Konsens ist sexy

Konsens ist sexy

 

Nadine Primo, freie Autorin, Speakerin und Bloggerin, vor allem zu den Themen Bisexualität, Diversität, weibliche Lust und mentale Gesundheit, hat ein Buch zum Konsens geschrieben. Es heißt „Konsens ist sexy. Von persönlichen Grenzen und weiblicher Lust“.
Es ist ein sehr persönliches Buch geworden und damit auch sehr mutig und so vehement, wie es dieses Thema braucht.

Sie beginnt nämlich über ihre Kindheit und die Rolle der Ursprungsfamilie in ihrem Leben zu schreiben. Dabei hat mich vor allem berührt, wie sie viele Jahre unter der Ignoranz und fehlenden Sorgfalt von Ärzten leiden musste, die nicht erkannten, dass sie eine Rippe zu viel hatte, die ihr zunehmend große Schmerzen bereitete.
„Als Andenken an die sechs Jahre habe ich, neben einer Fehlhaltung … und einem Loch im Brustkorb … das Gefühl behalten, dass ich meine negativen Gefühle besonders energisch und laut kommunizieren muss, weil mir eventuell nicht geglaubt werden könnte.“
Eine Form von Medical Gaslighting: „Es hat insgesamt sechs Jahre gedauert, bis ich operiert und von den täglichen Schmerzen erlöst wurde. Bis dahin wurde meine Wahrnehmung immer wieder verzerrt, mir mein Leid abgesprochen; meine Symptome nicht ernst genommen … Das hat Spuren hinterlassen, tiefe Spuren.“

Im medizinischen Kontext, in Bezug auf ihren Körper, hat sie also leider schon als Kind keinen Konsens erfahren. Sie wurde nicht ernst genommen, ihre Grenzen oft nicht geachtet.

Sie schreibt auch über das Helfersyndrom als eine Art von Kompensation: „Die eigene Hilfsbedürftigkeit und die eigenen Schwächen werden verleugnet sowie Gegenseitigkeit und Intimität in Beziehungen vermieden.“ Eine, wie ich finde, treffende Beschreibung.

Als Erwachsene versteht sie dann, wie sie außerdem von patriarchalen, sexistischen und heteronormativen Strukturen geprägt ist. „Aus diesen Mustern und Strukturen muss Mensch sich erst einmal befreien. Der Schwerpunkt meiner Arbeit verlagerte sich: Konsens, weibliche Lust und ihre Grenzen, sexuelle Selbstbestimmtheit und gleiche Rechte für alle Geschlechter standen fortan und stehen nach wie vor bei mir im Fokus. Das Ziel: selbstbestimmt(e) weibliche Lust leben.“

Und warum das Thema Konsens gerade für die weibliche Sexualität so wichtig ist, erklärt sie so: „Das Thema weibliche Lust wurde immer wichtiger für mich, auch in meiner Arbeit als Autorin, denn ich begriff, dass hier weiterhin viel Unkenntnis und gefährliches Halbwissen in den Köpfen vorherrschen. Noch immer taucht weibliche Lust meistens im Kontext männlicher Lust auf und ist dafür da, ebendiese zu befriedigen, statt die eigene in den Vordergrund zu stellen. Aufgrund dessen kommt es immer wieder zu Erwartungshaltungen gegenüber Frauen, die zu grenzüberschreitenden Situationen führen können – wenn im Vorhinein kein Konsens eingeholt wird.“

In ihrem Buch erzählt sie von ihren eigenen Beziehungen und bringt Beispiele anderer. Es geht um Bisexualität und alternative Beziehungsmodelle und sie setzt sich auseinander mit sozialen Medien, Mainstream-Porno und Online-Dating. Vor allem geht es dabei immer wieder um die Schwierigkeit Grenzen zu setzen und Bedürfnisse zu kommunizieren, wenn wir uns Abhängigkeitsverhältnisse nicht bewusst machen.

Über ihre Bisexualität schreibt sie: „Auch wenn es lange Zeit eine Herausforderung für mich war, bisexuell zu sein, so ist es jetzt nur noch eins: ein Geschenk. Das Geschenk, auf alle Geschlechter zu stehen und allein dadurch mehr Diversität zu (er-)leben. … Ich verliebe mich in Menschen, nicht in Geschlechtsteile.“

Was Nadine Primo an eigenen persönlichen Erfahrungen schildert, ist immer wieder heftig, immer wieder geht es ums Scheitern, besonders zum Ende des Buchs, wenn es um die Beziehung mit einem depressiven Partner geht. Aber letztendlich geht es ihr nicht darum schwarz zu sehen: „Wahrscheinlich ist es das, was ich am Ende eigentlich sagen will: Achtet mehr aufeinander, redet miteinander statt aneinander vorbei und versucht, andere Menschen wirklich zu verstehen. Selbst eine demokratische Gesellschaft kann erst dann wirklich frei sein, wenn Diversität auf Augenhöhe gelebt wird. Nur das würde Freiheit für jede*n Einzelne*n bedeuten.

Ja, unbedingt! Vielen Dank für dieses wichtige Buch, Nadine Primo

Ist das normal?

Ist das normal - Melanie Büttner
Ist das normal?

 

Das Buch „Ist das normal?“ mit dem Untertitel „Sprechen wir über Sex, wie du ihn willst“ von Melanie Büttner, Alina Schadwinkel und Sven Stockrahm ist aus dem Sexpodcast auf ZEIT ONLINE mit dem gleichen Namen entstanden: eine Art Sprechstunde, bei der Menschen fragen zu Sex stellen können.

Dabei geht es um Fragen wie: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was ist für mich guter Sex? Mit wem will ich Sex haben?. Es geht um Pornos und Phantasien, um Slow Sex und Sinnlichkeit, um BDSM und Fetisch, um sexuelle Identität und Orientierung.
Es geht um den Körper, um Anatomie, um Schönheit und Vielfalt, auch um Operationen und Piercings, Safer Sex und Krankheiten.

