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Geniale Vielfalt

Geni(t)ale Vielfalt

 

Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Künstler:innen und Projekte, die sich der Aufgabe widmen, die beeindruckende Vielfalt der Vulven oder Vulvinas sichtbar zu machen. In sozialen Medien, Büchern und Ausstellungen finden sich gezeichnete oder fotografierte Darstellungen von Vulven in ihrer ganzen Pracht. Diese Kunstwerke zelebrieren die einzigartige Schönheit und Vielfalt, die jede Vulva ausmacht.

Doch gleichzeitig gibt es Stimmen, die sich fragen: Warum müssen wir einen so intimen Körperteil so offen zeigen? Warum sollte die Vulva in die Öffentlichkeit getragen werden?

Warum die Vulva zeigen?

 

1. Die Schönheit der Vielfalt

Jede Vulvina ist einzigartig. Die Formen, Farben und Strukturen, die wir in den künstlerischen Darstellungen sehen, sind so unterschiedlich wie die Gesichter der Menschen. Manche Vulven erinnern an filigrane Blumen, andere an exotische Früchte, manche wirken zart und verborgen, andere majestätisch und kraftvoll. Diese Vielfalt ist faszinierend und wert, gefeiert zu werden. Die Kunst hilft uns, diesen Teil des Körpers, der oft im Verborgenen bleibt, mit neuen Augen zu sehen – als etwas Wunderschönes, das genau so existiert, wie es ist.

2. Vertrautheit schafft Akzeptanz

Was wir als schön empfinden, ist oft das, was uns vertraut ist. Doch viele Menschen, insbesondere Frauen, betrachten ihre Vulva selten – sei es, weil sie anatomisch weniger sichtbar ist oder weil es gesellschaftlich nicht üblich ist, sich mit einem Spiegel zu betrachten. Die Vulva ist nicht so prominent wie der Penis, der sich äußerlich präsentiert. Das führt dazu, dass viele Frauen eine gewisse Distanz zu diesem Körperteil haben, der für ihre Sexualität und Identität so zentral ist.
Diese Distanz hat historische Wurzeln: Jahrhunderte der Unterdrückung weiblicher Sexualität haben dazu geführt, dass viele Frauen ihre Vulva als unästhetisch empfinden oder sich sogar vor Abbildungen ekeln. Diese negative Einstellung kann zu Scham führen und die Beziehung zum eigenen Körper beeinträchtigen. Scham hindert uns daran, unsere Sexualität selbstbewusst zu leben und kann sogar psychosomatische Beschwerden verursachen.
Je mehr wir jedoch Vulven betrachten – in der Kunst oder im Spiegel – desto leichter fällt es uns, ihre Schönheit zu erkennen. Und damit auch die eigene Vulvina als wunderbaren Teil des eigenen Körpers zu feiern.

3. Wissen und Sprache schaffen

Viele Menschen wissen wenig über die Anatomie der Vulvina, da sie selten genau betrachtet oder besprochen wird. Je mehr wir uns mit Vulven und Vaginas beschäftigen und sie anschauen, desto besser verstehen wir ihre Anatomie und Funktionen. Dies hilft uns nicht nur dabei, die richtigen Worte für unsere Körperteile zu finden, sondern auch, uns besser mit unserem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Wissen ist ein mächtiges Werkzeug, das uns hilft, über uns selbst und unsere Sexualität selbstbestimmt zu sprechen.

4. Sichtbarkeit gegen Gewalt

Die öffentliche Sichtbarkeit der Vulvina hat auch eine tiefere gesellschaftliche Dimension. Frauen und Menschen mit Vulvina sind nach wie vor häufig sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Indem wir unsere Körper, insbesondere unsere Genitalien, in die Öffentlichkeit bringen, brechen wir das Schweigen, das oft um sexualisierte Gewalt herrscht. Täter nutzen häufig Scham und Schuld, um ihre Opfer zum Schweigen zu bringen. Je mehr wir offen über unsere Körper und unsere Sexualität sprechen, desto weniger Macht haben diese Strategien. Wissen und Offenheit schützen – nicht nur unseren Körper, sondern auch unsere Seele.

