
Ein Streifzug durch die Berliner sexpositive Szene
Nike Wessel, bekannt durch den Podcast Sex in Berlin, beschreibt ihr gleichnamiges Buch von dem jungen Berliner Verlag Vast Chili Nova als „wie ein Sonntagmorgen in Berlin: verkatert, nackt und unvergesslich“.
Und tatsächlich fühlt sich die Lektüre genau so an: ein sinnlicher, politischer, tief persönlicher Streifzug durch die Berliner Sexpositive-Szene – mit Witz, Klarheit und Haltung erzählt.
Es ist ein Buch über Berlin als Möglichkeitsraum: Eine Stadt, in der sich queere, kreative, sexpositive Lebens- und Liebensformen entfalten können. Und es ist ein Buch über die Menschen, die diese Räume gestalten. Nike stellt Clubs und Initiativen wie das SchwuZ (das aktuell ums Überleben kämpft – bitte supporten!), das IKSK, das Karada House, Pornceptual oder die Frauen Temple Nights von Lenia Soley vor. Sie porträtiert Pionierinnen wie Laura Méritt von Sexclusivitäten, Paare wie Liebelei, Sexarbeiterinnen vom Paramour Collective und Performer*innen wie Pauline Marie-Antoinette oder die Velvet Creepers.
Dabei bleibt sie nicht außen vor, sondern berichtet auch von ihren eigenen Erfahrungen – etwa von ihrer ersten Nacktparty, bei der sie das erste Mal etwas erlebte, das sie heute die „Power of Sex“ nennt: Die Kraft, die aus der Verbindung zum eigenen Körper und zu anderen entsteht. Ihre Reise durch die Berliner Szene ist gleichzeitig ein persönlicher Transformationsprozess – humorvoll, offen, politisch und ohne sich etwas vorzumachen.
Sexpositivität definiert Nike dabei nicht als bloße Toleranz, sondern als aktive Feier der sexuellen Vielfalt – natürlich auf Basis von Konsens und Selbstbestimmung. Feministische Bewegungen haben diese Kultur mitgeprägt, aber Nike weist auch auf Widersprüche hin: Denn patriarchale und diskriminierende Strukturen machen auch vor sexpositiven Räumen nicht halt. Ihr Appell ist deutlich:
„Die sexpositive Bewegung ist wie die Demokratie kein Selbstläufer – sie muss verteidigt werden.“
Passend dazu beginnt das Buch mit drei starken feministischen Stimmen:
- Mit Emilia Roig spricht sie darüber, dass Sexualität und Liebe zwar intim sind, aber auch zutiefst politisch – geprägt durch Sexismus, Rassismus, Heteronormativität.
- Mit Katja Lewina geht es um Endlichkeit und wie Vergänglichkeit unseren Umgang mit Lust verändert.
- Mithu Sanyal fordert eine Gesellschaft, die nicht nur sexualisierte Gewalt thematisiert, sondern auch Raum schafft für Lust, Bedürfnisse und sexuelle Menschenrechte – schon in der Schule.
So geht Sex in Berlin weit über einzelne Nächte oder Clubs hinaus. Es ist ein Plädoyer für eine sexuelle Kultur, die frei, vielfältig und bewusst gelebt werden kann – auch im Alltag. Eine Kultur, die verbindet, Kraft gibt und Raum lässt, um sich selbst immer wieder neu zu entdecken.
Ein inspirierendes, leidenschaftliches und wichtiges Buch – nicht nur für Berliner*innen.