SchauLust: Sommer der Krüppelbewegung
„Dieses Camp hat die Welt verändert und keiner kennt seine Geschichte.“ Ein Sommercamp für Menschen mit Behinderung in Jenet, in der Nähe von Manhattan, geleitet von Hippies, ist der Ausgangspunkt für den Film „Sommer der Krüppelbewegung“.
Der Film berichtet von diesem Camp und der politischen Bewegung und dem sehr beeindruckenden Kampf für Rechte von Menschen mit Behinderungen (bzw. Menschen, die behindert werden), die daraus entstand. Es werden aber auch wichtige Themen angerissen wie Kommunikation, Zusammenleben und Sexualität.
Jimmy LeBrecht, der heute als Sounddesigner arbeitet, filmt in diesem Sommer, führt gemeinsam mit Nicole Newnham Regie und begleitet durch die Dokumentation, indem er auch immer wieder selbst im Film spricht und Ausschnitte aus seinem Leben zeigt.
In diesem Camp unterstützte jeder jeden, das heißt auch die Menschen mit Behinderung unterstützten sich gegenseitig. „In Camp Jenet war persönliche Hilfe für andere Teil unser aller Leben.“
Die Betreuer waren damals wohl größtenteils nicht ausgebildet und ohne Erfahrung mit Menschen mit Behinderung. Sie ließen sich einfach auf das Experiment ein, es mal anders zu machen. Dazu der Leiter des Camps:
„Jenet war eine Gelegenheit etwas anderes auszuprobieren. (Wir wollten) versuchen den Teenagern eine Umgebung zu bieten, in der sie ohne Stereotype und Etiketten Teenager sein konnten. … Wir merkten, dass das Problem nicht bei den Behinderten lag, sondern bei Nicht-Behinderten, bei uns. Es war wichtig, dass wir uns änderten.“
Die Teilnehmerinnen am Camp erzählen: „Als ich nach Jenet kam, war ich in Woodstock.“ (Ann)
„Es war total irre. Aber es war eine Utopie. Als wir dort waren, gab es keine Außenwelt.“ (Denise)
Auch die politische Bewegung, unter der Leitung von Judy, einer besonders engagierten Teilnehmerin des Camps, wird in vielen sehr eindrücklichen Szenen gezeigt.
Besonders berührt hat mich die Szene, in der Denise berichtet, wie sie zurück von Jenet, ein Praktikum macht und eine Affäre mit einem Busfahrer hat. „Denn ich wurde nicht jünger und wollte nicht als Jungfrau sterben.“ Sie erzählt wie sie daraufhin eines Nachts mit schrecklichen Bauchschmerzen ins Krankenhaus kommt und einen völlig gesunden Blinddarm heraus operiert bekam, bis ein Arzt überhaupt auf die Idee kam sie auch vaginal zu untersuchen und festgestellt wurde, dass sie vermutlich Gonorrhö hat. „Einen kurzen Moment lang war ich sehr stolz auf mich. Aber dann, als ich darüber nachdachte, war es nur, weil der Chirurg der Meinung war, ich könnte nicht sexuell aktiv sein. Sehen Sie mich an. Wer würde mich ficken wollen?“ Daraufhin studierte sie und machte ihren Master in Menschlicher Sexualität. Was für eine bewundernswerte, starke und schöne Frau! Denise heiratete Neil, einen anderen Camp-Teilnehmer und sie leben heute glücklich als Familie, wie auch andere ihren Weg gefunden haben.
Der Film ist natürlich kritisch, aber auch sehr positiv, öffnet nicht nur die Augen, sondern auch das Herz der Zuschauer*innen und macht Mut weiter gegen Diskriminierung zu kämpfen, wo es nötig ist.