Die Vulvina ist so viel mehr als ein verborgenes, intimes Körperteil. Sie ist Ausdruck von Lebenskraft, Sinnlichkeit und Individualität. Ihre Vielfalt zu feiern und zu zeigen, ist ein wichtiger Schritt, um unsere Körper in ihrer ganzen Schönheit und Einzigartigkeit anzuerkennen und zu lieben. Also lasst uns die Vulvina aus dem Schatten holen – in die Kunst, in die Wissenschaft, in die Öffentlichkeit – und sie in all ihrer Pracht feiern!

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Pillen

Pillen
Pillen

 

Anna hat in Tom die große Liebe gefunden. Er ist der Mann, bei dem für sie alles stimmt. Schon als sie ihn das erste Mal sah, fühlte sie sich von ihm angezogen. Sie mag sein Lächeln, seine warme Stimme, sein liebevolles Wesen, aber vor allem riecht er so gut. In seiner Nähe fühlt sie sich einfach wohl. Die beiden sind seit drei Jahren zusammen, verstehen sich richtig gut und beschließen eine Familie zu gründen. Alles passt wunderbar – bis Anna die Pille absetzt.

Plötzlich zieht es sie nicht mehr in Toms Nähe. Sie hat keine Lust mehr auf Sex mit ihm. Dabei verstehen sie sich weiterhin gut, führen tolle Gespräche. Sie hat nur das Gefühl, dass die körperliche Anziehung verloren gegangen ist, dass sie ihn wortwörtlich nicht mehr riechen kann. Gleichzeitig geht es ihr seit dem Absetzen der Pille körperlich so gut wie lange nicht. Sie hat mehr Energie und verspürt mehr Lust. Eben nur nicht auf ihn. Anna versteht das nicht und sie beginnt die Beziehung in Frage zu stellen.

Tatsächlich gibt es Frauen, die ähnliche Erfahrungen wie Anna machen, wenn sie die Pille absetzen. Hormone können unsere Partner*innenwahl beeinflussen. Denn biologisch bedingt suchen wir unsere Partner*innen auch danach aus, welche MHC-Moleküle sie über den Körperduft (Pheromone) transportieren. Diese sollten möglichst verschieden zu unseren sein, weil MHC-Moleküle unser Immunsystem definieren, indem sie körpereigene von -fremden Zellen unterscheiden. Und je mehr unterschiedliche Moleküle unsere Kinder haben, umso mehr Möglichkeiten haben sie schädliche Viren, Bakterien, et cetera zu bekämpfen; das heißt, ihr Immunsystem ist resilienter.
Wenn Frauen die Pille absetzen, wird der natürliche Zyklus wieder angeschaltet, was unser Hormonsystem beeinflusst. In jeder Phase dominieren andere Hormone. Dadurch verändert sich der eigene Körpergeruch und der von anderen Menschen wird anders wahrgenommen. Das wiederum hat Auswirkungen darauf, wen wir attraktiv finden und wie attraktiv wir auf jemanden wirken.
Schließlich kommt dazu, dass das Progesteron neben dem Testosteron auch Einfluss auf die Psyche hat. Wenn die Pille die Produktion dieser Hormone unterdrückt, kann es sein, dass sich Frauen unsicherer und anhänglicher fühlen. Beim Absetzen der Pille kann das wieder umschlagen und sie fühlen sich mutiger, unabhängiger und unternehmenslustiger. Da die Einnahme der Pille zudem oft damit einhergeht, dass Frauen weniger Lust auf Sex haben, kann das Absetzen zu einem Anstieg der Lust führen. Derartige Veränderungen in Wahrnehmung, Empfinden und Verhalten können, wie im zu Beginn beschriebenen Beispiel bei Anna, auch Auswirkungen auf eine Beziehung haben und zur Belastung werden. Über die Tragweite solcher Nebenwirkungen und Folgen der Pilleneinnahme wird oft nicht genügend aufgeklärt und gesprochen.

