, dass ich im Verhältnis zu anderen Menschen weniger körperliche Nähe brauche, und deswegen teile ich das, was ich brauche, ganz bewusst mit meiner Partnerin.
Deshalb komme ich auch gut damit klar, dass mein Lustempfinden gerade geringer ist. Wenn das wieder mehr wird oder wenn wir mehr Zeit dafür haben, finde ich das auch super, aber ich habe nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlt oder dass es mir schlecht geht, weil mir Körperlichkeit fehlt.
Ich würde eher sagen, dass meine Partnerin mehr Körperlichkeit braucht als ich – und ich versuche, ihr das auch zu geben, so gut ich kann. Und das betrifft nicht nur Sex, sondern auch Nähe und Berührung allgemein.
Ich habe dich letztens auch gesehen und beobachtet, wie du deine Körperlichkeit auch mit deinem Kind lebst.
Ja, das stimmt. Das kommt natürlich jetzt auch dazu, dass da eine neue Person ist, die natürlich ebenfalls Nähe braucht – körperliche Nähe. Unser Kind ist total auf meine Partnerin fixiert, was das angeht, aber ich merke schon, dass ich diese Nähe auch gerne geben möchte. Und ich habe das Gefühl, dass diese körperliche Nähe zu meinem Kind etwas Eigenes ist – dass sie nicht von meinem grundsätzlichen Nähebedürfnis abgezogen wird, sondern einfach neu entstanden ist. Und darüber bin ich auch echt froh.
Ich erinnere mich, am Anfang hast du ja auch die Nächte so mit eurem Kind verbracht, dass euer Kind oft auf deinem Bauch geschlafen hat, damit sich deine Partnerin ein bisschen ausruhen konnte. Das fand ich sehr beeindruckend.
Ja, genau. Wir versuchen das jetzt auch immer mal zu tauschen, also dass ich nachts neben ihm schlafe – nicht grundsätzlich, aber hin und wieder. Es ist natürlich manchmal schwierig, nachts so eine Routine aufrechtzuerhalten, aber wir haben das Gefühl, dass er ruhiger schläft, wenn ich neben ihm liege. Dann hat er nicht sofort dieses Gefühl: Ah, da ist Brust in der Nähe, ich könnte andocken.
Und das ist auch für mich interessant, weil ich natürlich ganz anders schlafe, wenn ich direkt neben ihm liege.

Ja, jetzt bin ich mit meinen Fragen durch. Danke dir sehr. Und einen schönen Abend noch.

Ja, danke dir. Ciao.

Infos zum Orgasmic Parents Buch

Elena

Das ist unser vollständiges Interview mit Elena zu den Auszügen, die du im Orgasmic Parents Buch finden kannst.
Elena

Alter: 53

Anzahl und Alter Kinder (inkl. Sternenkinder):
2 Kinder (mit 25 und 30), 1 Fehlgeburt (mit 23) und 1 Abtreibung (mit 33)

Beziehungsstatus (während Schwangerschaft / jetzt): verheiratet und jetzt geschieden

Wohnsituation:
Wir hatten am Anfang eine Zwei-Zimmer-Wohnung, noch mit Ofenheizung damals.
Vierter Stock. Und sind dann aber umgezogen in eine Drei-Zimmer-Wohnung. Und dann habe ich dort in der Drei-Zimmer-Wohnung meine Tochter bekommen.
Und wo die so sechs, sieben war, sind wir dann in eine Vier-Zimmer-Wohnung umgezogen.

Arbeitssituation:
Ich habe eigentlich so gut wie immer gearbeitet. Nachdem ich meine Kinder bekommen habe, hatte ich ein Jahr Babypause, war dann eineinhalb Jahre in Teilzeit – und bin danach wieder Vollzeit arbeiten gegangen. Ja, krass. Aber ich hatte echt das große Glück, dass meine Mutter zu der Zeit, als mein Sohn klein war, schon Rentnerin war. Sie hat mindestens zweimal in der Woche den Kleinen abgeholt und nach Hause gebracht. Also die hat echt voll unterstützt.

Besonderheiten:
Also bei meiner Tochter wollte ich ins Geburtshaus. Und ich wollte unbedingt in der Badewanne entbinden. Also das war für mich so mein Traum. Das hat leider nicht geklappt, weil die Fruchtblase ist nur angerissen gewesen und wir mussten dann ins Krankenhaus. Und dann hatte ich erstmal gar keine Wehen mehr.
Es war wahrscheinlich ein zu großer Schock. Und dann haben sie alle gesagt, ja, es können alle weggehen. Und meine beste Freundin, die war halt in dem Raum geblieben.
Und irgendwie, wo alle weg waren, fingen dann die Presswehen an. Und wir waren beide alleine. Und dann hat sie schon gesagt, ja, da guckt das Köpfchen schon raus.
Kannst du nicht mal aufhören zu pressen? Und ich dann so, nee, das kann ich nicht mehr. Sie war keine Hebamme, sie war Tischlerin… Das war so etwas, was ich gern danach erzählt habe und woran ich wirklich heute noch ab und zu denke und mal lache.

Wolltest du schon immer auch Kinder haben und Mutter sein? Was hattest du dazu für Vorstellungen?
Nein, also am Anfang, so mit 18, 19, 20, wollte ich gar keine Kinder haben. Mit meinem damaligen Partner habe ich mich sogar deshalb getrennt, weil ich klar gesagt habe: Ich möchte keine Kinder.
Dann bin ich viel gereist, hab meine Freizeit genossen – einfach mein Leben gelebt. Und irgendwann hab ich dann meinen Mann kennengelernt, und irgendwie war das da anders. Da hatte ich plötzlich das Gefühl: Doch, ich möchte Kinder haben. Und ich wusste auch, wenn, dann will ich mindestens zwei – weil ich wollte, dass es Geschwister sind.

Und weißt du, was anders war mit ihm dann?
Also, erstmal kam er ja aus einer anderen Kultur – er kommt aus Ghana. Und ich glaube, da werden Kinder einfach noch mal ganz anders gesehen. Nicht nur wertgeschätzt, sondern es gehört auch viel selbstverständlicher dazu. Ich dachte damals einfach, das passt einfach alles.

Und waren deine Geburten dann geplant?
Mein Sohn war das absolute Wunschkind. Meine Tochter war eher so: die Pille war alle und ich habe jetzt vergessen, die Pille zu nehmen. Also die war nicht geplant. Aber wo sie denn da war, war alles gut.
War dann schon gewünscht in dem Moment, wo es passiert war? Das höre ich so ein bisschen raus.
Ja.

Wie war es in deiner Schwangerschaft? Wie hast du dich denn da gefühlt, bezogen auf Frau sein? Wie lebendig hast du dich gefühlt? Hast du dich sexy gefühlt?
Bei meiner ersten Schwangerschaft habe ich mich richtig toll gefühlt. Also ich sah super gut aus, meine Haut sah toll aus, ich fühlte mich überhaupt nicht schlecht. Also mir ging es wirklich so richtig gut.
Und ich wurde halt auch von meinem Mann damals unheimlich liebevoll bemuttert. Und wo das Kind dann auch gekommen ist, in Ghana, ist das halt auch Tradition, dass du dann extra Essen bekommst und mit irgendwas anderes noch betüdelt wirst. Also da fühlte ich mich doch sehr aufgehoben.
Das heißt, dein Sohn ist in Ghana geboren?
Nein, der ist hier in Deutschland geboren. Mein Mann lebte hier und Freunde aus seinem Heimatland. Dann sind die Leute gekommen und haben eine ganz spezielle Suppe gemacht. Nach einem Jahr gab es eine große Feier – das ist dort ganz üblich, weil wenn ein Kind das erste Lebensjahr übersteht, kann man fast davon ausgehen, dass es auch weiterlebt. Das ist eine sehr große Feier, mit viel Tanz und Freude. Ja, das ist schon noch mal etwas anderes.
Bei meiner Tochter war das dann alles ein bisschen anders. Da habe ich gemerkt, dass ich mich nicht so gesund fühlte. Ich hatte bei der Geburt sehr viel Blut verloren, war schwach und merkte auch, dass es anstrengend war, beiden Kindern gerecht zu werden – die waren ja fünfeinhalb Jahre auseinander.
Da fühlte ich mich auch sehr schnell ausgelaugt und irgendwie fühlte ich mich auch damals, nicht so unterstützt wie beim ersten Kind von meinem Mann.

Und hattest du da ein Gefühl oder eine Idee, wieso das anders war?
Wie war das damals? Lass mich mal kurz nachdenken. Also die erste Sache war, meine Mutter war gestorben, also zwei Jahre davor.
Also da ist eine große Lücke entstanden und wo meine Tochter klein war, da war meine Tante, die mir sehr nahe stand, auch im Krankenhaus und es war irgendwie sehr viel, viel mehr Stress, ich musste viel mehr organisieren. Also ich hatte zwar Freunde, aber man musste sich trotzdem irgendwie darum kümmern, dass das größere Kind in den Kindergarten kommt oder in die Schule und es war viel mehr Hektik da. Es war nicht mehr so eine Ruhe, fand ich.
Und mein Mann damals – in der Zeit wurde ihm seine Arbeit gekündigt, und ich glaube, das hat ihm wirklich eine Weile sehr zu schaffen gemacht. Er war dann eine Zeit lang arbeitslos, das hat sich später zwar wieder geändert, doch gerade am Anfang war das eine sehr anstrengende Zeit für mich. Er hat dann auch in einem anderen Zimmer geschlafen als ich, und dadurch war diese Nähe, die beim ersten Kind noch da war, diesmal einfach nicht so gegeben.

Und vielleicht kannst du dich auch erinnern, wie war das denn mit deinem sexuellen Verlangen während der verschiedenen Phasen in der Schwangerschaft, also in der ersten und der zweiten Schwangerschaft, also wenn du so in Trimestern denkst?
Am Anfang, bei meinem Sohn, hatte ich richtig viel Lust. Es wurde zwar etwas weniger, aber das Verlangen war bis zum Ende da. Mein Mann hat mich dann manchmal einfach nur gestreichelt, aber wir haben viel und nah beieinander gelegen.
Bei meiner zweiten Schwangerschaft hingegen ging es mir die ersten drei Monate überhaupt nicht gut. Ich hatte ständig das Gefühl, mich übergeben zu müssen, und da war auch überhaupt kein sexuelles Verlangen da. Ich war viel weinerlicher, viel erschöpfter, und wir hatten auch längst nicht mehr so viel Körperkontakt wie beim ersten Kind.
Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass mir das manchmal sehr gefehlt hat. Ich habe dann viel mehr Zeit mit Freundinnen verbracht und mit ihnen einfach gekuschelt – also schon Körperkontakt gesucht, aber nicht in einem sexuellen Sinne. Das stand gar nicht im Vordergrund. Trotzdem würde ich sagen, dass mir das, auch später noch, manchmal gefehlt hat.

Gab es besondere Herausforderungen oder Bedenken bezüglich der Sexualität während der Schwangerschaft, also gerade bei der ersten Schwangerschaft, als du ja auch viel Lust hattest?
Gar nicht.
Auch nicht von deinem Mann?
Nö.
Und kannst du dich erinnern, wie hat denn dein Partner dann auf deine Lust in der ersten Schwangerschaft reagiert?
Am Anfang hatte er manchmal ein bisschen Angst, ob da nicht irgendwas kaputtgehen könnte. Aber wir waren sehr umsichtig, sehr liebevoll miteinander. Das fand ich mit die schönste Zeit – der Sex war wirklich schön, weil er so ruhig war, mehr so in diese Slow-Sex-Richtung ging. Viel entspannter, nicht so gestresst.

Ja, voll schön. Hast du eigentlich mit deiner Ärztin oder deiner Hebamme über deine Sexualität während der Schwangerschaft gesprochen? Und falls ja, gab es irgendwelche Ratschläge von deiner Hebamme oder deiner Ärztin?
Nee, komischerweise gar nicht. Ich hatte ja bei beiden Kindern eine Hebamme, aber das war überhaupt kein Thema. Es wurde auch gar nicht danach gefragt.
Heutzutage würde ich das, glaube ich, anders wollen. Aber damals bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, das anzusprechen.

Und deine Geburten selbst – du hast ja schon kurz erzählt, dass du bei deiner Tochter plötzlich in der Austreibungsphase warst und gar nicht erst richtig mitpressen konntest.
Wie waren die Geburten insgesamt für dich als Erfahrung? Das ist ja doch was sehr Besonderes – etwas, das nur wir Frauen erleben können. Wie erinnerst du dich daran?
Bei meinem Sohn war ich ganz lange zu Hause, habe viel gelesen und alles ganz genau beobachtet – so richtig wissenschaftlich. Ich dachte mir: Die Wehen haben noch nicht so viel Abstand, also müssen wir noch nicht ins Krankenhaus. Und tatsächlich: Für eine Erstgeburt war das alles ziemlich zügig. Ich bin nachts um zwei ins Krankenhaus und um 10:51 Uhr war das Kind da. Die Hebamme meinte später, das sei eine richtige Bilderbuchgeburt gewesen.
Was mich allerdings gestört hat, war, dass ich am Damm geschnitten wurde. Ich bin jetzt kein großer Mensch und bin trotzdem bis zum Schließmuskel gerissen. Dann kam ein Chirurg, der mich betäubt hat, und ich lag mit dem Baby da – in einer für mich irgendwie kalten Umgebung – bis er entschied, dass der Schließmuskel genäht werden musste. Das musste dann die Hebamme übernehmen. Ich erinnere mich, dass ich mich in dem Moment ziemlich allein gelassen gefühlt habe. Es hat einfach niemand so richtig mit mir gesprochen. Ich war froh, dass mein Mann dabei war und den Kleinen gehalten hat, aber insgesamt war das für mich eine merkwürdige Situation.
Die Hebamme hat sich später aber nochmal sehr gut gekümmert. Sie hat sich die Dammnaht angeschaut und mir schon früh geraten, die Narbe regelmäßig einzuölen und ganz leicht zu massieren. Dafür war ich echt dankbar – die Narbe ist gut verheilt, und ich hatte keine großen Schmerzen oder Probleme damit.

Das heißt, es war dann auch für dich kein Hindernis, sexuell zu sein, vielleicht im Paarsex oder eben auch im Solosex?
Ja, also das war gar nicht das Problem. Da war ich wirklich sehr dankbar drüber.

Ja, voll schön zu hören. Und die Geburt deiner zweiten Tochter, wie war diese Erfahrung für dich?
Das war mit meiner Tochter ein bisschen anders. Ich hatte mich richtig auf das Geburtshaus gefreut – das war so schön. Mehrere Frauen haben mich dort begleitet, und wir haben zusammen Wehensingen gemacht. Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass die Geburt schon voll im Gange ist, und dann musste ich plötzlich ins Krankenhaus. Dort sollte ich nicht mehr herumlaufen, ich lag wirklich nur noch auf dem Bett. Überhaupt nicht so, wie ich es wollte. Ich fühlte mich ein bisschen gefesselt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich deswegen überhaupt keine Wehen mehr hatte.
Ich habe Wehenmittel bekommen. Meine Tochter hatte am Anfang noch den Arm über dem Kopf, und die Ärztin sagte, naja, wenn sich in ein bis zwei Stunden nichts tut, müssten wir vielleicht doch einen Kaiserschnitt machen. Ich dachte nur: Das möchte ich gar nicht. Lass uns mit diesem Kind reden – ich will auf jeden Fall eine normale Geburt haben. Das war etwas, was ich sehr spannend fand. Mein Mann war draußen, ich war mit meiner Freundin allein. Mein Mann war draußen, ich war mit meiner Freundin allein. Wir sind so Seelenschwestern, wie ich das immer sage, und wir dachten: Komm, lass uns mit diesem Kind reden. Und wirklich 15 Minuten später hatte ich diese Presswehen. Das war sehr eindrücklich.
Bei der Geburt habe ich jedoch sehr viel Blut verloren und fühlte mich danach unheimlich schwach und müde. Alles war zwar gesund, aber ich fühlte mich doch erschöpft. Die kalte Krankenhausatmosphäre, dazu, dass ich nicht nach Hause durfte und noch eine Woche bleiben sollte – das war frustrierend. So hatte ich mir meine zweite Geburt ehrlich gesagt nicht vorgestellt.