Schön, dass hier nicht nur die Vulva/Vagina/Klitoris und der Penis, sondern auch der Anus und der Aufbau des Beckenbodens vorgestellt wird. Nicht so schön, dass bei der Zeichnung des Beckenbodens wieder die KLEINEN und GROßEN SCHAMlippen auftauchen, die bei der Vulva Zeichnung INNERE und ÄUßERE VULVAlippen heißen, wie es eigentlich sein sollte!

Und es geht um Kommunikation beim Sex, Beziehungsdynamik und um Seitensprünge, Monogamie oder nicht, Dating-Apps und Online-Sex bis hin zu Problemen beim Sex, wie Erregungs- oder Orgasmusstörungen, fehlende Erektionen oder vorzeitige Ejakulation. Für diese werden hier verschiedene Gründe angeführt: vom Stress über den Einfluss von Pornos oder Drogen, bis hin zu körperlichen oder psychischen Problemen.

Das Buch endet mit dem Thema sexueller Gewalt und einer Liste von Therapie- und Beratungsstellen.

Ein sehr vielfältiges und umfassendes Buch also zum Thema Sexualität, das viele wertvolle Impulse und Hilfestellungen gibt (z.B. eine Liste mit 8 Zutaten für großartigen Sex, die sehr treffend ist). Und es gibt nur weniges, mit dem ich nicht einverstanden bin (z.B. mit dem Umgang mit Phantasien).

Letztendlich wollen die Autor*innen vor allem vermitteln, dass es „in der Sexualität nicht darum geht normal zu sein oder normal zu werden, sich einem Standard anzupassen. Es geht darum, zu finden, was einem selbst gefällt. Die eigenen Sehnsüchte ernst zu nehmen, sich zu fragen: Womit habe ich Spaß, was macht mich lebendig? Und sich von dem zu verabschieden, was uns überall vorgeturnt wird.“ Und das gelingt ihnen sehr gut!

Untenrum frei

Untenrum frei Margarete Stokowski
Untenrum frei

 

„Wir können nicht untenrum frei sein, wenn wir es obenrum nicht sind, und umgekehrt. Das „Untenrum“ ist der Sex und das „Obenrum“ unser Verständnis von uns selbst und den anderen – und beides gehört zusammen…“

Wenn wir über Feminismus nachdenken, kommen wir an Magarete Stokowski nicht vorbei. Ihr Buch „Untenrum Frei“ gehört ganz sicher zum Kanon der Bücher, die wir mal gelesen haben sollten.
Was hat sie zum Feminismus gebracht? Zuerst „die Erkenntnis, dass guter Sex nichts damit zu tun hat, dass man ein Skript nachspielt, bis der oder die andere kommt; dann die Feststellung, dass Vielfalt etwas Bereicherndes ist …“

Sehr offen schreibt sie über die Zeiten ihrer Kindheit und Jugend, wo sie das noch nicht wusste und über die Entwicklung ihres Bewusstseins und streift dabei die Bereiche, die noch so sehr im Argen liegen, selbst wenn da sicherlich schon einiges an Entwicklung passiert ist: Aufklärung im Alltag und in der Schule, die Rolle der Frau in den Medien als „Symbol für Sex schlechthin“, Sexismus in der Gesellschaft.
Im Vorwort ihres Buchs kündigt sie an:

„Um Selbstbestimmung wird es viel gehen. Denn Feminismus ist keine Bewegung, die alte Zwänge durch neue Zwänge ersetzen will oder alte Tabus durch neue. Es ist ein Kampf gegen Zwänge und für mehr freie, eigene Entscheidungen.“
Sie schreibt über die Zwänge der sexuellen Revolution und dass das nicht viel mit der Selbstbestimmung von Frauen zu tun hatte. Und natürlich thematisiert sie auch Gewalt und wie wichtig es ist darüber zu sprechen, wie Veränderungen passieren und ein Weg in die Selbstbestimmung aussehen kann.
„Indem wir öffentlich sprechen, machen wir uns nicht zu Opfern, im Gegenteil: wir ent-opfern uns. … Es ist ein Schritt aus der Ohnmacht heraus. Ein Schritt. Es kann nicht der letzte sein. Zu beschreiben, dass man einmal ein Opfer geworden ist, kann nicht der Schritt sein, indem man eine neue Identität annimmt – „die Verwundete“ -, in der man dann verbleibt. Damit würde man sich wieder unfrei machen …“

Tatsächlich scheint es heute ja notwendig den Feminismus zu verteidigen. Das tut sie:
„Wenn du glaubst, dass wir keinen Feminismus mehr brauchen, heißt das, du glaubst, das hier ist der Endzustand?“
Und sie macht immer wieder klar, dass nichts einfach von selbst passiert.
„… auf Dauer bringt weglächeln nichts. Mir ist kein einziger Fall in der Weltgeschichte bekannt, in dem ein schweigendes Lächeln eine Ungerechtigkeit abgeschafft hätte.“

Die einzige Passage, mit der wir so nicht einverstanden sind, ist diese:
„Bei mir stellt sich von Empfehlungen wie „Have orgasms“ ein gewisses Entsetzen ein, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass wir die Idee, Frauen müssten durch regelmäßige Stimulation bei Laune gehalten werden, um nicht hysterisch zu werden, eigentlich schon gekickt hatten.“
Denn für uns dient natürlich das Ausleben unserer Lust (wir übersetzen „Have orgasms“ einfach mal so frei und nicht orgasmusfixiert) nicht dazu uns bei Laune zu halten oder gar zu besänftigen, sondern es ist eine Möglichkeit uns den Raum zu nehmen, der unserer Lust zusteht, so wild und laut oder sanft und leise zu sein wie wir wollen. Nicht hysterisch und außer uns, sondern ganz in unserer Mitte und in unserer vollen Kraft!

Pillen

Pillen
Pillen

 

Anna hat in Tom die große Liebe gefunden. Er ist der Mann, bei dem für sie alles stimmt. Schon als sie ihn das erste Mal sah, fühlte sie sich von ihm angezogen. Sie mag sein Lächeln, seine warme Stimme, sein liebevolles Wesen, aber vor allem riecht er so gut. In seiner Nähe fühlt sie sich einfach wohl. Die beiden sind seit drei Jahren zusammen, verstehen sich richtig gut und beschließen eine Familie zu gründen. Alles passt wunderbar – bis Anna die Pille absetzt.