Natürlich bringt die Pille auch Vorteile mit sich. Als diese in den 1960er Jahren auf den Markt kam, ermöglichte sie Frauen sexuelle Freiheit. Sie war eine große Errungenschaft und oft das beliebteste Verhütungsmittel (bis Aids aufkam und das Kondom populärer machte). Damals konnten allerdings auch noch starke Nebenwirkungen auftreten, von denen die Frauen nichts wussten: Angefangen bei Symptomen wie Blutungsstörungen, Kopfschmerzen oder Gewichtszunahme bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Thrombosen, Brust- oder Gebärmutterkrebs.
Mittlerweile gibt es zum Glück Präparate, die so niedrig dosiert sind, dass Menschen damit gut zurechtkommen und keine Nebenwirkungen wahrnehmen. Tatsächlich gibt es sogar erwünschte Nebenwirkungen: So kann die Pille auch Menstruationsbeschwerden, insbesondere Unterleibsschmerzen, und Hautprobleme wie Akne verringern.
Doch nicht jede Frau macht diese Erfahrungen: Viele Frauen spüren durch künstliche Hormone eher nachteilige Veränderungen ihres Körpers. Und es ist empfehlenswert dies genau zu beobachten, sich die Vor- und Nachteile bewusst zu machen und sich über alternative Methoden wie die der natürlichen Verhütung zu informieren, um abzuwägen, was der beste Weg für einen selbst ist. Ohne Frage ist es eine schwierige Entscheidung, die eigene Freiheit mit den möglichen körperlichen Folgen abzuwägen! Und noch immer liegt die Verantwortung für das Thema Verhütung leider viel zu oft auf den Schultern der Frauen.

Ähnliches gilt für die „Pille danach“. In einer Notsituation kann diese eine segensreiche Erfindung sein. Aber auch die „Pille danach“ sollte sehr bewusst eingesetzt werden, denn sie stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Hormonsystem dar. Die darin erhöhte Konzentration des Hormons Progesteron entspricht der von zehn Antibabypillen. Das soll den Eisprung oder zu einem späteren Zeitpunkt die Befruchtung und die Einnistung in die Gebärmutter verhindern. Dass es diese Möglichkeit gibt, sollte also nicht dazu führen, sich auf Sex ohne Verhütung einzulassen. Die „Pille danach“ sollte dem Notfall vorbehalten bleiben und nicht zur Regel werden!

Und dann sind da noch die Hormone, die in den Wechseljahren eingenommen werden. Rund um die Menopause verändert sich unser Hormonsystem. Das kann unsere Lebensqualität beeinflussen (siehe auch Exkursion „Sexualität in jedem Alter“). Die Hormontabletten, die Frauen bisher verschrieben wurden, waren chemisch hergestellte hormonähnliche Produkte und hatten meist starke Nebenwirkungen. Daher wird damit heute berechtigterweise in der Medizin sehr vorsichtig umgegangen. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich jedoch viel getan und es entstand die bioidentische Hormontherapie mit Hormonen auf pflanzlicher Basis, die von ihrer Struktur her den körpereigenen Hormonen der Frau sehr ähneln und daher vom Körper sehr gut aufgenommen werden. Diese Hormontherapie scheint nach heutigem Wissen ohne Nebenwirkungen zu sein.

Auch andere Substanzen können unser Hormon- und Nervensystem beeinflussen. Anti-Depressiva beispielsweise wirken sich oft nachteilig auf die Sexualität aus, weil sie Erregung hemmen und die Lust dämpfen. Dasselbe trifft auf Schmerzmittel oder Medikamente gegen Allergien oder hohen Blutdruck zu. Viele Menschen wissen dies jedoch nicht, da sie von ihren Ärzt*innen oder Apotheker*innen zu wenig darüber aufgeklärt werden.

Andere Pillen wiederum werden bewusst für eine lustvollere Sexualität genutzt. Viele Menschen nehmen Drogen, wenn sie Sex haben wollen, weil sie denken, dass diese anregend und luststeigernd wirken, allen voran Alkohol und Cannabis. Tatsächlich dämpfen sie Angst und euphorisieren. Im leichten Rausch fühlen wir uns freier und ungehemmter. Das ist allerdings oft nur ein kurzfristiger Effekt. Ab einer gewissen Dosierung oder bei regelmäßigem Gebrauch tritt dann das Gegenteil ein. Bei Alkohol zum Beispiel nimmt die dämpfende Wirkung weiter zu. Das kann zu Störungen der Erregung, der Erektion und der Ejakulation führen.
Auch die „Liebesdroge“ Ecstasy führt bei regelmäßiger Einnahme zu neurologischen Störungen und daher zur Lustlosigkeit.