Es hörte sich ja wunderschön an, wie du im Geburtshaus in diese Geburt hineingegangen bist und wie gut du vorbereitet warst, dass mehrere Menschen dich begleitet haben und ihr auch das neue Wesen besungen habt. Und dann dieser Schnitt, dass du ins Krankenhaus musstest – also die Erfahrung, die du jetzt erzählst, ist natürlich wirklich krass.
Als du dann endlich wieder zu Hause warst: Wie war das dann mit dem Wochenbett? Wie hast du es empfunden, und wie viel Zeit hattest du dafür nach deiner zweiten Geburt?
Na, das war auch nicht so stressfrei, fand ich. Soweit ich mich noch erinnere, ist das ja doch schon eine Weile her. Mein Sohn fand seine Schwester total toll, das weiß ich, aber trotzdem wollte er ja auch Aufmerksamkeit, und das fiel mir manchmal wirklich schwer.
Wenn sie dann geschlafen hat, habe ich meistens auch geschlafen, und dann fühlte ich mich irgendwie total unter Druck. Ich wollte gesund werden und für beide Kinder da sein. Das Stillen hat gut geklappt, also bei beiden Kindern konnte ich gut stillen. Aber ich empfand alles wesentlich unruhiger als beim ersten Kind, so würde ich es ausdrücken.

Wie war denn dann die Intimität und Sexualität mit deinem Partner jeweils nach den Geburten?
Bei meinem Sohn, also nach der ersten Geburt, war es nach dem Wochenbett, nach den sechs bis acht Wochen, in denen die Ärztin gesagt hat, es ist alles wieder gut. Da sind wir ganz langsam und vorsichtig wieder näher gekommen. Das fand ich total schön, weil ich erst ein bisschen Angst hatte, ob es vielleicht mit der Narbe weh tut. Er war so achtsam und aufmerksam. Ich glaube, wir haben das erste Mal zusammen geduscht und uns dabei eigentlich nur berührt. Das fand ich schön.
Nach der zweiten Geburt war das anders. Da war irgendwie dieses „Ich kümmere mich um meinen Sohn und du kümmerst dich um deine Tochter.“ Wir haben uns da, würde ich sagen, schon ein bisschen auseinandergelebt. Die Sexualität hat wesentlich länger gedauert, bis wir stattgefunden hat und da war auch nicht mehr so viel Rücksicht da.

Wie war denn auch deine Körperwahrnehmung? Also was würdest du sagen, hat sich durch die Schwangerschaft oder auch durch das Stillen deine Körperwahrnehmung verändert? Gab es Körperstellen, wie zum Beispiel die Brust oder anderswo, bei denen du das Gefühl hattest, sie seien empfindlicher, sensibler oder haben sich einfach anders angefühlt, als du es kanntest, bevor du deine Kinder bekommen hast?
Ja, also das ist schon eine tolle Frage. Vor der Geburt war ich relativ empfindlich an der Brust. Nach den Geburten, besonders nach der zweiten, hatte ich dann wirklich das Gefühl, man konnte mich an der Brust berühren, wie man wollte, ohne dass ein großes Lustempfinden da war. Ich habe meine Brust auch irgendwie anders wahrgenommen, sie ist ein bisschen runder geworden, nicht super rund, aber schon.
Generell habe ich mich nach dem zweiten Kind nicht sexuell attraktiv gefühlt. An der Brust hatte ich eine ganze Weile gar kein Körpergefühl, eher eine Art Taubheit. Es war einfach nur, naja, da ist halt ein Busen.

Wann hat sich das geändert und wodurch? Weil es hört sich ja so an, als wenn sich das wieder geändert hat.
Es hat sich erst geändert, wo ich, das war 2010 oder so, also vor 14 Jahren, wo ich zu meinem ersten Tantra-Massage-Workshop gegangen bin. Also da hat sich das wirklich wieder entspannt.
Da kam auch ganz viel hoch und ich hatte auch so ein Gefühl, dass ich so viel Anspannung hatte. Also diese Sexualität war nicht mehr so frei wie früher. Nicht mehr so spielerisch. Und auch manchmal nur noch so, ja gut, dann haben wir jetzt Sex, weil das müsste ja sein. Also mir fehlte was und das habe ich mich auf den Weg gemacht.

Wann habt ihr euch denn getrennt? Es klingt für mich so, als wärt ihr kein Liebespaar mehr.
Ja, wir haben uns 2010 getrennt.

Dann begann mit dieser Trennung auch eine Forschungsphase für dich, so nach dem Motto, das kann ja nicht alles gewesen sein? Ich vermute, dieser Tantra-Massage-Kurs war ein neuer, anderer Raum, ein achtsamen Raum, mit Langsamkeit, wirklich ins Spüren kommen und das Aufsteigen lassen, was im Moment dann eben auch wirklich da ist, ohne was zu forcieren wollen. Würdest du dem zustimmen?
Dem würde ich so zustimmen. Also das war sehr amüsant: Ein sehr, sehr langjähriger Freund – wir kennen uns seit über 30 Jahren – hatte sich auch gerade frisch getrennt und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm zusammen einen Tantra-Massage-Kurs zu machen. Ich wollte das sowieso mal ausprobieren, eine Woche lang, und habe gesagt: „Ach, warum nicht?“
Und ich muss wirklich sagen, ich glaube, für uns beide war es auf unsere Art ein richtiges Ankommen wieder bei uns selbst. Ich habe vorher schon viel meditiert und Yoga gemacht, aber den Körper wieder liebevoll wahrzunehmen, sich selbst als attraktiv zu empfinden – das war für mich wirklich die Schlüsselrolle in dieser Erfahrung.

Ja, voll schön.
Gab es dann – also nach der Geburt, vor allem nach der zweiten – noch andere Veränderungen? Du hattest ja schon die leichte Gewichtszunahme erwähnt. Hattest du vielleicht auch Dehnungsstreifen oder was anderes?
Also ich habe leichte Dehnungsstreifen, die sind jetzt nicht so schwerwiegend. Mein Busen ist schon eher ein Thema. Ganz witzig: Mein Busen war vorher gar nicht so groß, aber nach der zweiten Schwangerschaft mit meiner Tochter ist er deutlich größer geblieben, und am Anfang fühlte ich mich damit überhaupt nicht wohl. Ich hatte auch ein bisschen zugenommen – jetzt nicht übermäßig – und sonst fühlte ich mich mit meinem Körper eigentlich ganz gut, aber ich merkte, dass ich mich nicht mehr so geliebt fühlte. Dabei kamen dann auch Zweifel auf, ob ich vielleicht nicht mehr attraktiv genug bin oder so.
Und dann bist du auf deine Forschungsreise gegangen und hast die Verbindung zu dir als sinnliches und sexuelles Wesen wiederaufnehmen können.
Ja, dafür bin ich sehr dankbar.

Was ist denn Sexualität für dich und hat sich das verändert durch deine Schwangerschaften und Geburten?
Ja, das hat sich verändert!
Und was ist Sexualität für mich? Oh, Sexualität ist ganz, ganz viel für mich. Das ist ein freudevolles Umgehen mit meinem eigenen Körper und halt auch mit anderen Menschen.
Es ist sehr achtsam geworden, viel, viel langsamer manchmal und nicht immer nur darauf bedacht, zum Orgasmus zu kommen. Und durch die Schwangerschaften hat sie sich auf jeden Fall verändert. Ich habe mich früher, also vor der Schwangerschaft überhaupt nicht weiter interessiert, wie denn die Anatomie von der Vagina ist und alles.
Und nachdem ich mein erstes Kind bekommen hatte, weil ich das einfach mal wissen wollte, wie sieht das denn jetzt aus, habe ich glaube ich mit 25 zum ersten Mal einen Spiegel genommen und mir angeschaut, wie ich denn aussehe.
Ja, cool. Und wie war das?
So ein bisschen so, wie sieht das denn aus? Und so hätte ich es ja nicht erwartet. Aber irgendwo auch faszinierend und das habe ich dann häufiger auch mal gemacht, auch nach der zweiten Schwangerschaft.
Und da fand ich das so faszinierend, dass sich das ja wieder verändert hat. Also, dass sich halt auch eine Yoni wirklich auch in unserem Leben verändert, dass sie nicht gleich bleibt. Also ich war immer der Meinung am Anfang, es sieht da immer aus wie sonst.
Und das tut es aber gar nicht. Also das war halt für mich, ich weiß nicht, ob ich das überhaupt ohne eine Schwangerschaft ausprobiert hätte, weil mich hat das einfach interessiert. Wie sieht da jetzt der Schnitt aus und wie fühlt sich das an?
Und dann habe ich mich überhaupt mal damit auseinandergesetzt, auch nach dem zweiten Kind, bei der Beckenbodenmassage, wie man irgendwo den Sitzhöcker fühlen kann. Also das war eine andere Auseinandersetzung und ich bin sehr dankbar, dass ich die Schwangerschaften hatte.

Würdest du auch sagen, dass sich dein Gefühl, ein sexuelles Wesen zu sein auch dadurch verändert hat?
Also ich habe mich bewusster wahrgenommen.
Was ich sehr spannend fand: Als ich meinen Sohn bekommen hatte, musste ich ihn ja auch wickeln. Am Anfang wusste ich gar nicht so recht, wie ich mit dem kleinen Penis umgehen sollte. Bei meiner Tochter war das irgendwie leichter und wirkte natürlicher. Bei meinem Sohn musste ich das erst noch lernen, als er noch klein war. Und ich hatte auch mehr Scham. Also daran kann ich mich noch erinnern.

Würdest du sagen, dass sich dein orgasmisches Erleben durch die Schwangerschaften und die Geburten verändert hat?
Ja, also bei der ersten Schwangerschaft nicht so sehr. Bei der zweiten Schwangerschaft hatte ich das Gefühl, dass es viel länger gedauert hat, bis ich in der Vagina überhaupt wieder etwas gespürt habe. Ich hatte das Empfinden, dass sich alles viel langsamer zurückgebildet hat. Ich musste erst einmal herausfinden, wie sich das jetzt überhaupt anfühlt. Das fand ich sehr schwierig mit meinem damaligen Partner, weil er das überhaupt nicht verstehen konnte. Das weiß ich noch – das war ein ganz großes Thema, bei dem ich gesagt habe, dass ich länger brauche und erst einmal nachspüren muss. Und das war für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar.
Ja, schade.
Hast du mit jemand anderes über dieses Taubheitsgefühl in deiner Yoni gesprochen?
Ja, ich weiß noch, dass ich bei meiner Frauenärztin war und ich ihr mal sagte, dass sich das ganz anders anfühlt und dass ich an manchen Stellen nicht so viel spüre. Dann nur zu hören: „Das ist ja ganz normal!“ Ich muss mir da keine Gedanken machen. Da dachte ich mir erstmal: na super.
Ich erinnere mich, dass ich damals eine ganze Weile diesen Glaubenssatz hatte: Wenn der Arzt sagt, es ist normal, muss ich mir keine Gedanken machen. Ich kam damals überhaupt nicht auf die Idee, dass es vielleicht an etwas anderem liegen könnte, dass man bestimmte Dinge noch üben oder anders wahrnehmen kann. Diese Erkenntnis kam erst viel später.
Gut, dass du das dann selbst entdeckt hast und deinen Weg zu dir uns auch zu deiner Yoni wieder zurückeroberst hast. Danke fürs Teilen.

Jetzt noch mal eine andere Frage, wenn du Lust hattest in dieser Zeit, also Schwangerschaft, Geburt und eben auch noch danach, wenn du Lust hattest, hattest du dann eher Solo- oder Partner-Sex?
Also nach der Geburt von meinem ersten Kind hatte ich mehr Partner-Sex, nach der Geburt von meinem zweiten Kind mehr Solo-Sex.

Wie wichtig ist dir denn sexuelle Intimität in der Beziehung?
Mit der Geburt des zweiten Kindes fand ich es zum Beispiel unheimlich schwierig, über Sexualität zu sprechen – jedenfalls mit meinem Mann damals. Jedes Gespräch wurde von ihm abgeblockt. Er erklärte mir immer wieder, dass es in seiner Kultur einfach nicht üblich sei, über solche Themen zu reden. Alles sei doch in Ordnung, es funktioniere doch alles, und man müsse nicht darüber sprechen. Ich erinnere mich noch, dass es deswegen tatsächlich immer wieder zu Streit gab, weil er einfach nicht reagierte und sich komplett aus der Situation zurückzog.
Ich habe mich mit anderen Frauen unterhalten, die halt auch in einer binationalen Partnerschaft waren, also vielleicht nicht gerade aus Ghana, aber halt auch aus anderen afrikanischen Ländern. Natürlich klar ich war neugierig, ist das jetzt eine kulturelle Sache oder doch nicht. Wenn ich zehn Frauen gefragt habe, haben mir acht Frauen ähnliches bestätigt, vielleicht unterschiedlich ausgeprägt, aber ähnliches bestätigt. Und ich denke, ich weiß nicht, wie es heutzutage ist, aber damals wirkte er in dieser Hinsicht sehr schambehaftet. Ich glaube, es war eine Mischung: Einerseits gehört es in seiner Kultur vielleicht nicht dazu, darüber zu sprechen – zumindest damals wurde darüber vielleicht nicht viel gesprochen. Andererseits denke ich auch, dass ihn das Ganze einfach überfordert hat.

Und gleichzeitig ist es ja gut, dass du für dich gesorgt hast.
Welche Rolle spielt für dich Selbstliebe und Selbstfürsorge in deinem Leben?
Also seit der Geburt würde ich sagen, am Anfang war die Selbstfürsorge. Ich hatte wirklich die ersten paar Jahre, wo mein Sohn da war, eine fantastische Mutter noch. Die hatte selber vier Kinder bekommen und die hatte einfach so ein liebevollen Zugang.
Also ich hatte immer so das Gefühl, ich war umsorgt und konnte mir auch selber Selbstfürsorge geben, dass das auch in Ordnung war.
Nach meiner zweiten Geburt, wo halt irgendwo auch so eine Familienstruktur weggefallen ist, also so eine gewisse Unterstützung, da kam einfach sehr viel auf einmal: zwei Kinder, Arbeit, manchmal finanzieller Stress – all das zusammen war ziemlich überwältigend. Ich habe irgendwann meine Selbstfürsorge vernachlässigt, fühlte mich sehr ausgelaugt und war fast am Burnout.
Als ich mich dann getrennt hatte und diesen Tantra-Massage-Kurs besucht habe, wurde mir bewusst: Ich will diesen Raubbau an mir selbst nicht mehr zulassen. Über die folgenden drei, vier Jahre habe ich gelernt, wie ich wieder Nein sagen kann, wie ich Grenzen ziehe und wie ich besser mit mir selbst klarkomme. Und das ist nach wie vor ein Prozess.