Plötzlich zieht es sie nicht mehr in Toms Nähe. Sie hat keine Lust mehr auf Sex mit ihm. Dabei verstehen sie sich weiterhin gut, führen tolle Gespräche. Sie hat nur das Gefühl, dass die körperliche Anziehung verloren gegangen ist, dass sie ihn wortwörtlich nicht mehr riechen kann. Gleichzeitig geht es ihr seit dem Absetzen der Pille körperlich so gut wie lange nicht. Sie hat mehr Energie und verspürt mehr Lust. Eben nur nicht auf ihn. Anna versteht das nicht und sie beginnt die Beziehung in Frage zu stellen.

Tatsächlich gibt es Frauen, die ähnliche Erfahrungen wie Anna machen, wenn sie die Pille absetzen. Hormone können unsere Partner*innenwahl beeinflussen. Denn biologisch bedingt suchen wir unsere Partner*innen auch danach aus, welche MHC-Moleküle sie über den Körperduft (Pheromone) transportieren. Diese sollten möglichst verschieden zu unseren sein, weil MHC-Moleküle unser Immunsystem definieren, indem sie körpereigene von -fremden Zellen unterscheiden. Und je mehr unterschiedliche Moleküle unsere Kinder haben, umso mehr Möglichkeiten haben sie schädliche Viren, Bakterien, et cetera zu bekämpfen; das heißt, ihr Immunsystem ist resilienter.
Wenn Frauen die Pille absetzen, wird der natürliche Zyklus wieder angeschaltet, was unser Hormonsystem beeinflusst. In jeder Phase dominieren andere Hormone. Dadurch verändert sich der eigene Körpergeruch und der von anderen Menschen wird anders wahrgenommen. Das wiederum hat Auswirkungen darauf, wen wir attraktiv finden und wie attraktiv wir auf jemanden wirken.
Schließlich kommt dazu, dass das Progesteron neben dem Testosteron auch Einfluss auf die Psyche hat. Wenn die Pille die Produktion dieser Hormone unterdrückt, kann es sein, dass sich Frauen unsicherer und anhänglicher fühlen. Beim Absetzen der Pille kann das wieder umschlagen und sie fühlen sich mutiger, unabhängiger und unternehmenslustiger. Da die Einnahme der Pille zudem oft damit einhergeht, dass Frauen weniger Lust auf Sex haben, kann das Absetzen zu einem Anstieg der Lust führen. Derartige Veränderungen in Wahrnehmung, Empfinden und Verhalten können, wie im zu Beginn beschriebenen Beispiel bei Anna, auch Auswirkungen auf eine Beziehung haben und zur Belastung werden. Über die Tragweite solcher Nebenwirkungen und Folgen der Pilleneinnahme wird oft nicht genügend aufgeklärt und gesprochen.

Natürlich bringt die Pille auch Vorteile mit sich. Als diese in den 1960er Jahren auf den Markt kam, ermöglichte sie Frauen sexuelle Freiheit. Sie war eine große Errungenschaft und oft das beliebteste Verhütungsmittel (bis Aids aufkam und das Kondom populärer machte). Damals konnten allerdings auch noch starke Nebenwirkungen auftreten, von denen die Frauen nichts wussten: Angefangen bei Symptomen wie Blutungsstörungen, Kopfschmerzen oder Gewichtszunahme bis hin zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Thrombosen, Brust- oder Gebärmutterkrebs.
Mittlerweile gibt es zum Glück Präparate, die so niedrig dosiert sind, dass Menschen damit gut zurechtkommen und keine Nebenwirkungen wahrnehmen. Tatsächlich gibt es sogar erwünschte Nebenwirkungen: So kann die Pille auch Menstruationsbeschwerden, insbesondere Unterleibsschmerzen, und Hautprobleme wie Akne verringern.
Doch nicht jede Frau macht diese Erfahrungen: Viele Frauen spüren durch künstliche Hormone eher nachteilige Veränderungen ihres Körpers. Und es ist empfehlenswert dies genau zu beobachten, sich die Vor- und Nachteile bewusst zu machen und sich über alternative Methoden wie die der natürlichen Verhütung zu informieren, um abzuwägen, was der beste Weg für einen selbst ist. Ohne Frage ist es eine schwierige Entscheidung, die eigene Freiheit mit den möglichen körperlichen Folgen abzuwägen! Und noch immer liegt die Verantwortung für das Thema Verhütung leider viel zu oft auf den Schultern der Frauen.

Ähnliches gilt für die „Pille danach“. In einer Notsituation kann diese eine segensreiche Erfindung sein. Aber auch die „Pille danach“ sollte sehr bewusst eingesetzt werden, denn sie stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Hormonsystem dar. Die darin erhöhte Konzentration des Hormons Progesteron entspricht der von zehn Antibabypillen. Das soll den Eisprung oder zu einem späteren Zeitpunkt die Befruchtung und die Einnistung in die Gebärmutter verhindern. Dass es diese Möglichkeit gibt, sollte also nicht dazu führen, sich auf Sex ohne Verhütung einzulassen. Die „Pille danach“ sollte dem Notfall vorbehalten bleiben und nicht zur Regel werden!

Und dann sind da noch die Hormone, die in den Wechseljahren eingenommen werden. Rund um die Menopause verändert sich unser Hormonsystem. Das kann unsere Lebensqualität beeinflussen (siehe auch Exkursion „Sexualität in jedem Alter“). Die Hormontabletten, die Frauen bisher verschrieben wurden, waren chemisch hergestellte hormonähnliche Produkte und hatten meist starke Nebenwirkungen. Daher wird damit heute berechtigterweise in der Medizin sehr vorsichtig umgegangen. In den letzten Jahren hat sich in diesem Bereich jedoch viel getan und es entstand die bioidentische Hormontherapie mit Hormonen auf pflanzlicher Basis, die von ihrer Struktur her den körpereigenen Hormonen der Frau sehr ähneln und daher vom Körper sehr gut aufgenommen werden. Diese Hormontherapie scheint nach heutigem Wissen ohne Nebenwirkungen zu sein.