Eine „Zauberpille“ gibt es nicht. Wir tun also gut daran, sorgfältig zu entscheiden und den eigenen Körper zu befragen, was ihm bekommt. Auf jeden Fall möchten wir dich einladen die Möglichkeiten, die dein Körper hat, zu erforschen und auszuschöpfen. Du hast zum Beispiel über die Ernährung, Bewegung, Atmung und Berührung auch viele eigene Mittel, um Einfluss zu nehmen auf dein Nerven- und Hormonsystem. Es lohnt sich das zu erforschen!

Mens und Sex

Masturbation Menstruation
Menstruation und Masturbation

 

Genau wie die Masturbation ist auch die Menstruation noch immer ein Tabuthema in unserer Gesellschaft.
In der Werbung ist die Flüssigkeit, die die Saugfähigkeit von Binden beweisen soll, immer noch blau statt rot. Sauber und diskret soll die Menstruation sein. Erst im April 2021 erregte ein neues Produkt unter aufgeklärten Menschen Aufsehen: Zwei Start-Up-Gründer stellten in einer TV-Show ihre „Pinky Gloves“ (rosa Handschuhe) vor, die dafür sorgen sollten, dass Frauen nicht mehr mit ihrem eigenen Blut in Berührung kommen und Tampons „hygienisch“ entsorgen könnten. Die Stimmen, die dies als sexistisch, diskriminierend und unökologisch kritisierten, wurden so laut, dass die beiden Männer das Produkt wieder vom Markt nahmen.

Auch wenn diese Reaktionen hoffen lassen, Menstruationsblut wird nach wie vor nicht gerne gesehen und erregt bei vielen Ekel. Wenn Influencerinnen auf Instagram das heute verändern wollen und Fotos posten von blutigen Schlüpfern und ausgeleerten Menstruationstassen, ist das Entsetzen, vor allem bei den Männern, noch immer groß.

So ist es auch wenig verwunderlich, dass bis heute viele Frauen nicht darüber sprechen, wenn sie menstruieren. Wir haben zu funktionieren und zu arbeiten wie sonst auch. Dabei haben mehr als 10 Prozent aller Frauen haben während ihrer Menstruation so starke Beschwerden, dass sie ihrer Ausbildung oder ihrer Arbeit nicht nachgehen können. Aber das trifft selten auf Verständnis. Von einer Berücksichtigung des bei den meisten Frauen erhöhten Bedürfnisses nach Ruhe und Rückzug während der Periode gar nicht zu sprechen.

Menstruierende Frauen müssen immer noch für ihre Bedürfnisse kämpfen. Und ein großer Teil der Frauen und Mädchen auf der Welt hat keinen Zugang zu fließendem Wasser oder Hygieneprodukten beziehungsweise kann sich diese nicht leisten, weshalb Mädchen oft nicht zur Schule gehen können, ihre Bildung gefährden und von anderen Bereichen des sozialen Lebens ausgeschlossen werden.

Masturbieren während der Menstruation stellt also ein doppeltes Tabu dar. So wie die wenigsten Menschen Partner-Sex haben, während das Blut fließt.
Dabei gibt es gute Gründe, gerade während der Menstruation zu masturbieren. In der Entstehungsphase des Orgasmic Woman Projekts berichteten Frauen, die täglich Selbstliebe praktizierten und dabei mit dem Pulsator forschten (einem Sextoy, das vaginal eingeführt wird und pulsiert), dass dadurch Schmerzen verschwanden, das Blut besser abfloss und/oder die Periode kürzer wurde. Durch das Pulsieren entspannt sich die Beckenbodenmuskulatur, die Gebärmutter wird stimuliert, schneller abzubluten, und der Muttermund wird weicher und öffnet sich leichter.

Außerdem berichteten einige Frauen, dass sie gegen Ende ihrer Menstruation besonders viel Lust haben. Warum gerade dann auf die Selbstliebe verzichten?!
„Weil es ungewohnt ist.“
„Weil das Blut alles schmutzig macht.“
„Weil es eklig ist, sich selbst zu berühren, während Blut fließt.“
So lauten die Antworten, die wir erhalten, wenn wir diese Frage stellen.

