Gleichstellung

Ich wollte nur noch feministisch ficken. Aber ist das überhaupt möglich?

 

Mit dieser Frage bringt Cleo Libro den inneren Widerspruch vieler feministischer Menschen auf den Punkt – und legt in ihrem Buch Gleichstellung. Sex zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ein feministischer Selbstversuch radikal offen, wie tief der Widerspruch zwischen unserer Lust und dem Wunsch nach Gleichstellung in unsere Körper und Fantasien eingeschrieben ist.

Das Buch liest sich leichtfüßig, fast wie ein Tagebuch, mit trockenem Humor, Selbstironie und scharfer Analyse. Cleo nimmt uns mit in ihre Erfahrungen mit Lust, Dating, Körperlichkeit, Grenzverwirrungen und Widersprüchen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Dabei bleibt sie stets bei sich – und wird gerade dadurch exemplarisch.

Sie stellt unbequeme Fragen:

Warum reizen mich Machtgefälle?
Wieso tauchen in meinen Fantasien oft klassische Klischees auf – gerade die, die ich eigentlich überwunden glaubte?
Was ist mit Konsens – und warum fühlt sich der manchmal eher wie ein Lustkiller an?
Was, wenn ich „eigentlich“ Gleichberechtigung will, aber in der Praxis anders handle?

Cleo kommt nicht mit einfachen Antworten. Sie beschreibt vielmehr den Zwischenzustand, in dem sich viele bewegen: zwischen feministischer Theorie und gelebter Intimität. Zwischen Idealen und hormonellen Realitäten. Zwischen Selbstbestimmung und der Lust am Kontrollverlust.

Spoilerwarnung!
Am Ende wird das Buch nicht hoffnungslos – im Gegenteil.
Cleo entdeckt:

  • Konsens kann anregend sein – wenn er aktiv gestaltet wird.
  • Fantasien dürfen widersprüchlich sein – und zeigen uns trotzdem (oder gerade deshalb) unsere realen Grenzen.
  • Körperliche Erregung bedeutet nicht automatisch Zustimmung – ein wichtiges Thema, das auch in unserem Buch Orgasmic Woman ein eigenes Kapitel hat.
  • Wenn wir Penis-in-Vulvina-Sex (PiV) weder idealisieren noch abwerten, entsteht Raum für eine echte Vielfalt der Praktiken.
    Selbstbestimmung schließt Verführung nicht aus.

Außerdem geht es im Buch auch um Solo-Sex, Orgasmusdruck, den Unterschied zwischen Sex in Beziehungen und im unverbindlichen Rahmen – und um die Frage, warum feministische Verhütung immer noch ein ungelöstes Problem bleibt.

Auf Seite 140 gibt’s übrigens eine kleine, liebevolle Erwähnung unseres Orgasmic Woman-Coachings – und auch in unserem Orgasmic Woman Buch findet Cleo ihren Platz mit einem kurzen Beitrag.

Fazit:
Gleichstellung ist keine Anleitung zum „richtig feministischen Sex“ – sondern ein kluges, verletzliches, mutiges Buch, das Lust und Politik zusammendenkt, ohne sie glattzubügeln.
Ein Muss für alle, die sich fragen:
Wie frei bin ich wirklich in meiner Lust?
Und wie kann ich mir meine Freiheit (zurück)erobern?

Heikles Gespräch

Der Tag an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte …

 

Mein lustigster Nachmittag seit langem war der, als ich vor der Praxis eines Kieferorthopäden auf der Bank saß, auf meine Tochter wartete, und dieses Buch las. Die Menschen, die an mir vorübergingen, waren sehr irritiert, weil ich die ganze Zeit lauthals lachte.

Luisa ist gerade 17 Jahre alt geworden und möchte mit ihrem Freund Justin ein Wochenende zelten gehen. Das veranlasst ihren Papa mit ihnen sprechen zu wollen, über „ein heikles Thema“, wie Luisas Mama erklärt, als er erstmal kein Wort rausbringt. Dass das spannend wird, kriegt zuerst Luisas kleine Schwester Tiffany mit, die die Oma mitschleppt und gleich auch ihren Bruder Max ruft, dem Opa folgt. Und der Nachbar kommt auch noch zufällig dazu.

Das alleine ist schon mal eine ziemlich lustige Ausgangssituation. Und wie zu erwarten, sind die Kinder natürlich aufgeklärter als ihre Eltern. Die Großeltern sind dazu auch noch sehr lässig. Und alle miteinander bringen die Eltern ganz schon zum Schwitzen.

„‘Jedenfalls‘, sagte Mama, ‚wenn sich zwei Menschen näherkommen, also ein Mann und eine Frau …“
‚Mama, ehrlich!‘, sagte Luisa. ‚Das ist ja wohl so was von altmodisch!‘ Sie wandte sich an Justin. ‚Ey, ich muss mich echt für meine heteronormativen Eltern entschuldigen.‘

‚Was heißt heteo-oma-tief?‘ fragte Tiffany.
‚Das heißt, Mama und Papa sollen nicht so tun, als würden sich nur Männer und Frauen lieben.‘, sagte die Oma.

‚Also jedenfalls, egal ob Männer oder Frauen‘, sagte Mama, ‚wenn sich zwei Menschen lieben …‘
‚Manchmal sind es auch drei‘, sagte der Opa.
‚Jetzt hörts aber auf!‘, sagte der Papa.
‚Ich mein ja nur‘, sagte der Opa.
‚Ich finde das voll cool, dass du nicht so auf die europäisch-christliche Sexualmoral fixiert bist‘, sagte Luisa.

Was dann aus diesem Gespräch noch wird und warum das dazu führt, dass der Nachbar fortan jedes Mal, wenn er einen Stecker in eine Steckdose steckte, den Kopf schüttelt und lacht und manchmal sogar die Steckdose vorher um Erlaubnis bittet, liest du am besten selbst nach.

Such dir dafür am besten irgendwo eine ruhige Bank. Viel Vergnügen!