Auch andere Substanzen können unser Hormon- und Nervensystem beeinflussen. Anti-Depressiva beispielsweise wirken sich oft nachteilig auf die Sexualität aus, weil sie Erregung hemmen und die Lust dämpfen. Dasselbe trifft auf Schmerzmittel oder Medikamente gegen Allergien oder hohen Blutdruck zu. Viele Menschen wissen dies jedoch nicht, da sie von ihren Ärzt*innen oder Apotheker*innen zu wenig darüber aufgeklärt werden.

Andere Pillen wiederum werden bewusst für eine lustvollere Sexualität genutzt. Viele Menschen nehmen Drogen, wenn sie Sex haben wollen, weil sie denken, dass diese anregend und luststeigernd wirken, allen voran Alkohol und Cannabis. Tatsächlich dämpfen sie Angst und euphorisieren. Im leichten Rausch fühlen wir uns freier und ungehemmter. Das ist allerdings oft nur ein kurzfristiger Effekt. Ab einer gewissen Dosierung oder bei regelmäßigem Gebrauch tritt dann das Gegenteil ein. Bei Alkohol zum Beispiel nimmt die dämpfende Wirkung weiter zu. Das kann zu Störungen der Erregung, der Erektion und der Ejakulation führen.
Auch die „Liebesdroge“ Ecstasy führt bei regelmäßiger Einnahme zu neurologischen Störungen und daher zur Lustlosigkeit.

Eine „Zauberpille“ gibt es nicht. Wir tun also gut daran, sorgfältig zu entscheiden und den eigenen Körper zu befragen, was ihm bekommt. Auf jeden Fall möchten wir dich einladen die Möglichkeiten, die dein Körper hat, zu erforschen und auszuschöpfen. Du hast zum Beispiel über die Ernährung, Bewegung, Atmung und Berührung auch viele eigene Mittel, um Einfluss zu nehmen auf dein Nerven- und Hormonsystem. Es lohnt sich das zu erforschen!

Mens und Sex

Masturbation Menstruation
Menstruation und Masturbation

 

Genau wie die Masturbation ist auch die Menstruation noch immer ein Tabuthema in unserer Gesellschaft.
In der Werbung ist die Flüssigkeit, die die Saugfähigkeit von Binden beweisen soll, immer noch blau statt rot. Sauber und diskret soll die Menstruation sein. Erst im April 2021 erregte ein neues Produkt unter aufgeklärten Menschen Aufsehen: Zwei Start-Up-Gründer stellten in einer TV-Show ihre „Pinky Gloves“ (rosa Handschuhe) vor, die dafür sorgen sollten, dass Frauen nicht mehr mit ihrem eigenen Blut in Berührung kommen und Tampons „hygienisch“ entsorgen könnten. Die Stimmen, die dies als sexistisch, diskriminierend und unökologisch kritisierten, wurden so laut, dass die beiden Männer das Produkt wieder vom Markt nahmen.

Auch wenn diese Reaktionen hoffen lassen, Menstruationsblut wird nach wie vor nicht gerne gesehen und erregt bei vielen Ekel. Wenn Influencerinnen auf Instagram das heute verändern wollen und Fotos posten von blutigen Schlüpfern und ausgeleerten Menstruationstassen, ist das Entsetzen, vor allem bei den Männern, noch immer groß.

So ist es auch wenig verwunderlich, dass bis heute viele Frauen nicht darüber sprechen, wenn sie menstruieren. Wir haben zu funktionieren und zu arbeiten wie sonst auch. Dabei haben mehr als 10 Prozent aller Frauen haben während ihrer Menstruation so starke Beschwerden, dass sie ihrer Ausbildung oder ihrer Arbeit nicht nachgehen können. Aber das trifft selten auf Verständnis. Von einer Berücksichtigung des bei den meisten Frauen erhöhten Bedürfnisses nach Ruhe und Rückzug während der Periode gar nicht zu sprechen.

Menstruierende Frauen müssen immer noch für ihre Bedürfnisse kämpfen. Und ein großer Teil der Frauen und Mädchen auf der Welt hat keinen Zugang zu fließendem Wasser oder Hygieneprodukten beziehungsweise kann sich diese nicht leisten, weshalb Mädchen oft nicht zur Schule gehen können, ihre Bildung gefährden und von anderen Bereichen des sozialen Lebens ausgeschlossen werden.

Masturbieren während der Menstruation stellt also ein doppeltes Tabu dar. So wie die wenigsten Menschen Partner-Sex haben, während das Blut fließt.
Dabei gibt es gute Gründe, gerade während der Menstruation zu masturbieren. In der Entstehungsphase des Orgasmic Woman Projekts berichteten Frauen, die täglich Selbstliebe praktizierten und dabei mit dem Pulsator forschten (einem Sextoy, das vaginal eingeführt wird und pulsiert), dass dadurch Schmerzen verschwanden, das Blut besser abfloss und/oder die Periode kürzer wurde. Durch das Pulsieren entspannt sich die Beckenbodenmuskulatur, die Gebärmutter wird stimuliert, schneller abzubluten, und der Muttermund wird weicher und öffnet sich leichter.

Außerdem berichteten einige Frauen, dass sie gegen Ende ihrer Menstruation besonders viel Lust haben. Warum gerade dann auf die Selbstliebe verzichten?!
„Weil es ungewohnt ist.“
„Weil das Blut alles schmutzig macht.“
„Weil es eklig ist, sich selbst zu berühren, während Blut fließt.“
So lauten die Antworten, die wir erhalten, wenn wir diese Frage stellen.