Es ist ja so, eben dieser Begriff auch wie wichtig ist dir sexuelle Autonomie? Wie lebst du diese in deinem Alltag? Deine Kinder sind ja eigentlich groß, aber trotzdem bist du ja Mutter.
Also mein Sohn ist ausgezogen, da habe ich auch schon ein Enkelkind. Und meine Tochter, die wohnt aber noch bei mir. Die ist 22, die macht gerade eine Ausbildung.
Also seit sie erwachsen ist, also es gab eine Zeit, da fand ich das irgendwie sehr schwierig mit meiner Sexualität. Ich habe einen neuen Sexualpartner. Das war am Anfang sehr schwierig mit ihr, weil sie das Gefühl hatte, da kommt jemand dazu bzw. dazwischen.
Wir wohnen aber beide hier alleine, also ich habe eine Fernbeziehung sozusagen. Und jetzt ist es so, wir haben halt angefangen, wo wir dann beide hier zusammen alleine waren. Wenn ich ihr sage, ich gehe in mein Zimmer, ich möchte ungestört sein, klopfe bitte an, oder ich bin jetzt nicht mehr für dich da, das geht alles.
Das ist heutzutage überhaupt kein Problem mehr. Was ich sehr spannend fand, war, dass irgendwann von ihr auch kam: „Ich gehe jetzt in mein Zimmer, ich möchte nicht gestört werden.“ Da dachte ich erst: Aha, was heißt das jetzt?
Ich fand den Prozess auch spannend, wie gehen wir damit um, wenn wir diesen Wunsch nicht klar formulieren. Jetzt haben wir so ein Ampelmännchen an unserer Tür: Wenn die Tür ein rotes Ampelmännchen zeigt, wissen wir beide, dass wir nicht beim anderen ins Zimmer gehen. Ich fand das schön, dass wir so ein Miteinander gefunden haben.

Ja, cool. Das war auch schon so meine letzte Frage. Gibt es noch etwas, das du gern ergänzen möchtest?
Warte mal, lass mich überlegen. Ich habe ja Kinder, die sozusagen People of Color sind. Als die Kinder kleiner waren, wurden sie sehr häufig einfach angefasst. Ein Beispiel: Wir waren im Urlaub beim Frühstück. Einer ging nach vorne, um etwas zu holen, einer blieb beim Kind. Wir drehten uns um, und ich glaube, permanent hat irgendjemand in die Haare meines Sohnes gefasst. Irgendwann fing er natürlich an zu schreien, und wir fanden das nicht mehr lustig.
Früher habe ich sehr viel Geduld gehabt und gedacht: „Na ja, ist halt ein niedliches Kind.“ Aber heutzutage würde ich sagen, das empfinde ich als völlig übergriffig und würde da anders mit umgehen. Man kann die Kinder fragen, ob sie überhaupt berührt werden möchten, oder zumindest die Eltern um Erlaubnis bitten. Bei beiden Kindern war das früher so: Sie sehen süß aus, die Haare, und dann wurde einfach nicht gefragt. Und selbst heute, wenn ich meinen Kindern zu nahe an die Haare gehe, bekommen sie richtig Stress – sie mögen das nicht.

Konsens ist ein so wichtiges Thema.Gut, dass du das noch angeführt hast.
Ich freue mich, dass du auch mit dabei bist und mir gerade deine Geschichte erzählt hast. Dann vielen, vielen Dank.
Ich danke dir.

Infos zum Orgasmic Parents Buch

Nici & Benjamin

Das ist unser vollständiges Interview mit Nici und Benjamin zu den Auszügen, die du im Orgasmic Parents Buch finden kannst.
Nici

Alter: 36

Anzahl und Alter Kinder (inkl. Sternenkinder): 1 Kind: 3 Jahre
Das war meine erste Schwangerschaft, meine einzige und wird wahrscheinlich auch meine letzte bleiben.

Beziehungsstatus (während Schwangerschaft / jetzt):
Da waren wir zusammen und sogar auch verheiratet. Obwohl das eigentlich gar nicht so wichtig ist. Wir sind halt verheiratet, aber vor allem sind wir zusammen.
Und wart ihr da in einer monogamen Beziehung oder wie ist so euer Beziehungsstatus?
Also zu dem Zeitpunkt, wo wir unser Kind gezeugt haben und ich schwanger war, waren wir auf jeden Fall in einer monogamen Beziehung. In den letzten Jahren hat sich das aber bei uns verändert, weil mein Partner bisexuell ist – und dadurch funktioniert Monogamie einfach nicht mehr so richtig, weil ich ihm sonst einen großen Teil seines Bedürfnisses absprechen würde.
Schon bevor wir unser Kind bekommen haben, gab es immer wieder Phasen, in denen wir auf der Suche waren, was eigentlich unsere Form von Beziehung ist. Und ich glaube, mittlerweile sind wir bei etwas angekommen, wo wir sagen würden: soziale Monogamie – also wir beide sind der Kern der Sache. Aber was das Sexuelle betrifft, da sind wir offen. Jeder darf das ausleben, was er möchte.
Der praktische Umsetzungsgrad ist aber gerade wieder eher sehr monogam. Wir sind im Moment einfach in einer geschlossenen Phase, weil wir uns gerade nochmal suchen, finden, stabilisieren – und dann eben auch wieder öffnen wollen.

Wie war eure Wohnsituation? Also vor allem, gab es genug Raum? Ihr zieht ja jetzt um. Wie war es zur Schwangerschaft?
Mein Partner und ich haben eigentlich immer, und das hat uns auch richtig gutgetan, in einem WG-Modell gewohnt. Also: jeder hatte ein eigenes Zimmer für sich. Wir haben eine Zwei-Zimmer-Wohnung, und als unser Kind kam, hat sich das dann verändert – da sind wir zu-sammen in das große Zimmer gezogen.
Ob das genug Raum war? Ich glaube, am Anfang ist das gar nicht so wichtig, weil ja eh immer einer beim Kind ist. So konnte sich der andere in den zweiten Raum zurückziehen. Aber in den letzten anderthalb bis zwei Jahren hat sich ziemlich klar gezeigt: Wir brauchen eigentlich drei Türen – also jeder braucht einen Raum, den er hinter sich zumachen kann.
Das ist jetzt wieder der Fall, und das ist für uns total wichtig – gerade für unsere Beziehung und deren Gelingen. Mein Partner hat ein großes Bedürfnis nach Autonomie, ich nicht ganz so sehr, aber auch ich brauche definitiv auch meine Rückzugsräume.
Wir hatten zum Glück auch immer noch den Garten, das war so ein Ausweichort – unser dritter Raum quasi. Aber das ging natürlich nicht immer. Deshalb: Jeder einen eigenen Raum zu haben, ist bei uns eine ganz wichtige Grundlage – für alles. Auch einfach für die generelle Grundstimmung.

Wie war eure Arbeitssituation während der Schwangerschaft?
Ich war damals Lehrerin – und weil das noch in der Corona-Zeit lag, bin ich ins Präsenzverbot gekommen. Das hieß: Ich durfte keine Schüler*innen mehr sehen, habe von zu Hause aus gearbeitet und Materialien zur Verfügung gestellt. Das war für mich eigentlich total entspannt, weil da, glaube ich, schon die ersten Vorboten kamen, dass das mit dem Lehrerinnen-Dasein für mich nicht mehr so richtig passt – dass es viele Dinge gibt, die nicht mit meinen Werten konform gehen.
Insofern war die Schwangerschaft für mich eigentlich eine total schöne Zeit. Bis auf das erste Trimester – das war richtig schlimm für mich. Ich hab’s zu dem Zeitpunkt in der Schule bzw. auf der Arbeit noch nicht gesagt, und mir ging’s richtig schlecht.
Aber ab dem Moment, wo ich es kommuniziert habe, wo klar war: Ich bin schwanger – und dann auch direkt rausgekommen bin aus dem Schulalltag – ab da ging es mir schlagartig wunderbar.
Ich war dann abgesichert und habe zwei Jahre Elternzeit genommen. Mein Partner hat auch versucht, so viel wie möglich von dieser Elternzeit mitzunehmen. Weil er selbstständig ist, konnten wir die ersten anderthalb Jahre eigentlich fast komplett gemeinsam machen.
Klar, zwischendurch hat er mal ein Projekt gemacht – er arbeitet im Theater oder hat zumindest damals Theater gemacht – dann war er mal für ein paar Tage oder eine Woche auf Gastspiel. Und bei einer großen Produktion war er auch mal einen Monat weg. Aber insgesamt haben wir die Elternzeit wirklich viel gemeinsam verbracht.

Wolltest du schon immer Kinder haben und Mutter sein? Was hattest du dazu für Vorstellungen?
Also ja, ich wollte auf jeden Fall Mutter sein. Ich komme aus einer… früher hätte ich gesagt: aus einer harmonischen Takatuka-Familie. Heute weiß ich, dass da nicht alles immer fein war.
Aber ich wollte eigentlich immer Mutter sein, wollte immer Kinder haben – mein Partner auch. Da haben wir uns wirklich immer getroffen. Das war bei uns nie ein Diskussionsthema. Die einzige Frage war eigentlich immer nur: Wann?
Und da waren wir beide sehr ähnlich. Wir waren immer so: “Ach, lass vorher noch das machen – und das machen – und dahin reisen – und das ausprobieren…” Und deswegen wurde es dann einfach ein bisschen später.
Was die Vorstellungen dazu angeht: Ich glaube, die waren definitiv nicht realistisch. Rückblickend würde ich sagen, mir haben in meinem Freundeskreis total die Leute gefehlt, die so eine realistische Vorstellung von Elternschaft vermitteln konnten.
Wir waren die ersten im Freundeskreis, die ein Kind bekommen haben – das heißt, wir hatten einfach keine Referenzwerte. Und das ist schon schwierig. Das letzte Baby in meiner Familie – da, wo ich herkomme – war zu dem Zeitpunkt auch irgendwie schon zwölf oder so. Das heißt, ich habe auch aus meiner Familie nicht wirklich Erfahrungen mit Kleinkindern mitgebracht.
Klar, man hört immer so dies und das, es gibt so viel Hörensagen. Aber wenn es um konkrete Vorstellungen geht: Ja, ich hatte welche – aber die hatten nichts mit der Realität zu tun.
Was war denn die Vorstellung?
Ach, ich dachte schon, dass es auf jeden Fall auch anstrengend sein kann – aber dass man das irgendwie wuppt. Ich hatte da so ein bisschen diese Haltung: Ja klar, wird herausfordernd, aber das kriege ich schon hin.
Und ich bin ja Pädagogin – Ich hatte meine ganz klaren Pläne, wie ich das mit der Erziehung machen will, wie das so laufen soll. Also wirklich so: Das und das sind meine Werte, so und so wird das dann ablaufen.
Und der Clash mit der Realität? Ja, das war auf jeden Fall eine… lustige Erfahrung – eine herausfordernde Erfahrung.

War das bei dir so ein „Ich will auf jeden Fall ein Kind“-Gedanke? Du hast ja vorhin gesagt, das ist dein erstes und wahrscheinlich auch dein letztes Kind. Gab es da früher ein anderes Bild?
Ja, das hat sich auf jeden Fall verändert. Ich wollte eigentlich schon immer zwei Kinder. Also ich hatte zumindest den Wunsch, dass das eine Kind ein Geschwisterchen bekommt.
Aber die Erfahrung des Kindkriegens, das Wochenbett, die Jahre danach – und auch einfach eine realistische Betrachtung davon, wie wir so leben und was wir uns leisten können – das alles hat dazu geführt, dass wir jetzt, also ich, aber auch mein Partner, wirklich in Frieden da-mit sind, dass es bei einem Kind bleibt.
Wir haben beide gesagt: Ja, es wäre schön gewesen. Aber es ist auch völlig in Ordnung so. Und eins ist auch ganz toll. Das, was wir haben – unser Kind – ist einfach super. Und es reicht.
Ich glaube, mein Partner hätte sogar gerne mehr Kinder gehabt. Er kommt aus einer großen Familie mit vier Kindern. Aber da hab ich irgendwann gesagt: Nee, das ist mir zu viel. Jetzt fühlt es sich richtig an, so wie es ist.

Und war das Kind dann ein Wunschkind und geplant?
Ja, das war ein Wunschkind und geplant – aber es war tatsächlich gar nicht so einfach. Wir haben auch eine ganze Weile auf unser Kind gewartet. Und das war definitiv, auch wenn man jetzt mal den Bogen zum Thema Sexualität spannt, ein ziemlich großer Einschnitt für mich – an ganz vielen Stellen.
Ich habe lange die Pille genommen, die dann irgendwann abgesetzt – und das Gefühl gehabt, das hat so alles auf den Kopf gestellt. Also wirklich so: Kein Stein stand mehr auf dem anderen. Natürlich ist das jetzt nicht wissenschaftlich belegt, man weiß es nicht genau – aber für mich hat es sich einfach so angefühlt.
Es hat dann ein Jahr lang auf natürlichem Wege nicht geklappt. Und bei mir wurde schließlich festgestellt, dass ich PCO habe – also das polyzystische Ovarialsyndrom. Bei mir war das nicht besonders stark ausgeprägt, aber eben doch so, dass es erstmal nicht gereicht hat, um schwanger zu werden.
Dann sind wir in eine Kinderwunschbehandlung gegangen. Und es ging eigentlich dann relativ schnell – ich musste nur eine Hormon-Tablette nehmen, die den Hormonspiegel einmal künstlich absenkt, damit der Körper den dann wieder selbst hochreguliert. Und damit hat es dann auch super funktioniert.
Aber die ganze Art und Weise, wie das alles ablief – auch, wie mit mir gesprochen wurde – das hat mich sehr getroffen. Dass einem da gesagt wird: “Ja, da ist jetzt keine Eizelle”, oder: “Sie sind nicht produktiv” – das hat mich total aus der Bahn geworfen. Ich habe mich als Frau irgendwie nicht mehr funktional gefühlt.
Ein ganz zentraler Punkt meines Selbstverständnisses – dieses: Ich bin eine Frau, ich kann Leben in mir tragen, ich bin schöpferisch – der ist mir da richtig weggebrochen. Das hat mir damals echt den Boden unter den Füßen weggezogen.
Und gleichzeitig war genau das dann auch das, was ich in der Schwangerschaft so stark gespürt habe – diese Kraft, dieses Weiblichsein im ganz ursprünglichen Sinn. Die Schwangerschaft war für mich die schönste Zeit überhaupt.
Aber dass es eben nicht einfach so ging – dass der Körper da nicht “einfach funktioniert” hat – das war auf jeden Fall ein krasser Punkt.
Aber es könnte schon sein, dass das durch die Pille entstanden ist, oder?
Genau, das weiß man halt nicht. Es kann genetisch veranlagt sein – es gibt da verschiedene Theorien. Manche sagen, es wird vererbt. Und es gibt sogar Evolutionsbiologen, die behaupten, das mache evolutiv gesehen total Sinn: Dass Frauen irgendwann PCO entwickeln, um eben nicht 13 Kinder zu bekommen und dann nach dem 13. zu sterben – weil man ja durch PCO irgendwann unfruchtbar wird. Also, dass das vielleicht sogar eine Art natürlicher Schutzmechanismus ist.
Dann gibt es aber auch Theorien, die sagen, dass das durch das langjährige Pillenehmen begünstigt wird. Ich hab die, glaub ich, 12 oder 13 Jahre genommen – und da werden die Follikel ja ständig zurückgehalten. Bei manchen sammeln die sich dann einfach an, und das kann dann so ein PCO-Bild ergeben.
Bei mir sind die Follikel zum Beispiel inzwischen auch alle wieder weg. Aber man kann eben nicht sagen, ob das jetzt daran liegt, dass ich meine Ernährung und meine Lebensweise umgestellt habe – oder weil ich die Pille nicht mehr nehme.
Nichts Genaues weiß man nicht. Die Forschung ist da auch noch nicht so richtig weit.