Diese Gedanken haben nicht nur wir, und sei es nur unterschwellig, seit unserer Kindheit vermittelt bekommen, sondern natürlich auch schon unsere Mütter und Großmütter.
Denn während in alten Kulturen das Menstruationsblut noch verehrt wurde als Zeichen von Kraft, Gesundheit und Fruchtbarkeit, galten seit der Antike menstruierende Frauen über die Jahrhunderte hinweg bis heute, mit wenigen Ausnahmen, als unrein und sogar gefährlich.
So steht zum Beispiel in der Bibel, dass eine menstruierende Frau unrein ist. Im Judentum war sie lange von allen rituellen Handlungen ausgeschlossen. Im alten Rom wurde ihr nachgesagt, dass sie den Wein verderbe, in ihrer Anwesenheit die Bienen stürben und das Saatgut unfruchtbar würde. Und Paracelsus, einer der berühmtesten europäischen Ärzte im 16. Jahrhundert, setzte dem noch eins drauf: „Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum.“ Bis ins 20. Jahrhundert hielt sich dieser Mythos des „Menotoxins“, ein Gift, das sich angeblich im Blut und Schweiß menstruierender Frauen fände.

Der Umgang mit dem Blut der Frau ist demnach seit jeher widersprüchlich, mystifiziert, und größtenteils von Abscheu und Angst geprägt. Dabei ist die Menstruation ein ganz natürlicher Vorgang im Kreislauf von Leben und Tod.
Zum Glück gibt es immer mehr Frauen, die dazu anregen, sich mit diesem Kreislauf auseinanderzusetzen und sich mit dem eigenen Zyklus zu beschäftigen. Denn je genauer du deinen Körper beobachtest und je besser du ihn kennst, desto mehr kannst du auf seine Bedürfnisse eingehen, was sehr zu deiner Gesundheit und zu deinem Wohlbefinden beitragen wird. Hygieneprodukte wie Stoffbinden, Periodenslips und Menstruationstassen können dabei unterstützen, weil du so in direkteren Kontakt mit deinem Blut kommst. Nebenbei vermeidest du damit mögliche Chemikalien in konventionellen Produkten, reizt deine vaginale Schleimhaut nicht und produzierst weniger Müll.
Auch das freie Bluten ist eine Möglichkeit die Menstruation aktiv in unser Leben zu integrieren. Dabei geht es darum, den Körper so genau zu beobachten, dass wir erkennen, wenn Blut fließen möchte und durch Entspannung der Beckenbodenmuskulatur dies zu ermöglichen.

Aber wie auch immer du mit deiner Menstruation umgehen möchtest, das Wichtigste dabei ist, dass du deinem Körper vertraust, deinen Zyklus schätzt und dich wohlfühlst!

Ökosex

Ökosex
Ökosex

 

Stell dir vor, es ist ein wunderbarer Sommertag und du liegst nackt im warmen Sand an einem Waldsee. Außer dir ist keiner da. Du bist ganz alleine und kannst dich auf das konzentrieren, was gerade ist.

Das goldene Licht des späten Nachmittags zeichnet die Konturen der Bäume weich. Einzelne Strahlen fallen durch die Blätter auf den Boden und umspielen auch deine Haut. Ein weißer Schmetterling setzt sich auf dein linkes Knie. Ein leichter Wind streicht sanft über deine Haare und lässt die kleinen, weichen Flugschirme der Pusteblumen für einen Moment über dir tanzen, bevor er sie weiterträgt. Ab und zu kitzelt dich eine. In der Ferne lockt der Ruf eines Grünspechts und ein Rotkehlchen zwitschert nahe deinem Ohr. Dazu das gleichmäßige Plätschern des ruhigen Sees. Der Wald um dich herum duftet würzig und das blühende Gras frisch. Du drehst dich auf den Bauch, lässt die Sonne deinen Rücken wärmen und bewegst dich leicht hin und her, so dass dein Körper in den Sand hineinsinken kann. Du atmest ein und lange wieder aus.

Da fängt es an zu kribbeln. Auf einmal wird alles intensiver. Als wären die Regler hochgedreht. Die Farben leuchten bunter, die Töne sind lauter, die Düfte stärker, die Berührungen so echt! Die Sonne küsst dich, die Luft streichelt dich, der Sand schmiegt sich an dich. Die Vögel verführen dich mit ihren Liedern. Der Duft der Erde betört dich. Die Bewegungen deines Körpers werden fließender, sie entstehen aus deinem Zentrum, aus deinem Schoßraum heraus. Deine Hände wühlen sich in deine Haare, wandern unter deinen Körper, entlang bis zu deinem sich stetig bewegenden Becken. Du presst deinen Venushügel in deine Hand und schiebst dabei einen Finger in die feuchte Öffnung deiner Vagina. Du öffnest auch deinen Mund, atmest weiter tief ein und aus, lässt alles in dich hineinströmen und gibst dich hin. Während die Wellen deines Körpers immer stärker werden, dein Atem schneller und das Kribbeln in deiner Vulvina intensiver, entweichen deinem Inneren einzelne Töne, ein Schluchzen, ein Stöhnen, kleine Schreie, die gemeinsam mit den Vogelstimmen ein Konzert ergeben. Du fühlst, wie sich die Grenzen deines Körpers erweitern, wie das Kribbeln in dir immer mehr Raum einnimmt, über diesen Platz am See hinaus, über dieses Land hinaus, über die Erde hinaus … und du wirst endlich eins mit dem Universum.