Diese Gedanken haben nicht nur wir, und sei es nur unterschwellig, seit unserer Kindheit vermittelt bekommen, sondern natürlich auch schon unsere Mütter und Großmütter.
Denn während in alten Kulturen das Menstruationsblut noch verehrt wurde als Zeichen von Kraft, Gesundheit und Fruchtbarkeit, galten seit der Antike menstruierende Frauen über die Jahrhunderte hinweg bis heute, mit wenigen Ausnahmen, als unrein und sogar gefährlich.
So steht zum Beispiel in der Bibel, dass eine menstruierende Frau unrein ist. Im Judentum war sie lange von allen rituellen Handlungen ausgeschlossen. Im alten Rom wurde ihr nachgesagt, dass sie den Wein verderbe, in ihrer Anwesenheit die Bienen stürben und das Saatgut unfruchtbar würde. Und Paracelsus, einer der berühmtesten europäischen Ärzte im 16. Jahrhundert, setzte dem noch eins drauf: „Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum.“ Bis ins 20. Jahrhundert hielt sich dieser Mythos des „Menotoxins“, ein Gift, das sich angeblich im Blut und Schweiß menstruierender Frauen fände.

Der Umgang mit dem Blut der Frau ist demnach seit jeher widersprüchlich, mystifiziert, und größtenteils von Abscheu und Angst geprägt. Dabei ist die Menstruation ein ganz natürlicher Vorgang im Kreislauf von Leben und Tod.
Zum Glück gibt es immer mehr Frauen, die dazu anregen, sich mit diesem Kreislauf auseinanderzusetzen und sich mit dem eigenen Zyklus zu beschäftigen. Denn je genauer du deinen Körper beobachtest und je besser du ihn kennst, desto mehr kannst du auf seine Bedürfnisse eingehen, was sehr zu deiner Gesundheit und zu deinem Wohlbefinden beitragen wird. Hygieneprodukte wie Stoffbinden, Periodenslips und Menstruationstassen können dabei unterstützen, weil du so in direkteren Kontakt mit deinem Blut kommst. Nebenbei vermeidest du damit mögliche Chemikalien in konventionellen Produkten, reizt deine vaginale Schleimhaut nicht und produzierst weniger Müll.
Auch das freie Bluten ist eine Möglichkeit die Menstruation aktiv in unser Leben zu integrieren. Dabei geht es darum, den Körper so genau zu beobachten, dass wir erkennen, wenn Blut fließen möchte und durch Entspannung der Beckenbodenmuskulatur dies zu ermöglichen.

Aber wie auch immer du mit deiner Menstruation umgehen möchtest, das Wichtigste dabei ist, dass du deinem Körper vertraust, deinen Zyklus schätzt und dich wohlfühlst!

Ökosex

Ökosex
Ökosex

 

Stell dir vor, es ist ein wunderbarer Sommertag und du liegst nackt im warmen Sand an einem Waldsee. Außer dir ist keiner da. Du bist ganz alleine und kannst dich auf das konzentrieren, was gerade ist.

Das goldene Licht des späten Nachmittags zeichnet die Konturen der Bäume weich. Einzelne Strahlen fallen durch die Blätter auf den Boden und umspielen auch deine Haut. Ein weißer Schmetterling setzt sich auf dein linkes Knie. Ein leichter Wind streicht sanft über deine Haare und lässt die kleinen, weichen Flugschirme der Pusteblumen für einen Moment über dir tanzen, bevor er sie weiterträgt. Ab und zu kitzelt dich eine. In der Ferne lockt der Ruf eines Grünspechts und ein Rotkehlchen zwitschert nahe deinem Ohr. Dazu das gleichmäßige Plätschern des ruhigen Sees. Der Wald um dich herum duftet würzig und das blühende Gras frisch. Du drehst dich auf den Bauch, lässt die Sonne deinen Rücken wärmen und bewegst dich leicht hin und her, so dass dein Körper in den Sand hineinsinken kann. Du atmest ein und lange wieder aus.

Da fängt es an zu kribbeln. Auf einmal wird alles intensiver. Als wären die Regler hochgedreht. Die Farben leuchten bunter, die Töne sind lauter, die Düfte stärker, die Berührungen so echt! Die Sonne küsst dich, die Luft streichelt dich, der Sand schmiegt sich an dich. Die Vögel verführen dich mit ihren Liedern. Der Duft der Erde betört dich. Die Bewegungen deines Körpers werden fließender, sie entstehen aus deinem Zentrum, aus deinem Schoßraum heraus. Deine Hände wühlen sich in deine Haare, wandern unter deinen Körper, entlang bis zu deinem sich stetig bewegenden Becken. Du presst deinen Venushügel in deine Hand und schiebst dabei einen Finger in die feuchte Öffnung deiner Vagina. Du öffnest auch deinen Mund, atmest weiter tief ein und aus, lässt alles in dich hineinströmen und gibst dich hin. Während die Wellen deines Körpers immer stärker werden, dein Atem schneller und das Kribbeln in deiner Vulvina intensiver, entweichen deinem Inneren einzelne Töne, ein Schluchzen, ein Stöhnen, kleine Schreie, die gemeinsam mit den Vogelstimmen ein Konzert ergeben. Du fühlst, wie sich die Grenzen deines Körpers erweitern, wie das Kribbeln in dir immer mehr Raum einnimmt, über diesen Platz am See hinaus, über dieses Land hinaus, über die Erde hinaus … und du wirst endlich eins mit dem Universum.

Schon mal erlebt? Dann sei willkommen im Kreise derer, die die Erde lieben und verehren. Vielleicht kennst du es auch ein wenig anders. Vielleicht hast du erlebt was für ein inniges Gefühl, welch eine Mischung aus Erregung und Geborgenheit entstehen kann, wenn du nackt einen mächtigen Baum umarmst. Oder welch eine wunderbare Möglichkeit der Hingabe es sein kann, im fließenden Wasser der Natur deine eigenen Quellen aus dir heraus sprudeln zu lassen. Und was für eine Ekstase der Freiheit und Leichtigkeit, sich nackt in weichem Schnee zu wälzen! Der Vielfalt ist auch hier keine Grenze gesetzt. All das kann Ökosex sein. Und noch viel mehr!