Du hast schon gesagt, die Schwangerschaft selbst war für dich total schön. Wie hast du dich in dieser Zeit gefühlt – so in Bezug auf Frausein, Lebendigkeit, sexy sein? Magst du da noch ein bisschen mehr erzählen?
Ja, auf jeden Fall. Nachdem die ersten Wochen mit dieser fürchterlichen Übelkeit vorbei waren, habe ich mich in meinem Körper noch nie so wohl gefühlt. Ich war zufrieden, im Einklang mit mir. Natürlich hatte ich die üblichen Schwangerschaftsbeschwerden, aber die haben mich gar nicht ge-stört. Ich war viel aktiv, habe mich bewegt – am Tag der Geburt stand ich noch im Garten und habe Erbsensamen in die Erde gesteckt. Ich habe mich richtig in meiner Schöpferkraft gefühlt.
Vorher habe ich oft mit meinem Körper gehadert. In der Schwangerschaft hat das keine Rolle mehr gespielt. Das war ein super Zustand.

Und wie war dein sexuelles Verlangen in den verschiedenen Phasen der Schwangerschaft?
Im ersten Trimester – tote Hose. Da ging gar nichts, wegen der Übelkeit. Aber im zweiten und drit-ten Trimester hatte ich total Lust. Ich war voller Energie, hatte total Bock.
Das war bei meinem Partner anders. Er hat irgendwann Bedenken bekommen, sich Sorgen gemacht. So diese typische Dynamik: Ich wollte, ich habe Lust gehabt, habe gezogen. Und er war so: Ach ja, ich weiß und ich möchte irgendwie auch, aber irgendwie geht das gerade nicht.

Würdest du sagen, du hattest in diesen Phasen sogar mehr Lust als vorher?
Ja, ich würde sagen: bei mir korreliert das halt total. Wenn ich mich mit mir und meinem Körper gut fühle, dann bin ich auch ein lustvoller, genussvoller Mensch. Also kann man das schon auf die gleiche Ebene setzen mit Phasen in meinem Leben, wo das genau so war – auf jeden Fall.
Wenn man es jetzt mit der Kinderwunschphase vergleicht, dann auf jeden Fall eine tausendprozentige Steigerung. Weil da war Sex einfach immer so ergebnisorientiert. Ich hatte ja immer ein Ziel vorher, irgendwie. Und es war natürlich auch durch dieses Pilleabsetzen und dieses Gefühl, ich kann nicht schwanger werden, ich habe mich da so als Mängelwesen betrachtet.
Das hat natürlich nicht dazu geführt, dass ich mich total sexy gefühlt habe. Sondern eher so immer über mir gekreist bin und diese Situation beobachtet habe und gemerkt habe, dass das einfach alles für mich gar nicht mehr stimmt.
Das war auf jeden Fall eine schwere Phase und die Schwangerschaft war da im Vergleich eine total tolle Phase.

Du hast schon ein bisschen erzählt, dass dein Partner auch Bedenken bezüglich Sex während der Schwangerschaft hatte. Hattest du irgendwelche Bedenken oder waren da besondere Hausherausforderungen in der Schwangerschaft für dich?
Nö. Da bin ich ganz dankbar. Da bin ich Biologie-Lehrerin und weiß genug. Also da hilft mir dieses Wissen, dass da nichts passieren kann. Und das Einzige, was die Schwierigkeit war, war ja dann irgendwann vielleicht doch, dass ich jetzt nicht mehr einen Spagat machen konnte oder so. Also wenn da bestimmte Sachen dann einfach nicht mehr gingen. Aber da gibt es ja kreative Lösungen.

Hattet ihr beide oder du für dich eine kreative Lieblingslösung?
Tatsächlich, ich glaube, im Geburtsvorbereitungskurs.
Das war ganz witzig. Das war so ein Online-Kurs, weil ja auch Corona war. Da sollten wir so eine Kreuzbein-Massage machen.
Da sitze ich so auf allen Vieren auf so einem Sitzpouf. Und mein Partner hat so hinter meinem Po mein Kreuzbein massiert. Und das hat sich dann herausgestellt, dass es definitiv für alle die schönste und entspannteste Position war.
Da haben wir dann einfach kurz die Kamera von unserem Geburtsvorbereitungskurs ausgemacht.

Wie hat denn dein Partner sonst noch auf die Veränderung deiner Sexualität während der Schwangerschaft reagiert?
Ich glaube, überwiegend war das total schön. Ich kann mich noch daran erinnern, dass er mich einfach wahnsinnig oft angeguckt hat und gesagt hat: „Du siehst gerade so toll aus. Du strahlst da gerade so tolle Energie aus.“ Das ist auch etwas, was ihn sowieso total anzieht, wenn so jemand einfach so strahlt. Er hat das genossen. Ich habe das zumindest immer so empfunden.
Auch in den Momenten, wo er gesagt hat, es ist für ihn komisch mit mir sexuell zu sein, fand ich das eigentlich meistens nur frustrierend. Ich verstehe, dass da in seinem Kopf einfach diese Angst ist. Die ist halt einfach da.

Du bist Biologielehrerin, aber gab es trotzdem mit deinem Arzt oder deiner Hebamme Gespräche während der Schwangerschaft über deine Sexualität? Gab es irgendwie Ratschläge?
Nö. Der einzige Ratschlag war so gegen Ende der Schwangerschaft, dieser Tipp: Wenn ihr wollt, dass die Wehen dann langsam mal anfangen, gibt es die Möglichkeit, dass ihr Sex habt.
Und dass die Prostaglandine, glaube ich, im Sperma das ein bisschen fördern können. Was wir auch gemacht haben, hat auch geklappt.

Und die Geburt selbst? Wie hast du die für dich so empfunden?
Du hast ja schon von der Schöpferkraft gesprochen. Konntest du die da besonders stark wahrnehmen?
Die Geburt war super.
Also ich hatte vorher auf jeden Fall richtig Schiss. Das weiß ich noch. Man kriegt ja dann immer diese apokalyptischen Reitereltern, die dir diese ganzen Horrorgeschichten erzählen. Und eigentlich sind die ja gar nicht für dich gedacht – die verarbeiten da ja ihre eigenen Traumata. Aber es gab schon eine Phase, wo ich echt ein bisschen Angst hatte.
Und dann bin ich durch so einen Punkt gegangen, wo ich gesagt habe: okay, ich kriege das hin. Mein Körper weiß, wie das geht. Das ist Jahrtausende, Jahrhunderttausende lang passiert, ohne Krankenhäuser und ohne das ganze Gedöns. Klar, manchmal geht etwas schief, aber dafür gibt es ja jetzt Hebammen.
Wir waren auch im Geburtshaus, weil ich das unbedingt wollte. Für mich war klar: ich brauche einen Ort, an dem ich mich wohlfühle und dann dadurch auch sicher.
Und ich war selber überrascht von mir. Normalerweise bin ich ein total verkopfter Mensch. Ich muss alles vorher durchdenken, lesen, informiert sein. Aber die Geburt war ein Erlebnis, bei dem ich plötzlich einfach die Kontrolle abgeben konnte. An mich selbst, komischerweise. Ich habe irgendwie gesagt: okay, da ist in mir etwas, das weiß, wie es geht. Ich lasse das jetzt einfach machen. Ich höre auf das, was mein Körper mir sagt, und folge dem.
Und genau deswegen war es ein total cooles Erlebnis. Ich dachte danach: ich habe es geschafft. Ich habe es hingekriegt. Ich war richtig stolz auf mich.
Es ging auch für eine Erstgeburt relativ schnell. Wir mussten zweimal zu der Hebamme sagen: „Du musst jetzt wirklich kommen, mach dich mal auf den Weg.“ Und sie meinte noch: „Nehmt euch Zeit, ich gehe kurz raus.“ Dann bin ich einmal kurz in die Badewanne gegangen – und sofort wieder raus, weil ich gemerkt habe: nee, das ist nicht mehr der richtige Ort.
Und dann ging alles recht fix. Ich habe es als sehr empowernd empfunden. Genau diese Schöpferkraft, die habe ich da gespürt.
Ja, voll schön.

Und dann nach der Geburt, hat sich deine Beziehung zu deinem Partner geändert? Und da eben insbesondere in Bezug auf Intimität und Sexualität?
Ja, auf jeden Fall. Also da fing ja erst mal der Wahnsinn mit dem Wochenbett an. Und das war bei uns definitiv die nicht so schöne Phase. Das war richtig schwierig.
Wir hatten auch nicht wirklich Vergleichsmöglichkeiten, weil wir keine Freunde hatten, bei denen wir uns mal Rat holen konnten. Wir hatten zwar unsere Hebamme, die immer kam, aber trotzdem. Es gab einfach relativ viele Schwierigkeiten mit dem Stillen. Und das hat diese ersten drei Monate, diese zwölf Wochen, so geprägt, dass es wirklich ein Ausnahmezustand war. An Sexualität war da überhaupt nicht zu denken.
Ich hatte zwar nur einen leichten Dammriss, ersten Grades, der super verheilt ist. Also körperlich war es eigentlich gar nicht unbedingt das, was im Weg stand. Sondern es war wirklich dieser Wahnsinn, diese permanente Unsicherheit: kriegt das Kind genug? Ist es zu wenig Milch, ist es genug Milch? All diese Fragen.
Wir haben uns da echt durchgekämpft. Und deswegen war in dieser Zeit Sexualität überhaupt kein Thema.

Das hört sich trotzdem so an, dass es eine andere Art von Intimität ist – die ihr dann als Paar mit dieser Herausforderung der Unsicherheit und der Frage „Wie geht es weiter?“ erlebt habt.
Ja, man ist ja irgendwie mit dem Partner so Leidensgenosse. Das verbindet ja auch- diese Zweifel, diese Sorgen. Es gab auf jeden Fall Momente, gerade in diesem Baby-Blues, wo es mir psychisch nicht mehr so gut ging. Mit dem Schlafmangel und allem wurde es für mich echt schwierig. Und da wurde es definitiv auch für unsere Beziehung schwierig. Mein Partner hat immer versucht, das für mich mitzuhalten. Aber ich glaube, das ging ihm auch ganz schön an die Substanz.
Und trotzdem, wenn das gerade nicht so war, dann war es einfach fein. Muckelig. Nah.

Hattest du das Gefühl, dass der Alltag mit dem Baby deine Lust auf Sex beeinflusst hat? Und wenn ja, wie?
Und kannst du dich erinnern, wie es dann so war nach den ersten drei Monaten, von denen du jetzt schon erzählt hast?
Also als sich alles so ein bisschen eingeruckelt hatte, kam die Lust wieder. Die kam bei uns beiden so schlagartig wieder. Das ist mir neulich eingefallen, als ich darüber nachgedacht habe.
Da gab es diesen Termin bei meiner Gynäkologin, wo ich gesagt habe, ich würde gerne mal ein nicht-hormonelles Verhütungsmittel ausprobieren. Dann haben wir uns für die Kupferspirale entschieden. Und ich weiß noch, wie wir gesagt haben: „Okay, wir warten mit dem Sex bis zu dem Termin, wo die Spirale gesetzt ist.“
Und dann haben wir uns auch beide total darauf gefreut. Aber wir haben es dann natürlich nicht ausgehalten – es passierte vorher schon. Also da gab es so eine Phase, wo diese Talsohle des Wochenbettes durchschritten war, wo es ein bisschen besser wurde, wieder Licht am Horizont war. Und da hatten wir tatsächlich einen richtigen Aufschwung, wo die Lust auf jeden Fall wiederkam. Einfach, weil es wieder Raum dafür gab.
Aber klar, das ist natürlich nicht so geblieben. Der Alltag mit wenig Schlaf, die ständige Verantwortung für dieses kleine Wesen, die Bedürfnisse, die einen so sehr vereinnahmen – das macht schon was. Und natürlich sagt man immer, man soll auch auf die eigenen Bedürfnisse achten, weil: Happy Mama, Happy Kind oder Happy Papa, Happy Kind. Aber das ist ja gar nicht so einfach.
Und dann noch dieser Wechsel: von Mutter, die stillt und versorgt, hin zu ich als sexuelles Wesen mit eigenen Bedürfnissen. Das braucht Zeit. Das ist nicht unmöglich, beides zu leben, aber es braucht eben Raum und Ruhe. Und die hat man mit so einem kleinen Kind halt selten.
Aber wenn wir sie hatten … Wir haben uns dann manchmal einfach gesagt: „Wir legen uns nackt nebeneinander ins Bett und gucken, was passiert.“ Ohne gleich zu sagen, wir treffen uns jetzt, um Sex zu haben. Sondern wirklich nur: wir sind da, spüren den Körper des anderen. Und das hat meistens schon gereicht. Das hat diesen Wechsel ermöglicht – von Elternteil zurück zu mir selbst mit meinen Bedürfnissen.
Und daraus konnte dann Intimität entstehen. Das hieß nicht immer Sex.

Ja, eine gute Möglichkeit für viele – und für euch auch –, da mehr Intimität und einen Raum für Sexualität zu schaffen. Gibt es Zeiten, in denen du dich jetzt als besonders sexy oder attraktiv empfindest? Trotz oder gerade wegen der Veränderung durch Schwangerschaft und Geburt?
Ja, auf jeden Fall. Ich hatte letztes Jahr ein hartes Jahr.
Ich habe ein Burnout gekriegt, weil die Arbeit – gemeinsam mit dem, wie ich gerne für mein Kind da sein will und dem, was ich ja auch gerne für mich privat noch machen möchte – einfach alles zu viel war. Vor allem mit der Arbeit hat so viel nicht mehr gestimmt. Und dann bin ich ganz schön zusammengebröselt und habe mich da wieder rausgekämpft.
Und ich weiß, dass ich da irgendwann an so einem Punkt angekommen war, wo ich so dachte: Ja, ich bin stark. Da ist so ein Selbstbewusstsein daraus entstanden, dieses Gefühl: Ich habe ein Kind auf die Welt gebracht, ich versorge es, ich sorge dafür, dass es ihm gut geht, dass es sich gut entwickelt – und ich bin eine Mama. Nicht so im Sinne von „Mutti“, sondern eher wirklich so: Nee, ich bin eine Mama.
Und dieses Selbstbewusstsein, diese gefühlte Kraft, das führt bei mir dann auch dazu, dass ich so eine sexy Ausstrahlung bekomme. Da bin ich dann auch ganz bei mir.

Ja, das hört sich schön an. Wie empfindest du deinen Körper jetzt im Vergleich zu der Zeit vor der Schwangerschaft?
Tatsächlich habe ich in der Schwangerschaft ziemlich viel abgenommen – vor allem durch das erste Trimester, und auch in der Zeit nach der Geburt relativ stark. Das war schon fast zu viel. Ich weiß noch, meine beste Freundin stand vor mir und meinte: „Das geht so nicht“, weil ich auf einmal so dünne Beine hatte.
Ich war ja auch in der Schwangerschaft sehr aktiv. Meine Hebamme meinte irgendwann: „Du musst jetzt mal einen Gang runterfahren, sonst frisst das Kind dich auf.“ Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dieser Gewichtsverlust nicht auch dazu geführt hat, dass ich mich ein bisschen attraktiver finde.
Die Dehnungsstreifen oder die Stelle am Bauch – das stört mich gar nicht. Also optisch bin ich nach der Schwangerschaft und jetzt mit der Mutterschaft eigentlich zufriedener mit mir als vorher. Ich glaube, das liegt auch daran, dass psychisch in den letzten Jahren viel passiert ist, dass ich mich ein Stück weit mehr gefunden habe.
Und das hat auf jeden Fall … ich weiß nicht, ob ich diesen Weg, den ich jetzt so gegangen bin, auch ohne das Mutterwerden so gegangen wäre. Ich denke, nicht nur das Mutterwerden, aber ich glaube, es war ein ganz wichtiger Katalysator. Es hat das Ganze beschleunigt.
Wahrscheinlich wäre ich den Weg auch ohne ein Kind irgendwann gegangen – zwangsläufig. Aber durch dieses Kind stellt man sich an so vielen Stellen die Frage: Wer bin ich? Was ist wichtig? Und dadurch bin ich jetzt an einem Punkt angekommen, wo ich sagen kann: Ich bin eigentlich sehr zufrieden mit mir gerade.