Schon mal erlebt? Dann sei willkommen im Kreise derer, die die Erde lieben und verehren. Vielleicht kennst du es auch ein wenig anders. Vielleicht hast du erlebt was für ein inniges Gefühl, welch eine Mischung aus Erregung und Geborgenheit entstehen kann, wenn du nackt einen mächtigen Baum umarmst. Oder welch eine wunderbare Möglichkeit der Hingabe es sein kann, im fließenden Wasser der Natur deine eigenen Quellen aus dir heraus sprudeln zu lassen. Und was für eine Ekstase der Freiheit und Leichtigkeit, sich nackt in weichem Schnee zu wälzen! Der Vielfalt ist auch hier keine Grenze gesetzt. All das kann Ökosex sein. Und noch viel mehr!

Annie Sprinkle, Sexeducator und Pionierin, die den Begriff Ökosex geprägt hat, nennt diese Art der Selbstliebe „Medibation“, eine Kombination aus „Masturbation“ und „Meditation“. In einem ihrer Videos beschreibt sie das so: „Ich habe das Gefühl, dass ich meditieren muss. Es ist meine spirituelle Pflicht so viel Freude, Ekstase und Orgasmen in diese Welt zu bringen, wie ich nur kann. Denn es gibt so viel Schmerz, Leid und Traurigkeit. Es ist meine Aufgabe, meine Berufung, auf diese Weise zu meditieren. … Ich fühle mich nie wirklich alleine, wenn ich masturbiere. … Ich fühle mich, als würde ich mit dem Universum Liebe machen.“

Aber auch abgesehen von diesem schönen Gedanken auf diese Weise die Welt zu verändern, und auch wenn du etwas in dieser Art noch nicht erlebt hast, kann die Natur für dich eine wunderbare Ressource sein. Eine Möglichkeit, deine Sinne zu öffnen für die vielfältigen Eindrücke und dabei ganz im Hier und Jetzt, mit dir und deinem Körper anzukommen.
Die Sinneseindrücke aus der Natur sind uns selten zu viel. Sie überfordern uns nicht, wie unser selbst gemachtes menschliches Alltagsleben, mit oft grellem Licht, Lärm, einem Gemisch aus Gerüchen und zu wenig Raum für unsere Körper. Alleine in der Natur hast du unendlich viel Raum, unendlich viel Zeit. Dein Nervensystem kann sich beruhigen, eine Langsamkeit darf sich einstellen, und deine Wahrnehmung wird feiner, wenn du dich darauf konzentrierst welcher Vogel welches Lied singt, wenn du das Gewicht des Schmetterlings spürst, der sich auf dich setzt oder die Wärme des Bodens unter dir.

Auch wenn du zu Hause keinen Raum hast für dich alleine, um dich in der Selbstliebe zu üben, hat die Natur immer Platz für dich. Selbst wenn es nur ein Park in deiner Nähe ist und du Angst hast, dort gesehen oder gestört zu werden, probiere es mal aus! Es muss ja nicht gleich heißen, dass du dich nackt in den Sand legst. Auch angezogen, auch ohne Berührung, nur über die Wahrnehmung deiner Sinne, deiner Atmung, das Lenken deiner Aufmerksamkeit auf bestimmte Bereiche deines Körpers, kannst du in der Natur dein erotisches Selbst entdecken und genießen. Setz dich in einem Park mit dem Rücken an einen Baum, ins Gras. Lass die Menschen an dir vorbeispazieren und denken, du ruhst dich aus. Dabei bist du ganz wach und machst gerade Liebe mit dem Universum!

OrgasMuss?!

orgasmus
OrgasMuss?!