Annie Sprinkle, Sexeducator und Pionierin, die den Begriff Ökosex geprägt hat, nennt diese Art der Selbstliebe „Medibation“, eine Kombination aus „Masturbation“ und „Meditation“. In einem ihrer Videos beschreibt sie das so: „Ich habe das Gefühl, dass ich meditieren muss. Es ist meine spirituelle Pflicht so viel Freude, Ekstase und Orgasmen in diese Welt zu bringen, wie ich nur kann. Denn es gibt so viel Schmerz, Leid und Traurigkeit. Es ist meine Aufgabe, meine Berufung, auf diese Weise zu meditieren. … Ich fühle mich nie wirklich alleine, wenn ich masturbiere. … Ich fühle mich, als würde ich mit dem Universum Liebe machen.“

Aber auch abgesehen von diesem schönen Gedanken auf diese Weise die Welt zu verändern, und auch wenn du etwas in dieser Art noch nicht erlebt hast, kann die Natur für dich eine wunderbare Ressource sein. Eine Möglichkeit, deine Sinne zu öffnen für die vielfältigen Eindrücke und dabei ganz im Hier und Jetzt, mit dir und deinem Körper anzukommen.
Die Sinneseindrücke aus der Natur sind uns selten zu viel. Sie überfordern uns nicht, wie unser selbst gemachtes menschliches Alltagsleben, mit oft grellem Licht, Lärm, einem Gemisch aus Gerüchen und zu wenig Raum für unsere Körper. Alleine in der Natur hast du unendlich viel Raum, unendlich viel Zeit. Dein Nervensystem kann sich beruhigen, eine Langsamkeit darf sich einstellen, und deine Wahrnehmung wird feiner, wenn du dich darauf konzentrierst welcher Vogel welches Lied singt, wenn du das Gewicht des Schmetterlings spürst, der sich auf dich setzt oder die Wärme des Bodens unter dir.

Auch wenn du zu Hause keinen Raum hast für dich alleine, um dich in der Selbstliebe zu üben, hat die Natur immer Platz für dich. Selbst wenn es nur ein Park in deiner Nähe ist und du Angst hast, dort gesehen oder gestört zu werden, probiere es mal aus! Es muss ja nicht gleich heißen, dass du dich nackt in den Sand legst. Auch angezogen, auch ohne Berührung, nur über die Wahrnehmung deiner Sinne, deiner Atmung, das Lenken deiner Aufmerksamkeit auf bestimmte Bereiche deines Körpers, kannst du in der Natur dein erotisches Selbst entdecken und genießen. Setz dich in einem Park mit dem Rücken an einen Baum, ins Gras. Lass die Menschen an dir vorbeispazieren und denken, du ruhst dich aus. Dabei bist du ganz wach und machst gerade Liebe mit dem Universum!

OrgasMuss?!

orgasmus
OrgasMuss?!

 

Wenn wir einem Kind die Frage stellen würden „Was ist Sexualität für dich?“, würde die Antwort in den meisten Fällen wohl lauten: „Ein Mann steckt seinen Penis in die Scheide der Frau.“ Und auch für die meisten Erwachsenen ist Sex genau das – eine sehr eng gefasste und heteronormative Definition, die die Vielfalt des sexuellen Erlebens auf ein Bild aus dem Biologiebuch reduziert.
Und am Ende steht der Orgasmus! Wie für viele Menschen Sex gleich Penetration zu sein scheint, ist wohl der Orgasmus (neben dem Kinderwunsch) oft der einzige Grund, warum Menschen überhaupt Sex haben. Entweder für den eigenen Orgasmus oder für den des/der Partner*in. Ohne den Orgasmus ist der Sex nicht richtig, nicht beendet. Er ist ein Muss!

Einerseits verständlich! Orgasmen sind toll! Sie können dich einen Moment lang alle Sorgen vergessen lassen; der ganze Stress im Alltag, in der Beziehung, mit dir selbst, kann sich entladen. Und dein Körper ist danach so herrlich entspannt! Orgasmen können wie ein Feuerwerk sein, einen ganzen Ozean der Empfindungen und Gefühle hervorrufen und uns ins Weltall katapultieren. Und für viele Menschen ist es die Krönung, das gemeinsam zu erleben, sich dabei vielleicht sogar in die Augen zu schauen und alle Körperzellen miteinander verschmelzen zu lassen … Ekstase pur!

Die Krux ist dabei nur: Umso mehr du diese Ekstase willst, desto unwahrscheinlicher wird es, dass du sie erreichst. Denn wenn Sex gleich Orgasmus ist, baut sich Leistungsdruck auf. Das hält dich davon ab, den Sex zu genießen. Wenn du immer den Orgasmus als Ziel vor Augen hast und darüber nachdenkst, wie du ihn erreichst, bist du nicht im Moment und bei dem, was du gerade spürst. Die Konzentration auf das Spüren deines Körpers ist jedoch der Schlüssel zur Ekstase!
Also heißt es loslassen! Alle Vorstellungen, Erwartungen, Wünsche loslassen und dich auf das zu konzentrieren, was du hier und jetzt spürst.

Doch das ist nicht so leicht, wenn wir ständig bombardiert werden mit dem, was andere angeblich beim Sex erleben. Alle Menschen um uns herum scheinen doch Ekstase zu erleben! Mindestens diejenigen, die wir in Filmen und Pornos sehen. Da läuft es schön nach Drehbuch: Zwei oder mehr Menschen begehren sich und sind erregt. Manchmal schwelgen sie in Gefühlen, manchmal sind sie einfach nur geil. Sie berühren sich auf verschiedenste Art und in vielfältigen Positionen, am Ende hat es aber meistens irgendwie mit Penetration (manchmal auch mit Circlusion – ein alternatives Wort für das aktive Aufnehmen und Umschließen) zu tun. Die Erregung steigt, sie stöhnen lauter, auf jeden Fall kommen sie irgendwann und meistens gleichzeitig. Schließlich sinken sie erschöpft und glücklich in die Kissen. Im Porno ist der Orgasmus besonders sichtbar, weil er – manchmal auch sie – eigentlich immer dabei abspritzt. Möglichst viel Flüssigkeit auf irgendwelche Körperteile – das ist das große Finale!