Ah, wie berührend. Und deine Brust hat sich sicherlich auch verändert – auch in der Größe. Wie war das denn für dich?
Ja, das war bei mir gar nicht so viel. Also ich habe gar nicht so viel größere Brüste in der Schwangerschaft und Stillzeit gehabt. Und jetzt so … ja, okay, man könnte sagen, es ist alles ein bisschen schlaffer, es könnte straffer sein. Aber die meiste Zeit fällt es mir gar nicht auf.
Ich glaube, ich habe insgesamt nicht so eine große Veränderung der Brust gehabt in der Stillzeit. Ich habe eine Freundin, die sagt jetzt nach ihrem Stillen, sie hätte nur noch „leere Tüten“. Und das Gefühl habe ich bei meinen Brüsten zum Glück nicht. Die sind noch eher volle Tüten.

Und wenn wir jetzt gerade bei den Brüsten sind – hattest du das Gefühl, dass sich vielleicht auch die Empfindsamkeit verändert hat? Und ist da irgendwas geblieben? Also im Vergleich vor der Schwangerschaft, während der Schwangerschaft und dann eben auch durch das Stillen?
Also auf jeden Fall. Die Empfindsamkeit hat sich definitiv verändert. Ich hatte in der Stillzeit wirklich riesengroße Löcher in meinen Nippeln, also richtige Wunden. Damit verbinde ich bis heute eher Schmerz.
Als es dann irgendwann lief, war es okay. Aber jetzt habe ich eher das Gefühl, dass da weniger Empfindung ist. Wenn ich mich frage, welche Berührung meine Brust oder vor allem meine Nippel brauchen, dann merke ich: Es muss intensiver sein, damit ich es überhaupt richtig spüre und genießen kann.
Ich glaube, das war vor der Schwangerschaft und vor der Stillzeit anders. Heute sehe ich auch noch die Narben, die da geblieben sind. Die sind okay, ich komme damit klar – aber sie erinnern mich eben auch daran.

Also gibt es da eine Veränderung, wenn es um deine Brüste als erogene Zone geht?
Ja, auf jeden Fall. Meine Brüste sind für mich jetzt nicht mehr automatisch so eine erogene Zone wie früher. Vor allem die Nippel – da hat sich durch die unangenehme Erfahrung beim Stillen wirklich etwas verändert. Der Rest der Brust ist eigentlich wie vorher, da genieße ich bestimmte Berührungen immer noch sehr.
Aber die Nippel haben heute eine ganz andere Empfindungsqualität als früher. In der Schwangerschaft fand ich sie zum Beispiel wahnsinnig schön, die haben mir richtig gut gefallen – die hätte ich mega gern behalten. Aber ja, die sind leider nicht geblieben.
Ich nehme an, dass das auch mit dem Narbengewebe zusammenhängt, dass sich dadurch das Empfinden verändert hat. Und ich glaube, da spielt auch die psychologische Komponente mit hinein – weil diese lange, schmerzhafte Phase in der Stillzeit einfach nachwirkt. Vielleicht blockiert das noch ein Stück.
Aber ich habe meinen Weg damit gefunden. Heute ist es so: Meine Nippel brauchen einfach intensivere, festere Berührung, damit ich das genießen kann.

Habt ihr denn so Rituale gehabt? Also du hattest schon besondere Momente beschrieben, wo ihr euch einfach nackt hingelegt habt. Gab es noch weitere Rituale, um Intimität bewusst zu pflegen?
Wir haben uns das immer viel vorgenommen, aber tatsächlich nicht so umgesetzt. Ich habe mir das sehr gewünscht, weil ich gesehen habe: ich sehe diese spontane Sexualität einfach gerade.
Wenn wir uns auf die verlassen, dann sehe ich da sehr viel weniger als vorher.
Deshalb habe ich angefangen, mich mehr mit meinem Körper auseinanderzusetzen. Ich wollte verstehen, wie Sexualität in der Elternschaft überhaupt funktionieren kann. Ich habe dazu recher-chiert und versucht, mehr über meinen Körper zu lernen, als ich bis dahin wusste. Das war für mich ein wichtiger Schritt, um bewusster mit dem Thema umzugehen.
Und es gab noch was besonders, weil mein Partner, als unser Kind so acht, neun Monate alt war, in eine Depression gerutscht ist. Und so eine Depression macht natürlich etwas mit der Körperlichkeit und auch mit der Sexualität. Und auch, dass bei meinem Partner, glaube ich, diese Auseinandersetzung mit seiner eigenen Sexualität dazu geführt hat, dass da einfach auch in unserer Sexualität so ein bisschen Blockade drin war.
Das hat irgendwann so eine doofe Dynamik bekommen: Ich habe immer gezogen, gesagt „Ich möchte gerne, lass uns doch, können wir nicht?“ – und er hat meistens „nein“ gesagt. Das war schwierig für uns beide.
Heute wären wir, glaube ich, an einem Punkt, wo wir sagen würden: Wir planen das. Wir setzen uns ein Mindestmaß, und alles, was darüber hinausgeht, ist einfach ein Bonus. Und wir haben auch festgestellt, dass es wichtig war herauszufinden, wer von uns wann gerne Sex hat. Mein Partner ist abends oft zu müde – ich könnte da noch, aber er eben nicht.
Wir mussten uns bewusst andere Zeiten suchen, wo wir uns wirklich treffen und finden können. Und was für uns beide total wichtig ist: ein Raum, der nicht unsere Wohnung ist. Deswegen war unser Garten immer ganz toll – da war kein Geschirr, keine Wäsche, die einen anschaut. Einfach ein Ort, wo man mal raus ist.
Und das hat meistens wirklich gut funktioniert. Also dieses bewusste Verabreden und extra Räume schaffen, das ist für uns entscheidend. Das sind die Momente, in denen es dann auch wirklich läuft.

Und jetzt so eine große Frage: Was ist eigentlich Sexualität für dich? Und hat sich das durch euer Kind verändert?
Boah, das ist wirklich eine große Frage. Was Sexualität für mich ist. Ein großer Komplex.
Also auf jeden Fall hat es sich verändert, was Sexualität für mich ist. So mein ganzes Frausein hat sich ja verändert, also hat sich auch meine Sexualität verändert. Und ich habe mich verändert. Sex ist für mich jetzt was, was einfach irgendwie überall mit drin ist in mir.
Das ist so ein ganz großer Bestandteil von mir. Sexualität war mir immer super wichtig. Ich hatte schon immer ganz viel Neugier und immer dieses Gefühl: da gibt’s doch noch mehr. Da ist noch was.
Für mich hat Sexualität immer diese forschende Dimension – zu entdecken, welche Empfindungen mein Körper haben kann, Lust und Genuss zu erforschen. Zu gucken: Was ist das? Was kann das? Finde ich das gut? Wenn nicht, lasse ich es. Das ist für mich Sexualität.
Und das hat sich mit meiner Mutterrolle auf jeden Fall verändert. Weil ich mich mit dem Mutter-werden – oder vielleicht auch parallel dazu, das lässt sich gar nicht so trennen – als Person verändert habe. Auch in der Art, wie ich auf Menschen zugehe, wie ich Beziehungen sehe.

Und würdest du sagen, dass sich auch dein Umgang mit deinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen in der Sexualität verändert hat?
Ja, absolut. Ich war früher eher so jemand, der eine gute Gastgeberin ist – ich konnte mich gut auf Menschen einstellen, wusste, was sie brauchen. Und genauso habe ich auch Sex genossen. Ich habe es wirklich schön und erregend gefunden, für den anderen zu sorgen.
Heute bin ich an einem ganz anderen Punkt. Ich bin viel selbstbewusster mit meinen eigenen Wünschen – damit, was ich möchte und wie ich das auch bekomme. Ich habe keine Angst mehr, dass ich dafür abgelehnt werde. Sondern ich sage klar: „Das finde ich gut, möchtest du das auch?“ Und wenn jemand sagt „nein“, dann ist das auch okay. Dann sucht man sich eben einen Menschen, der sagt: „Ja, ich finde das auch richtig super, lass uns das mal machen.“
Gerade in der Zeit, in der wir getrennt waren, habe ich da wirklich Glück gehabt. Ich bin an Menschen geraten, mit denen ich tolle Erlebnisse hatte, die meinen Horizont geöffnet haben. Das hat mir gezeigt: Ich darf mir nehmen, was ich will. Ich darf mir wünschen, was ich will. Ich darf es auch vollkommen okay finden, dass ich gerne diene – und gleichzeitig darf ich auch diejenige sein, die jemanden kommandiert. Beides darf nebeneinander existieren, ich muss mich nicht entscheiden.
Das hat meine Sexualität insgesamt zu einer viel selbstbewussteren gemacht. Und ich glaube, das Muttersein hat dazu sehr viel beigetragen – weil es nochmal alles in eine andere Perspektive rückt.

Ja, das hast du eigentlich schon ein bisschen erzählt. Die Frage ist zwar ähnlich, aber vielleicht gibt es noch eine Nuance dazu: Hast du das Gefühl, dass sich dein sexuelles Wesen durch die Mutterschaft verändert hat? Wenn du den Begriff „sexuelles Wesen“ hörst – gibt es da noch etwas, das du ergänzen möchtest?
Es ist auf jeden Fall diese Dimension, die ich meine … ich kann es gar nicht so exakt beschreiben, was es ist. Aber es hat viel mit dieser Schöpferkraft zu tun, die ich besonders in der Schwangerschaft gespürt habe.
Meine Beziehung zu meinem Frausein hat sich einfach verändert und das hat so etwas Starkes, Geerdetes bekommen, gerade durch die Mutterschaft einfach.

Und hat sich eben auch dein orgasmisches Erleben verändert durch die Schwangerschaft und Geburt?
Es hat sich auf jeden Fall verändert. Ich weiß aber gar nicht so genau, ob das direkt durch die Schwangerschaft und Geburt kam – oder ob es eher damit zu tun hat, dass ich angefangen habe, mich noch einmal ganz anders mit meinem Körper auseinanderzusetzen.
Mir ist klar geworden: Es reicht nicht, immer nur zu sagen, das Einzige, was man stimulieren kann, ist der Kitzler. Sondern es geht darum, wirklich neu zu erforschen, wie man eigentlich berührt werden will, und auch mal von den bekannten Mustern abzuweichen.
Dadurch hat sich definitiv etwas verändert. Es gab auch eine ganz lange Zeit, in der ich sagen würde, dass mein orgasmisches Erleben insgesamt weniger intensiv war.

Wie bist du damit umgegangen – und hat sich das noch einmal verändert?
Ja, das war oft frustrierend für mich. Aber dann gab es irgendwann so einen Moment, wo irgendetwas passiert ist – und wo es auch für mich richtig Klick gemacht hat. Das war der Moment, in dem ich angefangen habe, ganz klar zu sagen, was ich will, was ich mir wünsche und wie ich es gerne hätte.
Und ich habe gemerkt, dass ich sexuell auch eher so agieren darf, dass ich einfach das mache, was ich will. Dass ich nicht dauernd überlege, wie es dem anderen gerade gefällt, sondern dass ich den Fokus auf mich selbst richten darf.
Und da ist es dann wesentlich reicher geworden. Da ist es intensiver geworden. Ich glaube, das war so ein ganzes Konglomerat – dieses Wiederfinden und Wiederentdecken des eigenen Körpers nach der Schwangerschaft, aber eben auch dieses neue Selbstbewusstsein.
Heute würde ich sagen: mein orgasmisches Erleben ist üppiger geworden.
Gibt es ansonsten neue Vorlieben oder vielleicht auch Abneigungen, die sich durch Schwangerschaft und Geburt im Bezug auf Sexualität herausgestellt haben? Du hast schon ein bisschen beschrieben, dass du klarer und selbstbestimmter mit deinem Körper geworden bist.

Ja, also höchstens dieses Nippelthema – da hat sich auf jeden Fall was verändert. Das ist nicht unbedingt eine Abneigung, aber einfach eine neue Empfindungsqualität, die mich klarer gemacht hat.
Und insgesamt bin ich viel deutlicher darin, bei penetrativem Sex zu sagen: „Okay, bis hierhin war es gut, aber jetzt gibt es mir gerade nichts mehr – jetzt brauche ich bitte noch etwas anderes dazu.“ Oder auch zu merken, dass ich da mehr Bewegung und Aktivität brauche als Passivität.
Also ich bin klarer geworden in dem, was ich möchte und brauche – und traue mich, das auch zu kommunizieren.

Und wenn du Lust hast, wann hast du dann Sex? Vorhin habe ich gehört, wenn du Lust hast, dann ist egal wann und ist mehr Solo- oder Partnerin-Sex?
Es ist ein bunter Mix. Aber auf jeden Fall gab es eine ganz lange Zeit mit unfassbar viel Solo-Sex. Weil ich in dieser Phase, in der ich gesagt habe: „Okay, ich muss jetzt mal mehr über mich und meinen Körper herausfinden“, das lief erst mal ganz viel über Solo.
Das habe ich dann irgendwie mitgenommen in unser Sexleben.
Aber ich würde auf jeden Fall sagen, ich habe regelmäßiger Sex mit mir als mit meinem Partner. Definitiv ist das so, weil das ist für mich so eine Entspannung – einfach den Druck des Tages loslassen können.
Wenn mein Partner und unser Kind mal rausfahren, dann weiß ich: Ich habe jetzt hier vier Stunden alleine zu Hause. Und klar, ich könnte tausend Dinge machen und werde das auch tun – aber erst mal gönne ich mir eine Stunde für mich.
Wir schlafen auch immer noch oft getrennt, weil einer von uns meist neben dem Kind schläft. Und derjenige, der dann wirklich mal alleine im Bett liegt, hat dann abends seine Zeit für sich – und ich glaube, der nutzt die dann auch.
Also ja, es ist leider immer noch mehr Solo- als Paarsex. Aber ich glaube, wir wünschen uns beide, dass es wieder mehr Paarsex wird. Nur steht dem halt einfach der Alltag im Weg und das Kind, sein Schlafverhalten.
Wir haben zum Glück ein gutes Support-System. Wenn unser Kind bei den Großeltern ist, dann haben wir auch unsere Momente, wo wir uns Zeit füreinander nehmen. Aber ich verstehe total, dass Leute sagen, es ist sonst einfach nicht machbar. Das ist wirklich schwierig zu organisieren.
Gerade abends: die einzige Zeit, die man dann so hat, ist eben, wenn das Kind schläft. Aber da ist man selbst oft müde, und dann bleibt einfach nicht mehr viel übrig. Manchmal geht es – dann entwickelt sich von alleine noch eine Energie. Aber eben nicht immer.

Sag mal, wie wichtig ist dir sexuelle Intimität jetzt in eurer Beziehung – und hat sich das im Vergleich zu vor der Geburt verändert?
Naja, das ist ja, glaube ich, so ein Prozess im Elternwerden. Dass man akzeptieren muss, der Tag hat nur 24 Stunden und die Woche sieben Tage – und man schafft einfach nicht mehr alles. Man setzt Prioritäten, man trifft Entscheidungen, was wichtig ist und was nicht.
Und das hört sich dann schnell so an, als müsste man sich von Dingen verabschieden. Aber ich finde, es ist manchmal auch total entlastend. Es ist auch schön, wenn Sexualität nicht immer dieses Riesenthema sein muss, wo alles aufregend, erotisch und hochgradig lustvoll ist. Sondern wenn es auch einfach etwas Alltägliches, Entspanntes bekommt. Das kann auch schön sein.