 

Wenn wir einem Kind die Frage stellen würden „Was ist Sexualität für dich?“, würde die Antwort in den meisten Fällen wohl lauten: „Ein Mann steckt seinen Penis in die Scheide der Frau.“ Und auch für die meisten Erwachsenen ist Sex genau das – eine sehr eng gefasste und heteronormative Definition, die die Vielfalt des sexuellen Erlebens auf ein Bild aus dem Biologiebuch reduziert.
Und am Ende steht der Orgasmus! Wie für viele Menschen Sex gleich Penetration zu sein scheint, ist wohl der Orgasmus (neben dem Kinderwunsch) oft der einzige Grund, warum Menschen überhaupt Sex haben. Entweder für den eigenen Orgasmus oder für den des/der Partner*in. Ohne den Orgasmus ist der Sex nicht richtig, nicht beendet. Er ist ein Muss!

Einerseits verständlich! Orgasmen sind toll! Sie können dich einen Moment lang alle Sorgen vergessen lassen; der ganze Stress im Alltag, in der Beziehung, mit dir selbst, kann sich entladen. Und dein Körper ist danach so herrlich entspannt! Orgasmen können wie ein Feuerwerk sein, einen ganzen Ozean der Empfindungen und Gefühle hervorrufen und uns ins Weltall katapultieren. Und für viele Menschen ist es die Krönung, das gemeinsam zu erleben, sich dabei vielleicht sogar in die Augen zu schauen und alle Körperzellen miteinander verschmelzen zu lassen … Ekstase pur!

Die Krux ist dabei nur: Umso mehr du diese Ekstase willst, desto unwahrscheinlicher wird es, dass du sie erreichst. Denn wenn Sex gleich Orgasmus ist, baut sich Leistungsdruck auf. Das hält dich davon ab, den Sex zu genießen. Wenn du immer den Orgasmus als Ziel vor Augen hast und darüber nachdenkst, wie du ihn erreichst, bist du nicht im Moment und bei dem, was du gerade spürst. Die Konzentration auf das Spüren deines Körpers ist jedoch der Schlüssel zur Ekstase!
Also heißt es loslassen! Alle Vorstellungen, Erwartungen, Wünsche loslassen und dich auf das zu konzentrieren, was du hier und jetzt spürst.

Doch das ist nicht so leicht, wenn wir ständig bombardiert werden mit dem, was andere angeblich beim Sex erleben. Alle Menschen um uns herum scheinen doch Ekstase zu erleben! Mindestens diejenigen, die wir in Filmen und Pornos sehen. Da läuft es schön nach Drehbuch: Zwei oder mehr Menschen begehren sich und sind erregt. Manchmal schwelgen sie in Gefühlen, manchmal sind sie einfach nur geil. Sie berühren sich auf verschiedenste Art und in vielfältigen Positionen, am Ende hat es aber meistens irgendwie mit Penetration (manchmal auch mit Circlusion – ein alternatives Wort für das aktive Aufnehmen und Umschließen) zu tun. Die Erregung steigt, sie stöhnen lauter, auf jeden Fall kommen sie irgendwann und meistens gleichzeitig. Schließlich sinken sie erschöpft und glücklich in die Kissen. Im Porno ist der Orgasmus besonders sichtbar, weil er – manchmal auch sie – eigentlich immer dabei abspritzt. Möglichst viel Flüssigkeit auf irgendwelche Körperteile – das ist das große Finale!

Solche Bilder prägen sich ein. Kein Wunder also, dass wir meinen, Sex sei Penis in Vagina in allen möglichen Varianten, und der krönende Abschluss sei der Orgasmus. Das ist die Sex-Schablone in unserem Kopf, der Fahrplan, an den sich unser Körper hält, die Performance, die wir glauben erbringen zu müssen. Und wenn wir keinen Orgasmus haben oder den/die Partner*in nicht zum Orgasmus bringen?! Dann haben wir versagt, denken wir. Etwas „funktioniert“ nicht so wie es soll. Wir sind nichts wert.
Aber warum nur stellen wir uns erstmal selbst in Frage?! Warum stellen wir nicht die Konzepte in Frage, die für uns offensichtlich nicht „funktionieren“?! Warum fragen wir uns nicht zuallererst:
Was ist überhaupt Sexualität für mich? Und was ist eigentlich ein Orgasmus?!