Solche Bilder prägen sich ein. Kein Wunder also, dass wir meinen, Sex sei Penis in Vagina in allen möglichen Varianten, und der krönende Abschluss sei der Orgasmus. Das ist die Sex-Schablone in unserem Kopf, der Fahrplan, an den sich unser Körper hält, die Performance, die wir glauben erbringen zu müssen. Und wenn wir keinen Orgasmus haben oder den/die Partner*in nicht zum Orgasmus bringen?! Dann haben wir versagt, denken wir. Etwas „funktioniert“ nicht so wie es soll. Wir sind nichts wert.
Aber warum nur stellen wir uns erstmal selbst in Frage?! Warum stellen wir nicht die Konzepte in Frage, die für uns offensichtlich nicht „funktionieren“?! Warum fragen wir uns nicht zuallererst:
Was ist überhaupt Sexualität für mich? Und was ist eigentlich ein Orgasmus?!

Für manche Menschen ist ein Kuss das Intimste, was sie sich vorstellen können. Manche lieben es, sich stundenlang gegenseitig den ganzen Körper zu massieren und schweben dabei auf Wolken. Und manche Menschen mögen es am liebsten, wenn an ihren Genitalien gesaugt oder geleckt wird oder dies bei anderen zu tun. Ist das alles etwa kein Sex?!

Und auch was den Orgasmus angeht, gibt es so viel mehr zu entdecken, als die vorherrschenden Vorstellungen zulassen. Es gibt eine unglaublich große Bandbreite an möglichen orgasmischen Erfahrungen, von der die meisten Menschen nichts wissen, weil das nicht gezeigt oder darüber gesprochen wird und sie oft nur eine oder vielleicht zwei Möglichkeiten kennengelernt haben. Vielleicht hast du Orgasmen, aber würdest sie nicht so bezeichnen, weil sie nicht dieser „Norm“ entsprechen. Oder du konzentrierst dich darauf etwas zu erreichen, was dir eigentlich gar nicht entspricht. Wenn du versuchst, etwas Vorgegebenem zu entsprechen, nimmt dir das die Offenheit und Kreativität, alle möglichen Erfahrungen zu machen und zu entscheiden, was dir am besten gefällt.

Also raus aus der Orgasmusfalle! Denn dieser Druck, etwas erreichen zu müssen, behindert unsere Lust! Je mehr wir denken, wir müssten etwas dafür tun, um mehr zu spüren, desto mehr gerät unser Nervensystem in Stress und desto weniger spüren wir! Das eigentliche Geheimnis der Ekstase ist: Je weniger wir TUN, desto mehr werden wir SEIN. Und je weniger wir DENKEN, desto mehr werden wir SPÜREN! Tatsächlich geht es also gar nicht so sehr darum, viel Neues auszuprobieren im Sinne von neuen Stellungen, Techniken, et cetera. Sondern es geht erst einmal darum, deinen eigenen Körper neu zu entdecken. Und dabei weniger zu machen, langsamer zu werden und dich mehr auf das Spüren zu konzentrieren. Und das Ganze mit Freude und Leichtigkeit! Denn dann bist du entspannt, dein ventraler Vagusnerv ist aktiv und Lernen sowie Veränderung sind überhaupt erst möglich. Dann kannst du entdecken, wie viel bisher ungenutztes Potential in deinem Körper noch schlummert. Plötzlich entsteht ein Kribbeln, Pulsieren, Wirbeln in einer Situation oder an einer Körperstelle, wo du es nicht erwartet hattest!

Das kann ganz schnell gehen. Vielleicht dauert es aber auch ein wenig und du nimmst erstmal wahr, wie wenig du dich spürst. Vielleicht geht es auch erstmal darum, zu entdecken, was es überhaupt für dich braucht, um dich so sicher und entspannt zu fühlen, dass du dich wirklich ganz auf dein körperliches Spüren konzentrieren kannst. Und vielleicht brauchst du auch professionelle Begleitung, weil sich bisherige Erfahrungen so festgesetzt haben in deinem Körper, dass sie neue Erfahrungen blockieren.

Aber egal, was du bisher erlebt hast und egal, wie wenig du bisher spürst und wie sehr du in eingefahrenen Mustern steckst, Veränderung ist möglich, auch für dich! Auch dir steht die Welt der vielfältigen orgasmischen Erfahrungen offen. Du musst dich nur trauen, die ersten Schritte zu gehen und langsam, bewusst und selbstbestimmt deinen ganz eigenen orgasmischen Weg zu finden. Und zwar nicht nur beim Sex, sondern auch in Momenten in deinem Leben, in denen es scheinbar gar nicht um Erregung geht: Momente, in denen du dich und deinen Körper spüren und dich ganz auf dein Erleben konzentrieren kannst. Sei es entspannt auf dem Sofa oder beim Laufen im Wald, beim sinnlichen Genießen eines leckeren Essens oder beim Hören inspirierender Musik, in der warmen Badewanne oder unter einer eiskalten Dusche. So kommst du dem auf die Spur, was wir mit „orgasmisch leben“ meinen.

Und je mehr du auch im Alltag übst dich zu spüren, desto mehr spürst du dich auch beim Sex! Du wirst staunen, welche Orgasmen und welche Ekstase dann auf einmal möglich werden!

Trans und Sex

Trans und Sex
Trans und Sex

 

Längst überfällig, dieses Buch! Denn Trans*-Sexualität ist immer noch ein Tabu und mit vielen Vorstellungen belegt, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Jonas A. Hamm zeigt die große Lücke auf zwischen gesellschaftlicher Realität, wissenschaftlicher Aufarbeitung und persönlicher Erfahrung von gelebter Sexualität. Das realisiert er über eine qualitative Studie mit sechs sorgfältig ausgewählten und reflektierten Personen einer Minderheit, die die sehr konkrete, sexuelle Realität von trans*-Personen zeigt, welche keine genitalangleichende/n Operation/en anstreben.