Wie gehst du, wie geht ihr mit den Anforderungen des Alltags um, um euch Zeit für Intimität zu schaffen? Du hast ja schon ein bisschen erzählt, dass euer Support-System wichtig ist. Und gibt es in eurer neuen Wohnung vielleicht auch wieder sowas wie einen Garten dazu?
Noch nicht, aber wir planen das. Und ich glaube, unsere neue Wohnung wird auch so ganz schön, weil wir sie wieder so aufgeteilt haben: Jeder hat sein Zimmer und richtet es selbst ein.
Das bekommt so eine besondere Dimension – man lädt sich quasi gegenseitig ein. Wir haben in allen Zimmern Betten, und das war uns wichtig: zu sagen, ich lade ihn in mein Zimmer ein, und er lädt mich in seins ein. Ich glaube, gerade die Gestaltung dieser Räume, dass sie schön und gemütlich sind, ist wichtig, weil wir wissen: Wir brauchen diese Forschungsräume.
Wir bauen uns also so eine Art Raum im Raum, in dem wir uns begegnen können. Und wenn irgendwann wieder ein Garten dazu kommt – dann wird das bestimmt auch wieder ein besonderer Ort für uns.

Dem kann ich nur zustimmen, es ist so wichtig, dass man seine Räume – oder vielleicht auch nur eine Ecke, einen Vorhang – bewusst zu einem Forschungsraum macht, um den Alltag für den Moment auszublenden. Wie erlebst du das?
Ja, absolut. Ich glaube, das ist für mich wirklich der größte Lustkiller: wenn der Alltag so präsent ist. Vielleicht ist das nur bei mir so, aber ich habe das Gefühl, meinem Partner geht es ähnlich.
Man sieht einfach überall diese Verantwortlichkeiten. Eine Freundin hat das mal so treffend beschrieben: Selbst wenn sie mit ihrem Freund zusammensitzt und sich unterhält, ist es ein einziges logistisches Gespräch. Man redet fast nur noch über Logistik – wer holt wen wann ab, wer übernimmt was, was muss noch organisiert werden.
Und genau das kommt mit dem Elternsein so stark dazu und steht der Sexualität massiv im Weg. Deshalb ist es für mich so wichtig, irgendeinen Weg zu finden, mal einen Pauseknopf zu drücken – das alles für eine Weile wegzuschieben, uns frei zu machen von diesem ganzen Drumherum.

Welche Rolle spielt denn Selbstliebe und Selbstfürsorge in deinem Leben seit der Geburt deines Kindes?
Eine sehr große. Vor allem, weil ich es am Anfang nicht gemacht habe. Ich habe wirklich auf die harte Tour gelernt, dass man dafür einen hohen Preis zahlt, wenn man Selbstfürsorge ignoriert.
Deswegen ist sie jetzt für mich ein wichtiges Thema – auch wenn ich sagen würde, ich bin da noch im Prozess. Es ist nicht leicht auszuhandeln: Was will ich, was brauche ich, und wie geht das zusam-men mit diesem kleinen Wesen, das am Anfang so stark von einem abhängig ist.
Und irgendwann merkt man, okay, er ist jetzt stabiler, ich kann mir wieder Räume nehmen und es mir auch erlauben. Aber das musste ich lernen. Wenn ich heute noch einmal mit mir von vor drei Jahren sprechen könnte, dann würde ich mir definitiv sagen: Nimm dir mehr Zeit für dich. Nimm dir Räume für dich. Das ist nicht nur okay – es ist wichtig. Es ist deine Pflicht.
Weil wenn ich für mich da bin, dann kann ich auch wirklich gut für mein Kind da sein. Und auch in meiner Partnerschaft präsent sein. Aber wenn ich mir selbst nicht zuerst die Sauerstoffmaske aufsetze, wie soll das alles gut gehen?

Die Frage schließt auch so ein bisschen an: Wie wichtig ist dir die sexuelle Autonomie? Und wie lebst du diese in deinem Alltag als Mutter jetzt?
Du hast es schon so ein bisschen beantwortet, aber vielleicht gibt es da noch eine Ergänzung.
Auf jeden Fall ist mir das wichtig. Das ist für mich jetzt durch die Entwicklung der letzten drei Jahre noch klarer geworden – bestimmt auch ausgelöst durch mein Kind. Ich weiß einfach: Da ist noch etwas für mich zu entdecken, da gibt es noch mehr.
Und ich will das auch. Manchmal ärgere ich mich, weil ich denke: Hätte ich das mal früher gecheckt, bevor das Kind da war – da wäre es logistisch so viel einfacher gewesen. Aber dann denke ich auch wieder, genau durch das Muttersein ist die Zeit ja so viel wertvoller geworden. Wenn ich jetzt etwas tue, dann ist es wesentlich intensiver. Es ist nicht mehr so beliebig.
Ich habe letztes Jahr jemanden kennengelernt, der auch Kinder hat und auch eine Beziehung. Wir haben die Vereinbarung, dass wir uns nur für sexuelle Begegnungen treffen, wenn wir beide Lust haben. Das ist erst mal gar nicht so leicht, überhaupt Termine zu finden, an denen wir beide Zeit haben. Aber wenn es dann passiert, dann ist es besonders und intensiv.
Eigentlich macht gerade diese Einengung, diese Begrenzung, die Dinge besser. Weil ich sie viel bewusster erlebe. Es ist so, als würde ich nicht mehr jeden Abend in die Kneipe gehen – aber wenn ich dann mal hingehe, dann ist es großartig. Und so ist es mit der Sexualität jetzt auch: vielleicht nicht mehr so häufig, aber wenn, dann knallt es.

Voll schön, wie dein ganzer Körper strahlt, wenn du das so erzählst. Ich habe noch eine spezifischere Frage, und zwar zum Thema, wenn du ejakulierst. Hast du da eine Veränderung durch die Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit erfahren?
Oder ist es etwas, was gar nicht so in deinem Sexualleben eine Rolle spielt?
Das habe ich tatsächlich erst nach der Schwangerschaft für mich entdeckt, dass ich das überhaupt kann. Das war etwas, das ich mit mir selbst herausgefunden habe.
Durch die Schwangerschaft habe ich Beckenboden-Probleme entwickelt, die auf jeden Fall auch Dinge verändert haben. Mit Übungen habe ich das inzwischen ganz gut im Griff, aber es bleibt na-türlich ein Thema.
Wenn du fragst, ob sich das verändert hat, würde ich sagen: ja. Aber es gibt da bei mir noch eher so einen unentspannten Umgang damit. Ich bin noch auf dem Weg einen wirklich entspannten Umgang damit zu finden und es auch genießen zu können.
Der Beckenboden – der blöde Beckenboden – der spielt da einfach mit rein.
Der blöde, schöne Beckenboden.
Der blöde, tolle Beckenboden. Man weiß halt erst, wie wichtig er ist, wenn er seine Dienste nicht mehr tut.
Das macht ja auch nochmal etwas mit der eigenen Selbstwahrnehmung.
Wenn man so einpullert und sich denkt: „Ich fühle mich jetzt gerade definitiv nicht wie ein selbstbestimmtes Wesen“, weil so ganz basale körperliche Funktionen die Kontrolle übernehmen – und nicht ich. Das macht schon etwas mit dem Gefühl für sich selbst.
Da so einen liebevollen, humorvollen und akzeptierenden Umgang zu finden, ist wichtig. Dass man sagt: so ist es eben auch. Ich kann es ja nur bis zu einem bestimmten Grad ändern. Aber da hilft Humor.

Auf alle Fälle. Ich bin jetzt gerade mit meinen Fragen durch. Gibt es noch irgendwas, wo du sagst, das ist dir jetzt gerade noch so gekommen, als wir so darüber gesprochen haben, was du noch er-zählen magst?
Nö, eigentlich nicht. Ich fand es super, das nochmal so für mich Revue passieren zu lassen und zu rekapitulieren. Und so jetzt als Ergebnis dazu stehen zu haben: ja, das war alles intensiv und viel und anstrengend und auf dem Weg nicht immer schön – aber das Ergebnis, wo man jetzt steht, ist einfach schön.
Es bringt einen nur näher an sich selbst heran. Und darüber freue ich mich gerade.
Ich danke dir sehr für deine Geschichte.

Benjamin

Alter: Ich bin 40.

Und das heißt, du warst 37, 36 ungefähr, als euer Kind geboren wurde?
Genau, das war eine Woche vor meinem 37. Geburtstag.

Und hast du noch andere Kinder? Nein.

Wie ist gerade so deine Arbeitssituation und gibt es irgendwie so Besonderheiten?
Ja, zwei Besonderheiten. Zum einen bin ich freiberuflich tätig – das macht es in der Organisation sowieso immer ein bisschen besonders, weil es eben keinen regelmäßigen Arbeitsablauf gibt. Ich arbeite viel im Theater, und das findet häufig abends oder am Wochenende statt.
Und zusätzlich habe ich im September nochmal etwas Neues begonnen: Ich habe mich an einer Hochschule eingeschrieben und beschlossen, noch einmal etwas ganz anderes zu studieren. Das heißt, ich bin gerade Student, freiberuflich tätig – und dazu Vater, Partner, Freund … also ziemlich viel auf einmal.

Und zum Zeitpunkt eurer Schwangerschaft und so die Phase davor, da warst du einfach auch freiberuflich?
Ja, da war ich auch freiberuflich. Aber durch die Anstellung meiner Partnerin als Lehrerin hatten wir eine Absprache: Ich trage ungefähr nur ein Drittel zu unserem Haushaltseinkommen bei. Das hat die Situation für mich deutlich entspannter gemacht, weil ich weniger Druck hatte, ständig etwas tun oder verdienen zu müssen.

Ja, cool. Wolltest du eigentlich auch schon immer Kinder haben? Und hast du irgendwie eine Vorstellung dazu gehabt?
„Immer“ ist eine gute Frage. Aber ja, ich wollte auf jeden Fall Kinder haben. Gleichzeitig hatte ich mega Respekt davor, weil ich ganz lange dachte: Ich kann das gar nicht. Ich war ja das jüngste Kind, das heißt, ich hatte keine jüngeren Geschwister, an denen ich hätte lernen oder schon mal etwas mitbekommen können. Und Familie war für mich in meiner Jugend auch nicht unbedingt das große, tolle Ding, sondern eher etwas, aus dem ich rauswollte.
Deshalb fand ich die Vorstellung, selbst Kinder zu haben, zwar spannend und toll, aber ich hatte eben auch Angst davor – ob ich das wirklich kann.

Ja, und wenn du in der Vorstellung warst „ich kann das“, gab es irgendwie auch einen Wunsch nach der Anzahl der Kinder? Oder warst du da ganz offen?
Ich glaube, da war ich eher offen. Aber in meinem Kopf waren eigentlich immer zwei ganz cool. Auch, weil ich die Erinnerung an meinen etwas älteren Bruder hatte – wir sind drei Jahre auseinander. Und das war schon toll, jemanden zu haben, der so im ähnlichen Alter ist. Deswegen war in meinem Kopf eigentlich immer: zwei Kinder wären schön.

Und da habe ich ja jetzt auch schon ein bisschen etwas gehört, aber ich möchte dich trotzdem fragen, war es dann ein Wunschkind und war es geplant?
Ja, es war ein Wunschkind und es war auch geplant. Aber es hat gedauert, bis es dann wirklich geklappt hat. Meine Partnerin musste die Pille absetzen, die sie ja wirklich über viele Jahre genommen hatte. Dann folgten Untersuchungen – mein Sperma wurde getestet, bei ihr wurde geschaut, ob alles funktioniert.
Dabei kam dann auch die Diagnose PCO ins Spiel. Sie hat schließlich Tabletten bekommen – ich weiß den Namen leider nicht mehr – und glücklicherweise hat es dann gleich bei der ersten Einnahmerunde funktioniert.

Wie hast du dich während der Schwangerschaft von deiner Partnerin gefühlt?
Also das war natürlich alles sehr aufregend. Man muss vielleicht auch dazu sagen – was da eine wichtige Rolle gespielt hat – die Zeugung war Anfang Juli 2020. Das heißt, das war nach dem ersten Lockdown und vor dem zweiten. Die Welt war in dieser Zeit ohnehin sehr besonders, irgendwie in so einem Zwischenzustand.
Bezogen auf das Kind war es für mich eine Mischung: aufregend, nervös, gleichzeitig Umbau, Vorbereitung. Ich habe auch einiges dazu gelesen, wir haben uns viele Gedanken gemacht. Grundsätzlich war es eigentlich sehr positiv, ich habe mich gefreut.
Aber gleichzeitig war da dieses Gefühl, dass sich etwas sehr Fundamentales ändern wird. Und auch eine gewisse Angst – nicht genau zu wissen, was kommt. Wie werde ich selbst damit sein? Kann ich das überhaupt? Was passiert da?
Also ja, ich würde sagen: es war beides – Vorfreude und Angst.

Und wie hast du auf die körperlichen Veränderungen von deiner Frau reagiert während der Schwangerschaft?
Also im ersten Trimester war es so, dass meine Frau sehr viel im Bett lag. Sie hat viel Zeit gebraucht, ihr war zwischendurch immer wieder schlecht. Ich glaube, mein Modus war in der Zeit: fragen, ob sie was braucht, und gleichzeitig sie eher in Ruhe lassen. Also einfach da sein, wenn was ist.
Später dann waren sowohl sie als auch ich wegen Corona viel zuhause … Die Theater waren zu, ich hatte nicht so viel zu tun. Sie hatte wegen Schwangerschaft und Corona sehr schnell Beschäftigungsverbot. Das hieß, wir hatten einfach viel Zeit zusammen, was ziemlich gut war.
Und ich fand es auch total schön zu sehen, wie sie so da reingewachsen ist – in diese Aufgabe, in diese Herausforderung. Gegen Ende der Schwangerschaft hatte ich dann wirklich den Eindruck: sie war richtig bei sich. Und das fand ich sehr schön.
Ich fand das einfach einen schönen Anblick, das weiß ich noch. Ästhetisch war das wirklich schön. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich das schwer unterscheiden kann. Ich finde Menschen generell schöner, wenn ich das Gefühl habe, sie finden sich selbst schön. Das spielt für mich eine Rolle, weil die Haltung dann ja auch eine ganz andere ist, nicht nur das Äußere.
Und klar, ich hatte auch mega Respekt vor dieser Empfindlichkeit, vor diesem kleinen Wesen in ihrem Bauch. Das war natürlich ein ganz anderer körperlicher Umgang, weil da ist etwas so Wertvolles. Ich musste im Alltag viel mehr aufpassen, dass ich nicht dagegenkomme oder sie versehentlich anremple. Auch die Berührungen waren ganz anders. Einen schwangeren Bauch berührt man eben anders als einen Bauch, der nicht schwanger ist. Und dann noch diese Tritte und Bewegungen – das war nochmal der totale Wahnsinn. Aber es war auch wirklich was Besonderes.
Was das Sexuelle angeht, war es allerdings schon seltsam. Das fiel mir nicht leicht. Im Rückblick könnte ich aber gar nicht genau sagen, ob es die Schwangerschaft war oder ob da auch schon Dinge angelegt waren, die dann später nach der Geburt als Reibungspunkte zwischen uns deutlicher hervorgetreten sind. Vielleicht war beides da.

Hattest du denn dann tatsächlich auch Bedenken in der Sexualität? Das hört sich so ein bisschen so an.
Ja, das ist immer ganz schlimm, weil ich hatte so einen Satz im Kopf aus einem Film, der total dämlich war. Aber das war, glaube ich, “Der bewegte Mann”. Weiß nicht, ob du den kennst.
Und da gibt es diese Szene, relativ am Ende des Films: Da ist dann die Hauptperson, Till Schweiger, seine Freundin ist schwanger und er will dann irgendwie einen Seitensprung machen, weil er nicht mit seiner schwangeren Frau schlafen möchte. Und da hat er irgendwie so blöde Sätze dazu. Und das kam mir halt immer wieder in den Kopf und das hat mich total genervt, weil ich das überhaupt nicht so sehen wollte.
Ich habe das Gefühl, das hat mich irgendwie gehemmt und ich fand mich aber total doof dafür, dass mich das gehemmt hat.