Für manche Menschen ist ein Kuss das Intimste, was sie sich vorstellen können. Manche lieben es, sich stundenlang gegenseitig den ganzen Körper zu massieren und schweben dabei auf Wolken. Und manche Menschen mögen es am liebsten, wenn an ihren Genitalien gesaugt oder geleckt wird oder dies bei anderen zu tun. Ist das alles etwa kein Sex?!

Und auch was den Orgasmus angeht, gibt es so viel mehr zu entdecken, als die vorherrschenden Vorstellungen zulassen. Es gibt eine unglaublich große Bandbreite an möglichen orgasmischen Erfahrungen, von der die meisten Menschen nichts wissen, weil das nicht gezeigt oder darüber gesprochen wird und sie oft nur eine oder vielleicht zwei Möglichkeiten kennengelernt haben. Vielleicht hast du Orgasmen, aber würdest sie nicht so bezeichnen, weil sie nicht dieser „Norm“ entsprechen. Oder du konzentrierst dich darauf etwas zu erreichen, was dir eigentlich gar nicht entspricht. Wenn du versuchst, etwas Vorgegebenem zu entsprechen, nimmt dir das die Offenheit und Kreativität, alle möglichen Erfahrungen zu machen und zu entscheiden, was dir am besten gefällt.

Also raus aus der Orgasmusfalle! Denn dieser Druck, etwas erreichen zu müssen, behindert unsere Lust! Je mehr wir denken, wir müssten etwas dafür tun, um mehr zu spüren, desto mehr gerät unser Nervensystem in Stress und desto weniger spüren wir! Das eigentliche Geheimnis der Ekstase ist: Je weniger wir TUN, desto mehr werden wir SEIN. Und je weniger wir DENKEN, desto mehr werden wir SPÜREN! Tatsächlich geht es also gar nicht so sehr darum, viel Neues auszuprobieren im Sinne von neuen Stellungen, Techniken, et cetera. Sondern es geht erst einmal darum, deinen eigenen Körper neu zu entdecken. Und dabei weniger zu machen, langsamer zu werden und dich mehr auf das Spüren zu konzentrieren. Und das Ganze mit Freude und Leichtigkeit! Denn dann bist du entspannt, dein ventraler Vagusnerv ist aktiv und Lernen sowie Veränderung sind überhaupt erst möglich. Dann kannst du entdecken, wie viel bisher ungenutztes Potential in deinem Körper noch schlummert. Plötzlich entsteht ein Kribbeln, Pulsieren, Wirbeln in einer Situation oder an einer Körperstelle, wo du es nicht erwartet hattest!

Das kann ganz schnell gehen. Vielleicht dauert es aber auch ein wenig und du nimmst erstmal wahr, wie wenig du dich spürst. Vielleicht geht es auch erstmal darum, zu entdecken, was es überhaupt für dich braucht, um dich so sicher und entspannt zu fühlen, dass du dich wirklich ganz auf dein körperliches Spüren konzentrieren kannst. Und vielleicht brauchst du auch professionelle Begleitung, weil sich bisherige Erfahrungen so festgesetzt haben in deinem Körper, dass sie neue Erfahrungen blockieren.

Aber egal, was du bisher erlebt hast und egal, wie wenig du bisher spürst und wie sehr du in eingefahrenen Mustern steckst, Veränderung ist möglich, auch für dich! Auch dir steht die Welt der vielfältigen orgasmischen Erfahrungen offen. Du musst dich nur trauen, die ersten Schritte zu gehen und langsam, bewusst und selbstbestimmt deinen ganz eigenen orgasmischen Weg zu finden. Und zwar nicht nur beim Sex, sondern auch in Momenten in deinem Leben, in denen es scheinbar gar nicht um Erregung geht: Momente, in denen du dich und deinen Körper spüren und dich ganz auf dein Erleben konzentrieren kannst. Sei es entspannt auf dem Sofa oder beim Laufen im Wald, beim sinnlichen Genießen eines leckeren Essens oder beim Hören inspirierender Musik, in der warmen Badewanne oder unter einer eiskalten Dusche. So kommst du dem auf die Spur, was wir mit „orgasmisch leben“ meinen.

Und je mehr du auch im Alltag übst dich zu spüren, desto mehr spürst du dich auch beim Sex! Du wirst staunen, welche Orgasmen und welche Ekstase dann auf einmal möglich werden!