Unser Kollege Nino Mar Seliz, der sich selbst trans*männlich positioniert, und trans*Menschen darin begleitet ihre Verbindung zum eigenen Körper zu stärken, schreibt darüber:
„Dabei ist meine Erfahrung, dass es besonders unterstützend ist, vor allem die Aspekte der gelingenden Sexualität in den Fokus gestellt zu wissen. … Als lesende Person darf ich den einzelnen Personen in den sexuellen Profilen nahe kommen, darf an ihrer wundervollen Sexualität und an ihren Lern- und Reflektionsprozessen teilhaben. …
In ihren sexuellen Profilen sprechen diese offen über ihr Begehren und ihre Art und Weise Sex zu haben. Sie thematisieren ihre Vorlieben, wie sie mit ihren Genitalien umgehen, Toys verwenden und ihren ganzen Körper einsetzen. Und sie beschreiben wie sie in Kommunikation darüber mit ihren Sexualpartner_Innen sind. Ich bin Jonas A. Hamm sehr dankbar für diese respektvolle und außerordentlich bereichernde Darlegung in Schriftform.
Für die Gesundheitsversorgung aller Menschen wünsche ich mir, dass zukünftig die Perspektive des Gelingens mehr gewichtet wird als die des Nicht-Gelingens und der bislang noch häufig daraus resultierenden, keineswegs hilfreichen Konsequenz von Pathologisierung. Laut Jonas A. Hamm gibt es keine richtige oder falsche Sexualität, keine richtige oder falsche (Trans*-)Identität. Dem stimme ich vollkommen zu: Jede Sexualität ist einzigartig.“

Da können wir nur zustimmen und dieses horizonterweiternde Buch sehr empfehlen!

Vulva Entdecken

Lina die Entdeckerin
Vulva Entdecken

 

Wir freuen uns sehr mal wieder einen kleinen Schatz auf dem Buchmarkt entdeckt zu haben! Gerade erst veröffentlicht; ein Buch, das wir uns für unsere Kinder gewünscht hätten, als sie noch kleiner waren!

„Lina die Entdeckerin“ von Katharina Schönborn-Hotter, Lisa Charlotte Sonnberger und Flo Staffelmayr ist ein wunderbar illustriertes, heiteres Bilderbuch über ein kleines Mädchen, das sich auf die Reise macht ihre Vulvina zu entdecken.

Das Buch ist eine sehr gelungene Mischung aus einer kurzweiligen und phantasievoll bebilderten Geschichte und anschaulich dargestelltem und beschriebenem Wissen rund um Körperbewusstsein, Hygiene, Nacktheit, Behaarung, Anatomie der Vulvina und Menstruation. Auch um Diversität und bewusste Sprache haben sich die AutorInnen bemüht.

Ein Must Have für Kinder bis ca. 12 Jahre und auch darüber hinaus in jedem Alter schön anzuschauen und zu lesen!

Die MacherInnen selbst über ihr Werk: „Sprache schafft Wirklichkeit und gestaltet unsere Realität. Eine genaue und wertfreie Bezeichnung der Geschlechtsteile bietet die Basis für ein positives Körpergefühl und in Folge ein gestärktes Selbstbewusstsein. In diesem Buch steht die Vulva im Rampenlicht, abseits von Unsicherheiten und Tabus, denn das wertfreie Benennen aller Körperteile ist aus unserer Sicht von großer Bedeutung für die Identitätsbildung Heranwachsender.“

Das ist ganz in unserem Sinne! Vielen Dank für dieses Buch! Ein weiterer Meilenstein in der immer noch so notwendigen Aufklärung über die weiblichen Genitalien!

Aufklärung als Comic

Aufklärungsbuch Da Unten
Aufklärung als Comic

 

Alica Läuger hat mit “da unten” einen ganz wundervollen “Aufklärungscomic” geschrieben und gezeichnet.
Der Klappentext ist sehr treffend formuliert: “Das Buch räumt für junge und alte Menschen jeden Geschlechts mit Mythen um sogenannte weibliche Sexualität herum auf. “Da unten” vermittelt nicht nur Information, sondern auch eine Haltung. Vertraue auf deine eigenen Empfindungen und Bedürfnisse!”

Damit ist das Buch trotz der Begegnung mit Vorurteilen was diesen Begriff angeht, selbstgenannt ein feministisches Buch, weil “Wir können doch nicht weiter einfach so tun, als würde es nichts mit weiblich gelesenen Personen machen, dass nie über ihre Sexualität gesprochen wird. … Sogenannte weibliche Sexualität unsichbar zu machen bedeutet auch, Menschen mit Vulvina unsicher zurückzulassen.”
Alica Läuger will also sichtbar machen. Und das gelingt ihr mit einer wunderbaren Leichtigkeit und gleichzeitig einer Klarheit und Vehemenz zu den wichtigsten Themen.

Hier nur ein paar Beispiele:
Wir freuen uns, dass sie die Vulva/Vagina anatomisch korrekt erklärt und auch den Begriff Vulvina verwendet.
Zum Thema Menstruation schreibt sie unter anderem auch über die Verwendung von Menstruationstassen und über das freie Bluten.
Sie widerlegt den Mythos der “Jungfräulichkeit”, schreibt darüber was Sex-Positivität wirklich bedeutet und was die Unterschiede sind zwischen Porno-Sex und “echtem” Sex.
Sie schreibt (juchhu!) auch über Masturbation: “Verrückte Sache, Masturbation. Fast alle machen es, fast niemand spricht darüber.”
Auch die Themen Geschlechtskrankheiten, alle möglichen Arten von Sex und Orgasmen und Konsent fehlen nicht. Und sie endet mit dem Kapitel über das Thema Sex Shaming:
“Schlampe ist eine Beleidigung, die dazu dient, das sexuelle Verhalten von weiblich gelesenen und sozialisierten Menschen zu kontrollieren.”

Also unbedingt ein Buch, das die Welt braucht! Ein Buch, das Spaß macht zu lesen und anzuschauen, das unsere Töchter bereits gelesen haben, aber auch allen erwachsenen Menschen sehr zu empfehlen ist.