Wie hast du die Sexualität deiner Partnerin während der Schwangerschaft wahrgenommen – auch ihre Lust? Hat sich da etwas verändert? Und wie bist du selbst damit umgegangen, wie hast du darauf reagiert?
Ich finde das wirklich schwer zu sagen. Aber wenn ich so zurückdenke, habe ich schon das Gefühl, dass sich das stark verändert hat. Dadurch, dass sie so sehr in ihrem Körper war in dieser Zeit, hatte ich den Eindruck, dass sie mehr Lust hatte. Im Vergleich zu der Phase davor, wo wir versucht haben, schwanger zu werden, erinnere ich mich daran, dass sie in der Schwangerschaft eher mehr Sex wollte als ich.
Und wie war das?
Unangenehm.
Warum?
Das hat auch mit der Geschichte zwischen ihr und mir zu tun, wie wir Sexualität miteinander gelebt haben. Bei uns gab es so einen Mechanismus: Ich konnte nicht so frei Nein sagen. Also nicht immer, aber oft war es so, dass ein „Nein“ ganz schnell auch wie eine Ablehnung gewirkt hat. Nicht im Sinne von „ich will gerade nicht“, sondern im Sinne von „ich will dich nicht“. Und das hat es für mich schwer gemacht. Ich habe da ganz schön viel rumlaviert, weil ich Angst hatte, dass sie mein Nein so wahrnimmt.
Und das ist, würde ich fast sagen, nicht unbedingt etwas, das mit der Schwangerschaft zu tun hatte, sondern eher generell ein Thema in unserer Beziehung. Aber ich kann schon sagen, dass es für mich keinen wirklichen Ort gab, um mit diesen Hemmungen, Ängsten und Sorgen in meiner Sexualität umzugehen. Ich hatte niemanden, mit dem ich das besprechen konnte. Ich war da ziemlich allein damit und habe mir da auch niemanden ins Boot geholt.

Du hast ja eben schon angedeutet, dass du niemanden hattest, mit dem du über deine Herausforderungen sprechen konntest. Wenn du zurückblickst – was hättest du dir gewünscht? Wen hättest du dir als Gesprächspartner vorstellen können?
Im Rückblick, glaube ich, einfach einen anderen Vater. Jemand, der das kennt. Oder auch jemand, der es anders sieht, aber der zumindest in einer ähnlichen Situation war. So jemand hätte mir sicher gutgetan.
Aber ich muss auch ehrlich sagen: Ich habe gar nicht gesucht. In unserem Freundeskreis gab es niemanden, der gerade frisch Vater war. Und überhaupt schon gar keinen, mit dem ich solche Themen hätte besprechen können.
Mein eigener Vater war da auch keine Option – er war schon über zehn Jahre tot. Und in meiner Familie … na ja, meine Geschwister, zu denen habe ich nicht den Draht, um über solche Dinge zu reden. Und sie hätten, glaube ich, auch kein Interesse gehabt, mit mir darüber zu sprechen.
Ich finde das eine ganz wichtige Information, weil viele Frauen sich darüber wahrscheinlich keine Gedanken machen. Unser gesellschaftlicher Blick auf Schwangerschaft richtet sich fast ausschließlich auf die Frau – ihre Herausforderungen, ihre Veränderungen. Männer oder Partnerinnen geraten da kaum in den Blick. Deshalb ist es, glaube ich, auch für unser Buch wertvoll, genau das sichtbar zu machen: Dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wo auch Männer oder Partner*innen ihre Themen besprechen können.
Ja und ich möchte dabei auch nicht so klingen, als würde ich mich beschweren. Ich habe einen riesigen Respekt vor Schwangerschaft und Geburt, das ist ohne Frage die Hauptaufgabe. Aber klar, für mich war es auch blöd in manchen Momenten.
Und ich glaube, das wäre gar nicht unbedingt etwas gewesen, was ich für mich alleine hätte klären müssen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, das in unserer Beziehung wirklich zu besprechen – und die gab es damals eben nicht so –, dann hätte das wahrscheinlich schon gereicht.
Ich hätte mir gewünscht, dass das einen Raum hat, in unserer Beziehung. Ohne dass es sofort schambesetzt wird oder unangenehm. Aber genau das ist ja oft das Problem: Über Sexualität zu sprechen ist in unserer Gesellschaft eben schnell schamig

Wie war denn dann für dich die Erfahrung der Geburt?
Also, die Geburt selber war für mich ganz klar: Ich bin hier Assistent von meiner Partnerin. Ich bin da, um sie zu unterstützen und zu helfen, aber eben auch einfach nur da zu sein, wenn sie mich braucht. Sie schafft das allein – aber ich bin bereit, wenn sie Hilfe haben möchte.
Das Härteste für mich war eigentlich, zu sehen, dass sie Schmerzen hatte, dass es so anstrengend für sie war. Das war wirklich schwer auszuhalten. Und gleichzeitig habe ich gemerkt, das ist so meine erste Aufgabe in diesem Moment: irgendwie mit diesem Gefühl klarzukommen und trotzdem stark und ruhig dazubleiben.
Und trotzdem habe ich es als etwas sehr Schönes in Erinnerung. Weil wir uns in dieser Zeit wahnsinnig nah waren. Ich war wirklich die ganze Zeit bei ihr, während die Hebammen zwischendurch auch mal rausgegangen sind. Und das war einfach schön – dieses Gefühl, wirklich in ihrem Team zu sein. Da gab es kein Zurückweisen, keine Sorgen oder komischen Sprüche, sondern einfach dieses Miteinander.

Und wie war für dich der Moment der Geburt selbst?
Da war es dann so: Wir beide machen das jetzt. Und das fand ich sehr schön.
Am Ende saß ich auf einem Bett, meine Frau lag mit ihrer Brust auf meinem Schoß und kniete quasi vor mir. Ich habe sie gehalten. Den eigentlichen Geburtsvorgang habe ich nicht gesehen, ich sah nur, wie die beiden Hebammen mit Kopflampen hinten arbeiteten. Das war irgendwie witzig, aber auch total pragmatisch – genau richtig in dem Moment.
Und dann unser Kind als Erste*r von uns beiden nach der Hebamme zu sehen, als er da hochkam – das war einfach wow. Ein total besonderer Moment.
Die Zeit danach im Geburtshaus habe ich auch als sehr schön in Erinnerung. Es waren vielleicht vier Stunden, bis wir nach Hause gefahren sind, aber es fühlte sich ganz anders an. Einfach dieses Liegen zusammen, mit unserem Kind so nah bei uns – das war ein totales Geschenk. Für mich besonders, weil bis dahin war es ja immer das Kind in ihr, und ich war außen vor. Jetzt war ich wirklich mittendrin.
Dafür bin ich sehr dankbar, dass wir das so erleben durften, so nah und körperlich miteinander, auch im Bett zusammen. Ich weiß, im Krankenhaus läuft das oft anders, und umso schöner war das für mich.
Natürlich habe ich auch mitbekommen, dass sie genäht werden musste – es war nur ein kleiner Riss. Aber wir haben da nicht ausführlich drüber gesprochen. Ich wusste einfach, ihr Körper war erschöpft, sie war erschöpft.
Und nach der Geburt haben wir auch gar nicht so viel drüber gesprochen.

Wenn du nach der Geburt ein Stück weiterblickst: Wie hat sich deine Beziehung zu deiner Frau verändert – insbesondere in Bezug auf Intimität und Sexualität?
Spätestens mit der Geburt hat sich das sehr verändert. Ich erinnere mich an zwei Situationen, wo wir im Wochenbett Sex hatten, aber danach war das Thema eigentlich erst mal durch.
Das hatte zwei Gründe. Zum einen das Körperliche: Von meiner Seite aus war da eine große Unsicherheit. Was geht überhaupt noch? Was fühlt sich für sie gut an? Sie hatte Probleme mit dem Stillen, die Brüste waren keine erogene Zone mehr, und auch vaginal war es schwierig.
Zum anderen war da etwas, was dann wie hochgekommen ist und mit der Geburt wie verstärkt oder katalysiert wurde. Wir hatten schon länger Themen in unserer Sexualität – vor allem was Kommunikation und meine Angst vor Ablehnung betrifft. Ich konnte schwer klar Nein sagen, ohne dass es gleich wie eine Zurückweisung wirkte. Das hat unsere Intimität belastet, schon vor der Geburt. Aber danach kam es noch stärker zum Vorschein.

Du hattest gerade gesagt, du kannst dich erinnern an zwei Situationen während des Wochenbetts. Das Wochenbett ist für dich wie lang? Weil im Wochenbett, manche sagen, es dauert zwei Wochen und andere Menschen sagen, drei Monate.
Gute Frage. So ganz genau weiß ich das gar nicht mehr. Ich würde sagen, für uns war das Wochenbett ungefähr fünf Wochen. Da hatten wir das Gefühl, das Gröbste mit dem Kind ist überstanden. In dieser Zeit erinnere ich mich an eine Situation, und dann später nochmal irgendwann.

Und du hast schon erwähnt, dass es Geburtsverletzungen gab. Hat das eure Sexualität nach der Geburt beeinflusst?
Ja, ich glaube schon. Ich würde sagen, das war einer der Gründe, warum wir keinen Vaginalsex hatten. Rückblickend denke ich, meine Unsicherheit und meine Hemmungen in Bezug auf diese Verletzungen sind mit einer allgemeinen Unsicherheit verschmolzen, die ich ohnehin in unserer Sexualität hatte. Es war also beides da: zum einen die Verletzung und zum anderen das, was ohnehin schon schwierig war zwischen uns.
Und ich muss ehrlich sagen, ein Teil von mir war auch fast dankbar, dass das kein Thema wurde. Weil ich hatte den Eindruck, es war für sie auch schambehaftet, und mir selbst war es auch unangenehm. So hat dann keiner von uns den ersten Schritt gemacht – ich jedenfalls nicht.
Dazu kam, dass wir im absoluten Ausnahmezustand waren. Wir hatten Stillprobleme, unser Kind hat viel geschrien, und wir waren ständig im Kümmer- und Organisationsstress. Da blieb einfach kein Raum für uns als Paar.

Das beantwortet schon so ein bisschen die Frage: Hast du das Gefühl, dass der Alltag mit dem Baby deine Lust auf Sex beeinflusst hat? Du hast ja gerade gesagt, ihr wart so im Ausnahmezustand und im Kümmermodus, dass eigentlich gar kein Raum entstehen konnte, in dem Lust möglich gewesen wäre.
Ja, voll. Aus meiner Sicht hängt das auch damit zusammen, dass es uns beiden schon vorher eher schwergefallen ist, bei den eigenen Bedürfnissen zu bleiben. Wir sind direkt in diesen Kümmermodus gegangen – ich für das Kind, aber auch für sie. Das hat nicht immer gestimmt, aber so war meine Haltung. Und erst dadurch, dass wir so komplett in diesem Für-andere-Dasein waren, haben wir gemerkt, wie wichtig es eigentlich ist, auch bei sich zu sein.
Faktisch gab es nur sehr wenig Zeit, in der wir uns hätten begegnen können, und wenn sie da war, waren wir oft gar nicht in der Lage, wirklich zu uns selbst zu kommen.

Dann hat sich ja auch der Körper wieder verändert. Du hast schon erwähnt, dass das Stillen schwierig war, deine Frau meinte sogar, dass ihre Brustwarzen dadurch verletzt waren. Wie hast du das erlebt – und konntest du sie in dieser Zeit unterstützen?
Ja, also mit der Brust, das war schon schwierig. Ich habe echt lange gebraucht, sie wieder als etwas Erregendes wahrzunehmen. Vorher fand ich das immer toll und aufregend, auch mit der Muttermilch. Aber während der Stillzeit hatte ich da Berührungsängste. Es war für mich schwer, weil ich das Gefühl hatte: Das ist jetzt die Brust des Kindes, nicht meine. Die Vorstellung, an derselben Brust zu saugen wie mein Sohn, fand ich nicht erregend.
Ich glaube, bei ihr ist das nach und nach verheilt, die Verletzungen vom Stillen sind besser geworden. Und für mich hat sich das erst verändert, als das Stillen vorbei war.
Beim Bauch war es anders: den habe ich eigentlich relativ schnell wieder als „normalen Bauch“ wahrgenommen. Das war für mich unproblematisch, irgendwann einfach wieder wie vorher.

Hattest du das Gefühl, dass es auch Raum für deine eigenen Gefühle gab?
Nee, den gab es, glaube ich, so richtig nicht. Das ist schwer zu sagen, weil das auch Dinge betrifft, die wir in unserer Partnerschaft einfach so stehen gelassen haben. So nach dem Motto: „Okay, das ist jetzt halt so.“
Darüber haben wir auch lange gestritten – wer wie viel Raum hat, für Gefühle oder überhaupt. Wir haben uns ja zwischendurch sogar getrennt und sind jetzt wieder zusammen.
Für mich waren es zwei Dinge: Erstens war ich in einem totalen Alarmzustand. Ich hatte ständig das Gefühl, mich kümmern zu müssen, immer bereit sein zu müssen – sonst wäre ich ein schlechter Mann und Vater. Vor allem ein schlechter Mann. Ich wollte auf keinen Fall so ein „ekliger Typ“ sein. Und als sie mir in einem Streit mal gesagt hat, ich würde mich wie so ein typischer alter weißer Mann verhalten, hat mich das extrem getroffen. Dadurch hatten meine Gefühle keinen Raum, weil ich sie gar nicht thematisieren konnte – das fühlte sich wie ein Totschlagargument an.
Und zweitens habe ich auch meinen Anteil daran. Ich habe nicht gut auf mich geguckt, konnte mich von ihren Sorgen und Ängsten nicht abgrenzen. Ich habe ihre Themen voll übernommen. Natürlich hatte ich auch Sorgen ums Kind und ob wir alles richtig machen, aber bei ihr war das noch stärker. Und ich konnte das nicht moderieren.

Wie alt war eurer Kind als ihr euch getrennt habt?
Da war er zweieinhalb.

Dann gab es also ungefähr ein halbes Jahr Pause, bevor ihr euch wieder angenähert habt. Jetzt zieht ihr in eine neue Wohnung und schaut, dass es dort Räume für euch als Individuen, als Paar und als Familie gibt. Stimmt das?
Ja, genau. Drei Zimmer, jeder kriegt ein Zimmer.

Und in der schwierigen Zeit damals – hattet ihr trotzdem Rituale oder besondere Momente, die dir wichtig waren, um Intimität zu pflegen? Oder ist das eher etwas, das jetzt neu entsteht, auch als Konsequenz aus der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit, die du als eine Art Katalysator beschrieben hast?
Ja, also ich glaube, was wir gerade lernen, ist, dass wir uns diesen Raum bewusst schaffen müssen. Früher war Intimität einfach da, ein Selbstläufer. Jetzt muss man aktiv etwas dafür tun, sonst passiert es nicht.
Und das betrifft auch die kleinen Momente: eine Umarmung, ein Kuss, eine Berührung. Es geht darum, die bewusst wahrzunehmen und nicht nur nebenbei zu machen. Dass man sich wirklich entscheidet, so einen Moment der Nähe zu zelebrieren – auch wenn es nur ein Abschied ist.
Mit der Zeit ist es jetzt etwas leichter geworden, weil unser Kind älter ist und sein Schlafrhythmus regelmäßiger. Dadurch haben wir Abende, an denen wir uns bewusst Zeit für uns nehmen können. Das ist nicht immer so, aber manchmal reden wir dann länger miteinander, sind intim oder hängen einfach zusammen auf dem Sofa. Wichtig ist: es ist unser Raum.

Und wenn man eher der Typ ist, der abends müde ist – heißt das, ihr musstet euch nochmal extra Räume schaffen?
Ja, genau. Manchmal hat das bei uns funktioniert, weil meine Partnerin nicht mehr Lehrerin ist, sondern Arbeitslosengeld I bekommt, und ich freiberuflich arbeite. Mit der Hochschule ist es jetzt wieder anders, aber davor hatten wir auch vormittags Zeit.
Und das war echt schön, weil wir dann zum Beispiel mal im Garten waren und uns einfach einen Vormittag genommen haben. Da lagen wir zusammen im Bett im Gartenhaus, haben es uns gemütlich gemacht und nicht gearbeitet. Solche Momente gab es zum Glück ein paar Mal – und das hat uns auf jeden Fall geholfen.

Jetzt komme ich zu so einer großen Frage, und zwar, was ist Sexualität für dich und hat sich das verändert?
Was ist Sexualität für mich? Wenn ich darüber nachdenke, würde ich schon sagen, Sex ist erstmal eine intime Berührung. Dann könnte man fragen, was ist intim?
Es geht schon um eine sehr tiefe Körperlichkeit, obwohl ich auch sagen würde, man kann auch mit den Augen Sex haben, wenn man es darauf anlegt. Aber vor allem ist es schon etwas Körperliches, weil da ja was mit meinem Körper passiert, auch wenn man sich vielleicht gar nicht berührt, aber der Vorgang passiert ja in meinem Körper beim Sex. Da geht es um Lust, da kann es um Begehren gehen, auch um so eine ganz tiefe Art von Wohlfühlen und Zärtlichkeit. Ich würde jetzt eher so sagen, das ist so ein Komplex von einer Begegnung von zwei oder mehr Menschen. Etwas, was Lust schafft. Lust und Genuss und Freude kann auch dabei sein.
Jetzt könnte ich noch ein paar Beschreibungen liefern. Ich komme ja vom Theater her. Sex finde ich auch deswegen ganz toll, weil es ja schon etwas ist, wo man präsent ist, wo die Aufmerksamkeit geweitet ist. Nicht nur kognitiv, sondern auch körperlich, wo man sich in so einen Zustand bringt, wo man extrem sensibel und toll und tief wahrnimmt. Also wahrnimmt auch körperlich, im Sinne von fühlt.

Jetzt noch die Frage: hast du das Gefühl, dass sich dein sexuelles Wesen durch die Vaterschaft verändert hat? Wenn ja, wie?
Ja, auf jeden Fall. Die Geburt und die Zeit danach haben wie ein Katalysator gewirkt. Erst als unser Kind etwa anderthalb war, konnte ich meiner Frau zum ersten Mal direkt sagen, dass ich bisexuell bin. Sie wusste schon von früheren Erfahrungen, aber nicht so klar, wie sehr das zu mir gehört. Heute kann ich deutlich sagen: es ist beides – warum auch nicht?
Das kam auch durch die Schwierigkeiten in unserer Beziehung und Intimität. Es war für mich wie ein Ausbruch: eine Sexualität, die ich zu Hause nicht leben konnte. Daraus sind diskrete Treffen mit Männern entstanden. Nicht viele, aber eben geheim, und darauf bin ich nicht stolz. Ich hatte ihr davon auch nichts erzählt.
Aber im Rückblick: diese Erfahrungen haben mir geholfen, mein Begehren besser zu verstehen und Dinge zuzulassen. Ohne die Geburt und diese ganze Phase hätte es wahrscheinlich noch viel länger gedauert, bis ich das für mich anerkennen konnte.

Wie habt ihr es geschafft, die Kurve wieder zu bekommen – also so offen miteinander zu sein, neue Vereinbarungen zu treffen und Intimität auch über Ehrlichkeit zu pflegen? Gab es ein Schlüsselerlebnis, das diesen Wendepunkt möglich gemacht hat?
Ja, es gab da dieses eine Weihnachten, das für mich ein Einschnitt war. Ich war völlig überfordert und habe gesagt: „Ich will das nicht mehr.“ Ein paar Wochen vorher hatte ich in meiner therapeutischen Gruppe zum ersten Mal erzählt, dass ich mich heimlich mit Männern treffe. Damit hatte die Fassade, die ich so lange aufrechterhalten hatte, schon Risse bekommen.
Und ich glaube dieses: ich mache dann Schluss oder ich will mich trennen, das geht alles nicht, war noch so der letzte Versuch von einem Teil von mir das irgendwie zusammenzuhalten, das nicht ausbrechen zu lassen.
Als ich meiner Frau sagte, dass ich nicht mehr mit ihr zusammen sein will, ging es ihr natürlich sehr schlecht. Ich selbst war so fertig, dass ich im Treppenhaus vor der Dachbodentür lag und nur hörte, wie sie unten litt. Das war furchtbar. Weihnachten hat dann in mir gearbeitet – auch weil sie mir vorwarf, ich könne die Beziehung nicht beenden, ohne vorher alles versucht zu haben. Da habe ich gedacht: „Okay, wenn jetzt sowieso schon alles kaputt ist, dann sage ich es.“ Und ich habe ihr erzählt, dass ich mich mit Männern getroffen habe.
Ihre Reaktion war überraschend: Sie war neugierig, interessiert, fast begeistert. Sie sagte: „Erzähl mal, voll spannend!“ – und das war für mich unglaublich wichtig. Diese Offenheit, diese Neugier auf eine Seite von mir, die ich bisher versteckt hatte – das war der Moment, an dem ich das zum ersten Mal alles rauslassen konnte.
Ganz glatt wurde es aber nicht sofort. Ein Jahr später haben wir uns noch einmal getrennt, auch weil es ihr mit ihrer Arbeit sehr schlecht ging. Sie hat dann gekündigt, und ich war in meiner Therapie stark mit der Frage beschäftigt: Was will ich eigentlich? Beruflich, privat, überhaupt im Leben?
Die Kleinkindphase war vorbei, und ich hatte das Gefühl: Ich muss erst einmal wissen, wo ich selbst stehe und was ich brauche, bevor ich schauen kann, wie das in einer Beziehung geht. Dafür war die Trennung wichtig.
Wir waren in dieser Zeit auch in der Kinder- und Jugendtherapie, wo wir über unser Kind, aber auch sehr viel über unsere Beziehung gesprochen haben. Und dann kam für mich der Punkt, an dem ich dachte: „Jetzt bin ich soweit.“ Meine Frau hat in dieser Phase auch Dinge ausgesprochen, die mir gezeigt haben, dass sie gesehen hat, wie sehr sie mich verletzt hat. Das hat es mir möglich gemacht, zu sagen: Okay, jetzt kann ich verzeihen.

Noch eine Frage zu deiner Lust: Wann hast du am liebsten Sex – und eher Solo oder Paarsex?
Das ist eine gute Frage – und tatsächlich sehr unterschiedlich. Ich habe wahnsinnig gerne Sex nach dem Aufwachen. Wenn man noch so halbschläfrig ist, finde ich das super. Abends fällt es mir dagegen schwerer, gerade mit der Erschöpfung nach einem langen Tag. Morgens, in dieser Ruhe und Gemütlichkeit, wenn Intimität das Erste am Tag ist – das mag ich sehr, und das muss nicht immer gleich Sex sein, etwas Sexuelles und Intimes, das finde ich mega toll.
Für mich alleine ist es nochmal anders. Da ist es sehr variabel: es muss zeitlich passen, die Stimmung muss stimmen, manchmal ist es eher so ein „Das gönne ich mir jetzt“-Moment. Spannend finde ich, dass ich oft auch in einem Zustand von Müdigkeit leichter loslassen kann – vielleicht ist das sogar einer der Auslöser.

Wie geht ihr mit den Anforderungen des Alltags um, um euch jetzt Zeit für Intimität zu schaffen?
Ganz konkret heißt das: Wir versuchen beide, so wenig wie möglich zu arbeiten – also nur so viel, wie wir wirklich müssen oder manchmal auch wollen. Dadurch bleibt einfach mehr Zeit für Familie und für uns beide.
Das heißt auch, wir organisieren Zeiten, in denen das Kind nicht da ist. Im Moment holt meine Mutter ihn jeden Montag von der Kita ab und hat ihn bis abends. Da haben wir dann einen Nachmittag, den wir entweder für uns zusammen nutzen oder auch mal jede*r für sich.
Aber klar, das hat auch eine Kehrseite: Wenn man viel Zeit haben will, heißt das meistens auch, dass man weniger Geld hat. Und dann fallen eben Dinge weg, die früher für uns Intimität waren, weil sie einen Konsumaspekt haben. Zum Beispiel: mal einen Tag in der Therme machen oder essen gehen und von dort in so eine Stimmung reinzuschwingen – das ist jetzt finanziell einfach nicht mehr so leicht.
Und ich würde sagen, da haben wir schon auch noch Leerstellen, die wir noch nicht gefüllt haben – also eigene Sachen, die Intimität ermöglichen, ohne dass sofort Geld im Spiel ist.

Da fällt mir ein, du hattest auch erzählt, wie ihr die neue Wohnung und die Räume gestalten wollt – also so, dass man den Alltag abtrennt, dass Arbeit und Dinge, die noch rumliegen, nicht dauernd sichtbar sind. Mit großen Betten, vielleicht mit Vorhang, sodass man es sich schön machen kann.
Genau. Wir haben ja dann beide unser eigenes Bett, und klar, jedes Bett hat natürlich einen Schlaf- und Entspannungsaspekt. Aber es macht schon auch noch mal eine andere Qualität von Raum für Sexualität – also für mich und auch für meine Partnerin.
Bei ihr wird das zum Beispiel ein Podest, dann ein Schrank, der das so ein bisschen abtrennt, dazu zwei Wände und ein Vorhang, sodass man den Alltag nicht sieht. Das hilft total. Das haben wir jetzt auch schon ein Stück weit, nur der Vorhang fehlt noch – aber allein, wenn man nicht den Schreibtisch sieht, nicht die Arbeit, die noch gemacht werden muss, das verändert schon viel.
Und ich glaube, wir werden uns auch wieder um einen Garten bemühen. Für mich gehört da immer eine kleine Hütte dazu – und in der Hütte ein Bett. Das ist dann eben auch Rückzugsort. Und darauf habe ich auch Lust.
Klar, Zelten ist auch schön, aber für mich ist dieses Gemütliche, Komfortable manchmal wichtiger, um in die Stimmung zu kommen. Und da finde ich es einen total schönen Gedanken, dass wir uns so gegenseitig einladen können: zu dir oder zu mir? Das ist dann eben ein anderer Ort, nicht einfach nur unser gemeinsames Schlafzimmer. Wenn ich meine Partnerin in mein Bett einlade, dann bin ich Gastgeber. Und das fühlt sich nochmal ganz anders an.
Ja, da strahlst du. Das ist voll schön zu sehen.

Was möchtest du noch ergänzen zu der Frage: Welche Rolle spielt Selbstfürsorge in deinem Leben seit der Geburt deines Kindes und auch in deinem eigenen Prozess, der dadurch ja angestoßen wurde?
Ich glaube, dass ich erst durch Geburt und Kind wirklich verstanden habe, was das heißt. Vorher hatte Selbstfürsorge für mich oft so den Beigeschmack von: „Das ist eine Ausrede für Leute, die nicht für andere da sein wollen.“ Ich habe das zwar nicht gar nicht gemacht, aber es war nie wirklich positiv besetzt.
Das hat sich total verändert. Heute weiß ich, wie komplex dieser Begriff ist – dass es eben nicht nur heißt: „Ich fühl mich toll“, sondern dass da viel mehr drinsteckt. Das habe ich in den letzten Jahren schmerzhaft, aber auch dankbar gelernt. Und auch wenn es Höhen und Tiefen gibt, sehe ich da eine gute Entwicklung nach oben.
Gerade in der Beziehung zu meiner Partnerin, aber auch zu unserem Kind, ist mir klargeworden: Selbstfürsorge ist eine Bedingung für Beziehung. Wenn ich nicht dafür sorge, dass es mir gut geht, dann bleibe ich irgendwann stehen, weil ich mich nur noch an den Bedürfnissen anderer orientiere. Aber echte Tiefe und Freude in Beziehungen entstehen nur, wenn ich auch gut für mich selbst sorge.
Meine Therapeutin sagt immer: „Liebe ist ein Kind der Freiheit.“ Und ich kann eine andere Person nur lieben, wenn ich das freiwillig tue. Das geht nur, wenn ich weiß, was ich möchte und brauche. Dann kann ich sagen: „Das ist so toll, so will ich leben – und ich will, dass die andere Person Teil davon ist.“ Wenn ich aber nur für andere lebe, ist das keine freie Liebe mehr, sondern Pflicht.

Wie wichtig ist dir sexuelle Autonomie – und wie lebst du sie heute, auch als Vater?
Sexuelle Autonomie ist mir sehr wichtig. Das hängt für mich wieder mit Freiheit zusammen. Ich möchte frei entscheiden können, ob und wann ich Intimität lebe – und nicht das Gefühl haben, ich muss jetzt. Dieses Muss wirkt wie eine Bremse.
Als Vater kommt dazu, dass die Zeiten für Intimität einfach begrenzt sind – sowohl mit meiner Partnerin als auch für mich allein. Früher war das spontaner, heute ist alles stärker eingebettet in Alltag und Organisation. Auch gesellschaftliche Räume, in denen Intimität oder Begegnung entstehen – Clubs, Kino, Abendveranstaltungen – sind schwer vereinbar mit einem Kind. Das bedeutet automatisch Aufwand.
Dadurch bin ich nicht mehr ganz so autonom im Sinne von völlig frei, aber es hat auch eine positive Seite: Ich verschwende keine Zeit mehr mit Dingen, die ich gar nicht will. Viele Larifari-Sachen, die ich früher aus Gewohnheit oder weil „man das so macht“ mitgemacht habe, fallen weg. Jetzt geht es mir mehr ums Wesentliche.
Das heißt: Wenn Begegnungen stattfinden – ob flirtig mit anderen oder intim mit meiner Partnerin – dann mit Bewusstsein. Zeit ist kostbar, also bitte sinnvoll nutzen. Natürlich klappt nicht immer alles, aber der Fokus hat sich verändert: Weniger Pflicht, mehr Klarheit, mehr Freiwilligkeit.

Gibt es noch etwas, das dir wichtig ist zu teilen – vielleicht gerade jetzt im Prozess des Interviews?
Ja, was mir noch einfällt, betrifft die Geburt und die Entscheidung für ein Kind. Für mich war das damals eine sehr klare, bewusste Entscheidung: Ich möchte das, weil ich wusste, dass darin ein Raum für Entwicklung und Wachstum liegt – für mich ganz persönlich. Es ging mir dabei weniger um die romantische Vorstellung „Kinder sind so toll“, sondern vielmehr darum, dass ich mir sagte: Da werde ich vor große Herausforderungen gestellt, und daran wachse ich. An meinem Kind, an mir selbst, an der Beziehung.
Und ich finde es total schön, dass sich das auch wirklich eingelöst hat. Vielleicht lag es daran, dass ich von Anfang an mit dieser Offenheit und Bereitschaft hineingegangen bin, Dinge zu verändern. Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass die Geburt und das Aufziehen von unserem Kind mein Leben sehr viel reicher gemacht haben – und auch meine Beziehung zu meiner Partnerin und zu mir selbst. Viele dieser Themen wären ohne Kind wahrscheinlich nie so deutlich geworden. Insofern: ein großartiger Katalysator.
Ja, was für ein wunderbares Schlusswort.
Vielen Dank für deine Zeit.

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